Kommt die Bezahlkarte für Asylbewerber nun doch früher?
Im Dresdner Stadtrat fand sich im März eine Mehrheit für eine Bezahlkarte – auch weil CDU und FDP dafür stimmten. Doch OB Hilbert widersprach dem heftig kritisierten Beschluss.
Die CDU und die FDP im Stadtrat wollen an diesem Donnerstag einen neuen Vorstoß für eine Bezahlkarte für Geflüchtete in Dresden starten.
Das Thema hatte in der Landeshauptstadt bereits vor wenigen Wochen für Aufruhr gesorgt. So hatte die CDU im März gemeinsam mit der FDP für einen AfD-Antrag gestimmt, mit dem die Einführung einer Bezahlkarte nur für Dresden beschlossen wurde. Diese Bezahlkarte sollte die bisherige Bargeldauszahlung an geflüchtete Menschen ablösen.
Kritiker, darunter Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) rechneten vor, die Stadt müsse mit erheblichen Kosten für eine eigene Bezahlkarte rechnen. Dies sei nicht sinnvoll, da voraussichtlich 2025 eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte eingeführt werden soll.
Der Beschluss sorgte auch deshalb bundesweit für Schlagzeilen, da sich die Christdemokraten eine „Brandmauer“zur AfD auferlegt hatten, wonach eben nicht für AfD-Anträge gestimmt werden sollte.
Doch bei dem Dresdner Beschluss blieb es nicht: Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) widersprach dem Dresdner Sonderweg wenige Tage später. Dieser sei mit Blick auf die hohen Kosten und die erwartete Bundesbezahlkarte „nachteilig für die Stadt“. Die Folge: Der Stadtrat muss an diesem Donnerstag erneut über den AfD-Antrag abstimmen.
CDU und FDP starten nun jedoch einen eigenen Versuch. Die beiden Fraktionen haben am Mittwoch einen Antrag mit dem Titel „Dresden als Modellregion für eine Bezahlkarte statt Bargeld“vorgestellt. Dieser soll den AfD-Antrag ersetzen, der aufgrund des OB-Widerspruchs erneut auf der Tagesordnung steht. Der Unterschied zum AfDAntrag besteht vor allem in der schrittweisen Einführung; die AfD hatte einen sofortigen Start gefordert.
„Wir wollen, dass die Bezahlkarte so schnell wie möglich, zumindest schrittweise, eingeführt wird, weil Bargeld ein Pullfaktor für geflüchtete Menschen ist“, sagt FDP-Stadtrat Robert Malorny und meint da
mit, dass Bargeld als Anreiz dienen könnte, nach Deutschland zu flüchten. Flüchtlingsinitiativen hatten das stets verneint und betont, dass die Bezahlkarte nicht menschenwürdig sei.
CDU-Fraktionschefin Heike Ahnert sagt: „Was die Landkreise können, kann Dresden auch.“Sie spielt damit auf die Einführung der Bezahlkarte in den sächsischen Landkreisen zum 1. April an.
CDU und FDP wollen OB Hilbert mit ihrem Antrag beauftragen, das Pilotprojekt in dem „Umfang durchzuführen, dass eine freihändige Vergabe möglich ist“. Das heißt: Die Kosten sollen so niedrig gehalten werden, dass ein förmliches Vergabeverfahren unnötig ist. Wie das konkret passieren soll, ließen beide Fraktionen am Mittwoch offen. Finanziert werden soll das Modellprojekt aus den „Minderausgaben im Bereich Asyl“. Ob es diese Minderausgaben überhaupt gibt, ließ die Stadtverwaltung auf Anfrage bislang unbeantwortet. Auf die Frage, ob die Einführung auch schneller gehen könnte durch eine „freihändige Ausschreibung“, also ohne formelles Verfahren,
kann die Stadt am Mittwoch nicht antworten.
Der Dresdner Sonderweg wäre eine Zwischenlösung. So soll sichergestellt werden, dass es nach dem Pilotprojekt einen „reibungslosen Übergang“zu der gemeinsamen bundesweiten Bezahlkarte geben wird, so CDU und FDP.
Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) hatte dagegen schon im Vorfeld erklärt, dass das zunächst beschlossene Modellprojekt „mit den begrenzten technischen, personellen und finanziellen Ressourcen nicht so schnell umzusetzen ist.“Dies würde mehrere Monate dauern.
OB Hilbert hatte vorgerechnet, eine eigene Bezahlkarte würde mindestens 100.000 Euro und bis zu 460.000 Euro pro Jahr kosten. Die Einführung einer Bezahlkarte könne auf andere Art und Weise - namentlich durch das Warten auf eine bundesweite Bezahlkartenlösung - besser erreicht werden. Ob Hilbert den Antrag von CDU und FDP, sollte er denn eine Mehrheit bekommen, wieder kassiert, bleibt abzuwarten.
Auch an dem neuen Vorstoß von CDU und FDP gibt es Kritik. „Die Bezahlkarte löst kein Problem. Weder die Unterbringung, noch der Zugang zu Bildung oder zum Arbeitsmarkt werden damit vereinfacht oder beschleunigt“, sagt Anja Stephan, die für die Linke für den neuen Stadtrat kandidiert und am Dienstag beim Wahlforum des Ausländerrates zu Gast war. Auch SPD-Kandidatin und integrationspolitische Sprecherin Julia Hartl findet, dass es kein sinnvoller Weg ist, „die Menschen zu gängeln und lange im Sozialleistungsbezug zu halten“. Es sei wichtig, ihnen eine selbstbestimmte Perspektive zu geben.
Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher kündigte an, dass ihre Partei den Antrag am Donnerstag ablehnen werde. „CDU und FDP ignorieren den Widerspruch des Oberbürgermeisters, der ausführlich und in der Sache gut begründet ist, und setzen sich über alle Argumente hinweg“, sagt sie. „Minderausgaben im Bereich Asyl“seien ihr nicht bekannt und somit keine zuverlässige Deckungsquelle für die Finanzierungsfrage.