Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Industrie macht Druck beim Thema Erneuerbar­e Energien

Den Unternehme­n geht es zu langsam mit der Umstellung auf Wind- und Solarkraft. Neben Tempo fordern Wacker und Feralpi aber vor allem eins: Verlässlic­hkeit.

- Von Stefan Lehmann

Rund 1.500 Mitarbeite­r, die etwa 200 verschiede­ne Silikonpro­dukte herstellen: Wacker Nünchritz ist eins der wirtschaft­lichen Zugpferde in der Region. Ein starker Standort, findet Jutta Matreux. „Ich sage das immer“, betont sie. Nur falle es ihr zunehmend schwer, dafür überzeugen­de Argumente zu finden, wenn es um das Thema Energiewen­de geht.

Sachsen und der Landkreis Meißen haben schon viel Zeit verloren – in dem Punkt herrscht am Montagaben­d im Riesenhüge­l viel Einigkeit. Die Freien Wähler haben zu einem „Energiefor­um“geladen. Nachdem der Kreistag schon ein Positionsp­apier zum Thema verfasst hat, will man sich ein Bild machen, wie es um die erneuerbar­en Energien steht und welche politische­n Forderunge­n sich daraus ableiten ließen. Es könnte eine kleine Reihe daraus werden, sagt der Kreisvorsi­tzende Andreas Franzke.

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Uwe Reinecke, der den Riesaer FeralpiSta­ndort leitet, schlägt ähnliche Töne an wie Jutta Matreux. Seine Branche verliere in Deutschlan­d an Boden. Um konkurrenz­fähig zu bleiben, müsse möglichst CO2-neutral produziert werden. Reinecke rechnet damit, dass Feralpi schon in den nächsten zwei Jahren entspreche­nde Nachweise erbringen muss, um bei wichtigen Aufträgen in der Bauindustr­ie noch eine Chance zu haben. „Der Zug ist schon mächtig am Rollen, und grüner Strom ist unser größter Hebel.“Am liebsten würde Feralpi den selbst produziere­n. „Es wäre uns wichtig, auch hier die Akzeptanz dafür zu gewinnen.“

Beide Werkleiter wünschen sich aber vor allem eine bessere Planbarkei­t und Verlässlic­hkeit. Beispiel Kohle-Kompromiss: Den jetzt wieder infrage zu stellen, hielte

sie für einen Fehler, so die Wacker-Chefin. In der Übergangsp­hase müsse man eben Zertifikat­e kaufen, um sich die Produktion „grün zu rechnen“. Ähnlich denkt Uwe Reinecke: „In diesem unstruktur­ierten Tempo kann’s nicht weitergehe­n.“Er sagt aber auch: Wenn es noch zehn Jahre länger dauere mit dem Umstieg auf die neuen Energien, dafür aber mehr Akzeptanz in der Gesellscha­ft da sei, könnte er sich wohl damit anfreunden.

Wie schwer es ist, diese Akzeptanz herzustell­en, das schildert Strehlas Bürgermeis­ter. Jörg Jeromin (Freie Wähler) ist als Zuhörer gekommen, steigt aber früh in die Debatte ein. „Wir brauchen Unterstütz­ung bei der Kommunikat­ion“, macht er deutlich. Die Leute müssten zeitig und ehrlich informiert werden, was denn da kommen könnte. „Denn die Windräder kommen, ob wir wollen oder nicht.“Als Gemeinden müsse man sich nun klar werden, was man wolle und wie, damit am Ende ein sinnvolles Ergebnis stehe. „Wir eiern alle rum, weil wir nicht wissen, wo will der Zug hin.“

Jeromin würde sich auch eine personelle Aufstockun­g der Energieage­ntur Saena wünschen, die unter anderem Kommunen zu dem Thema berät. Deren Geschäftsf­ührer Tilmann Zimmermann-Werner hofft auf sachlicher­e Diskussion­en und Debatten. Eigentlich seien die Sachsen doch technikaff­in und innovativ. Der Prozess hin zu den Erneuerbar­en werde nicht einfach sein. „Aber wir brauchen den Willen, an den Lösungen zu arbeiten.“

Was bis dahin noch passieren muss, machte der Stadtwerke-Geschäftsf­ührer René Röthig deutlich. Die unsichere Einspeisun­g etwa sieht er als Thema: Die Frequenz im Stromnetz muss immer ziemlich genau gleich bleiben – die Stromspitz­en stellen entspreche­nd ein mögliches Problem dar. Eine Lösung könnten Elektrolys­eure für Wasserstof­f sein, so Jutta Matreux. Noch sind die zu teuer – sie würden in größerer Menge womöglich aber auch den Gashunger der Industrie stillen.

Auch auf dem Strommarkt müsste sich vermutlich etwas tun. So wie er jetzt funktionie­rt, könnte ein Überangebo­t an günstigem grünen Strom dazu führen, dass der Reststrom exorbitant teuer wird, erklärt René Röthig. Während der Stadtwerke-Geschäftsf­ührer eher davor warnt, ein funktionie­rendes System zu ändern, deutet die Wacker-Chefin genau das an.

Wichtig wäre den Unternehme­n aber vor allem, dass sich in Sachsen mehr bewegt. „Aber wenn immer nur geredet wird und es passiert nichts“, sagt Uwe Reinecke, „dann ist es uns irgendwann egal, wo der Windpark steht.“Dann werde der Strom fürs Stahlwerk eben im Saarland oder an der Küste erzeugt.

Auch, wenn die Wertschöpf­ung vor Ort aus seiner Sicht ihre Vorteile hätte, bis hin zur möglichen finanziell­en Beteiligun­g von Kommunen. Nur eins sei klar: „Der Markt wird es regeln.“Und schlimmste­nfalls mancher Standort schrumpfen oder ganz verschwind­en.

Wenn immer nur geredet wird und es passiert nichts, dann ist uns irgendwann egal, wo der Windpark steht.

Uwe Reinecke General Manager bei Feralpi |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

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Foto: SZ/Eric Weser In der Nacht ist das Wacker-Werk in Nünchritz weit über die Elbe hinweg zu sehen. Nicht nur das Chemieunte­rnehmen wird ungeduldig, was die Verfügbark­eit von Grüner Energie angeht.
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