Sächsische Zeitung (Dresdner Meißner Land)
Industrie macht Druck beim Thema Erneuerbare Energien
Den Unternehmen geht es zu langsam mit der Umstellung auf Wind- und Solarkraft. Neben Tempo fordern Wacker und Feralpi aber vor allem eins: Verlässlichkeit.
Rund 1.500 Mitarbeiter, die etwa 200 verschiedene Silikonprodukte herstellen: Wacker Nünchritz ist eins der wirtschaftlichen Zugpferde in der Region. Ein starker Standort, findet Jutta Matreux. „Ich sage das immer“, betont sie. Nur falle es ihr zunehmend schwer, dafür überzeugende Argumente zu finden, wenn es um das Thema Energiewende geht.
Sachsen und der Landkreis Meißen haben schon viel Zeit verloren – in dem Punkt herrscht am Montagabend im Riesenhügel viel Einigkeit. Die Freien Wähler haben zu einem „Energieforum“geladen. Nachdem der Kreistag schon ein Positionspapier zum Thema verfasst hat, will man sich ein Bild machen, wie es um die erneuerbaren Energien steht und welche politischen Forderungen sich daraus ableiten ließen. Es könnte eine kleine Reihe daraus werden, sagt der Kreisvorsitzende Andreas Franzke.
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Uwe Reinecke, der den Riesaer FeralpiStandort leitet, schlägt ähnliche Töne an wie Jutta Matreux. Seine Branche verliere in Deutschland an Boden. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müsse möglichst CO2-neutral produziert werden. Reinecke rechnet damit, dass Feralpi schon in den nächsten zwei Jahren entsprechende Nachweise erbringen muss, um bei wichtigen Aufträgen in der Bauindustrie noch eine Chance zu haben. „Der Zug ist schon mächtig am Rollen, und grüner Strom ist unser größter Hebel.“Am liebsten würde Feralpi den selbst produzieren. „Es wäre uns wichtig, auch hier die Akzeptanz dafür zu gewinnen.“
Beide Werkleiter wünschen sich aber vor allem eine bessere Planbarkeit und Verlässlichkeit. Beispiel Kohle-Kompromiss: Den jetzt wieder infrage zu stellen, hielte
sie für einen Fehler, so die Wacker-Chefin. In der Übergangsphase müsse man eben Zertifikate kaufen, um sich die Produktion „grün zu rechnen“. Ähnlich denkt Uwe Reinecke: „In diesem unstrukturierten Tempo kann’s nicht weitergehen.“Er sagt aber auch: Wenn es noch zehn Jahre länger dauere mit dem Umstieg auf die neuen Energien, dafür aber mehr Akzeptanz in der Gesellschaft da sei, könnte er sich wohl damit anfreunden.
Wie schwer es ist, diese Akzeptanz herzustellen, das schildert Strehlas Bürgermeister. Jörg Jeromin (Freie Wähler) ist als Zuhörer gekommen, steigt aber früh in die Debatte ein. „Wir brauchen Unterstützung bei der Kommunikation“, macht er deutlich. Die Leute müssten zeitig und ehrlich informiert werden, was denn da kommen könnte. „Denn die Windräder kommen, ob wir wollen oder nicht.“Als Gemeinden müsse man sich nun klar werden, was man wolle und wie, damit am Ende ein sinnvolles Ergebnis stehe. „Wir eiern alle rum, weil wir nicht wissen, wo will der Zug hin.“
Jeromin würde sich auch eine personelle Aufstockung der Energieagentur Saena wünschen, die unter anderem Kommunen zu dem Thema berät. Deren Geschäftsführer Tilmann Zimmermann-Werner hofft auf sachlichere Diskussionen und Debatten. Eigentlich seien die Sachsen doch technikaffin und innovativ. Der Prozess hin zu den Erneuerbaren werde nicht einfach sein. „Aber wir brauchen den Willen, an den Lösungen zu arbeiten.“
Was bis dahin noch passieren muss, machte der Stadtwerke-Geschäftsführer René Röthig deutlich. Die unsichere Einspeisung etwa sieht er als Thema: Die Frequenz im Stromnetz muss immer ziemlich genau gleich bleiben – die Stromspitzen stellen entsprechend ein mögliches Problem dar. Eine Lösung könnten Elektrolyseure für Wasserstoff sein, so Jutta Matreux. Noch sind die zu teuer – sie würden in größerer Menge womöglich aber auch den Gashunger der Industrie stillen.
Auch auf dem Strommarkt müsste sich vermutlich etwas tun. So wie er jetzt funktioniert, könnte ein Überangebot an günstigem grünen Strom dazu führen, dass der Reststrom exorbitant teuer wird, erklärt René Röthig. Während der Stadtwerke-Geschäftsführer eher davor warnt, ein funktionierendes System zu ändern, deutet die Wacker-Chefin genau das an.
Wichtig wäre den Unternehmen aber vor allem, dass sich in Sachsen mehr bewegt. „Aber wenn immer nur geredet wird und es passiert nichts“, sagt Uwe Reinecke, „dann ist es uns irgendwann egal, wo der Windpark steht.“Dann werde der Strom fürs Stahlwerk eben im Saarland oder an der Küste erzeugt.
Auch, wenn die Wertschöpfung vor Ort aus seiner Sicht ihre Vorteile hätte, bis hin zur möglichen finanziellen Beteiligung von Kommunen. Nur eins sei klar: „Der Markt wird es regeln.“Und schlimmstenfalls mancher Standort schrumpfen oder ganz verschwinden.
Wenn immer nur geredet wird und es passiert nichts, dann ist uns irgendwann egal, wo der Windpark steht.
Uwe Reinecke General Manager bei Feralpi |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||