„Unser Notre-Dame-Moment“
Gerade jährte sich der verheerende Brand von Paris. Nun zerstört ein Feuer mit der Alten Börse in Kopenhagen ein wichtiges dänisches Kulturerbe.
Bis um 8:32 Uhr am Dienstagfrüh waren sie immer da: die vier kauernden Drachen, deren Schwänze sich nach oben verschlangen und den Drachenturm bildeten. Von vielen Orten in Kopenhagen war die Dachspitze der „Břrsen“, der ehemaligen Börse im Zentrum der dänischen Hauptstadt, ein zierlicher Blickfang, der aus den eher monumentalen Bauten der Umgebung herausstach. Die vier Drachen sollten das Gebäude vor Feuer schützen. Sie schafften es nun nicht mehr. Die Bilder der brennenden Turmspitze, die lodernd vom Gebäude herabfällt, dürften bei Kopenhagenern ähnliche Gefühle auslösen wie bei Menschen in Berlin, wenn das Brandenburger Tor zusammenbräche. „Diese markante Aussicht – die wir unfassbar oft im dänischen Fernsehen gesehen haben, wo der Drachenturm im Vordergrund steht – ist auf ewig verändert“, konstatiert die Geschichtskorrespondentin des öffentlichen Rundfunks Danmarks Radio. Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen schrieb bei X, was viele dachten: „Unser eigener Notre-Dame-Moment.“Thomas Heine Nielsen, Associate Professor für Griechisch und Antike Geschichte an der Universität Kopenhagen, brauchte ein bisschen, um zu verstehen, was er an diesem Morgen auf dem Weg zur Arbeit an der Börse sah, sagte er dem Berliner Tagesspiegel. Ein rot verfärbter Himmel und grauer Rauch. „Die Menschen standen ganz still, einige machten Bilder, einige weinten“, berichtet Nielsen. Auch er habe feuchte Augen bekommen, als ihm das Ausmaß klar wurde. Kurz danach erzählte ihm ein Kollege, dass der Drachenturm herabgestürzt war. Die Stimmung in der Stadt sei „gedrückt“– die Börse am Morgen wird ihm fehlen.
Zunächst war die Brandursache unklar. Das Gebäude war mit Baugerüsten umhüllt, es wurde restauriert – nun stürzten mehrere Stockwerke ein. Bei der Kathedrale von Notre-Dame, die vor fünf Jahren ebenfalls teilweise abbrannte, waren Bauarbeiten die Ursache des Feuers. Der für die Renovierung verantwortliche Architekt Leif Hansen sagte der Zeitung Politiken, die Bilder des Brandes seien für ihn kaum auszuhalten. Das Gebäude sollte eigentlich zum Herbst fertiggestellt werden, um rechtzeitig zur großen 400-Jahr-Feier 2025 in bester Form zu sein. Die Bilder des abstürzenden Turms, von Passanten, die wertvolle Kunst aus dem Gebäude tragen, und Feuerwehrleuten, die im runden Torbogen den Flammen gegenüberstehen, sind schon jetzt historisch. „Das sind furchtbare Bilder, hier stehen 400 Jahre Kulturerbe in Flammen“, schrieb Kulturminister Jakob Engel-Schmidt auft X. Das Gebäude hatte in 399 Jahren – fertig wurde es 1625 – mehrere Brände der Nachbargebäude überlebt, auch des ChristiansborgSchlosses. Die Börse wurde im Stil der niederländischen Renaissance nach Plänen der Brüder Lourens und Hans van Steenwinckel erbaut. Zuletzt waren dort Büros und Säle der Handelskammer mit wertvollen Kunstwerken. Wegen des Turms diente sie als ein Wahrzeichen Kopenhagens.