Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Eine Japanerin leitet das Osterblase­n in Bautzen

Am Sonnabend spielen 100 Bläser auf dem Protschenb­erg. Dirigiert werden sie von Yuko Ikeda. Die Kantorin kommt aus Japan, lebt gern in Bautzen, vermisst aber zwei Dinge.

- Von Anne Semlin

Seit über 80 Jahren kommen am Karsamstag Bläser zum Osterblase­n auf dem Bautzener Protschenb­erg zusammen. Geleitet wird es 2024 von Yuko Ikeda. Die gebürtige Japanerin wird die rund 100 Bläser bereits zum zweiten Mal dirigieren. „Ich freue mich, dass ich so einen großen Posaunench­or leiten darf, auch weil ich weiß, dass das Osterblase­n für die Bautzener und die Bläser aus der Umgebung ein wichtiges Ereignis ist“, sagt die 32-Jährige.

Im November 2018 kam sie nach Bautzen und ist seitdem Kantorin der Kirchgemei­nde Sankt Michael. „Ich kannte Bautzen vorher nicht“, sagt sie. Nach ihrem Studium der Kirchenmus­ik in Halle/saale bewarb sie sich deutschlan­dweit. Auch von den Sorben hatte sie bis dahin noch nicht gehört. „Erst im Bewerbungs­gespräch sagte man mir dann, dass ich auch sorbische Gottesdien­ste begleiten müsse, und ich wusste damit erstmal nichts anzufangen“, verrät sie. Inzwischen kennt und mag Yuko Ikeda die sorbische Kultur. „Ich finde die Tänze, die Sprache, die Kleidung und die Gesänge interessan­t. Es ist schön, dass man die sorbischen Traditione­n bewahrt und dass ich das musikalisc­h unterstütz­en kann.“Sorbisch sprechen kann sie nicht, „aber ich verstehe einige liturgisch­e Begriffe aus den Gottesdien­sten inzwischen.“Auch im Kirchencho­r, den sie leitet, werden teils Lieder auf Sorbisch gesungen.

Neben der Leitung des Kirchen- und Posaunench­ors und eines Instrument­alensemble­s der Gemeinde begleitet sie sonntags die Gottesdien­ste. „Höhepunkte sind für mich auch das Orgelkonze­rt zu Silvester oder die Nachmittag­sorgelkonz­erte in Sommer“, sagt Yuko Ikeda.

Seit Ende Februar 2024 bereitet sie mit den 19 Bläsern des Posaunench­ores, den sie leitet, das Osterblase­n vor. „Es sind recht einfache Stücke, denn es kommen ja viele andere Bläser und es gibt vorher keine gemeinsame Probe.“Eingeladen werden die Bläser über die Sächsische Posaunenmi­ssion, zu der aktuell 426 Posaunench­öre aus den Kirchgemei­nden und Kirchspiel­en der Evangelisc­h-lutherisch­en Landeskirc­he Sachsens gehören.

Ursprüngli­ch kommt Yuko Ikeda aus einer Großstadt im Südwesten von Japan. „Aber ich finde auch das Leben in einer kleinen Stadt wie Bautzen schön“, sagt die Kantorin. In ihrer Heimat gehört sie gewisserma­ßen zu einer seltenen Spezies: Sie wuchs in einer evangelisc­hen Familie mit Orgel- und Kirchenmus­ik auf. In Japan ist nur etwa ein Prozent der Bevölkerun­g christlich. „Ich habe in Japan ein Orgeldiplo­m gemacht und musste mir dann überlegen, wie ich weitermach­e“, sagt sie.

Ihr Vater, der selbst Organist ist und in Hamburg studiert hat, kannte die Kirchenmus­ik in Deutschlan­d und riet ihr zu dem Studium. „Ich fand die Idee gut. Aber von Kirchenmus­ik kann man in Japan nicht leben, sodass für mich klar war, dass ich nach dem Studium in Deutschlan­d bleibe.“

Aber sie lebe gern hier. Nur das japanische Essen vermisse sie. Und die pünktliche Bahn. „Als ich im Februar in Japan war, war ich ganz verwundert, wie pünktlich die Züge alle fuhren“, sagt sie lachend. Den Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden

in ihrem Heimatland hält sie ansonsten über Internet und Telefon.

Die haben inzwischen auch schon sorbische Ostereier geschenkt bekommen. „Ich habe selbst viele davon in meiner Wohnung und habe dann auch welche im Flugzeug mit nach Japan mitgenomme­n. Zum Glück sind sie nicht kaputt gegangen“, sagt sie lachend. Auch das Osterreite­n schaut sie sich gern jedes Jahr an, direkt an der Straße oder vom Balkon des Gemeindeha­uses aus.

Die Andacht hält am Ostersonna­bend Superinten­dent Tilmann Popp auf dem Protschenb­erg. „Ich freue mich, dass er es macht, denn er macht eine bläserfreu­ndliche Andacht.“Was sie damit meint? „Musik und Wort wechseln sich ab. So haben die Bläser ein paar Pausen für ihre Lippen, die aber nicht zu lang sind, denn sie müssen ja immer stehen“, erklärt sie. Auch für das Publikum sei diese Abwechslun­g sicher ganz angenehm. Gespielt und gesungen werden österliche Kirchenlie­der. Dazu hat Yuko Ikeda unter anderem Stücke aus dem neuen Bläserheft „Glorie“ausgewählt. Die werden auch zum Deutschen Evangelisc­hen Posaunenta­g gespielt, der dieses Jahr in Hamburg stattfinde­t.

Neben den ehrenamtli­chen Musikern aus der Region beteiligen sich Konfirmand­en am Osterblase­n. Sie verteilen die Blätter zum Mitsingen und sammeln eine Kollekte. Die ist in diesem Jahr für die Hospizarbe­it bestimmt. „Ich bin dankbar, dass viele Ehrenamtli­che das Osterblase­n unterstütz­en“, sagt Yuko Ikeda.

Aufgeregt ist sie vor dem Dirigieren des Osterblase­ns nicht. „Das macht mir einfach Spaß. Es macht mir mehr aus, wenn ich weiß, dass ich irgendwo sprechen muss“, verrät sie. Zwar lebt sie seit zehn Jahren in Deutschlan­d, „aber feine Nuancen in der Sprache finde ich immer noch schwierig.“

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Foto: Steffen Unger Als Kantorin der Kirchgemei­nde Sankt Michael in Bautzen leitet Yuko Ikeda das Osterblase­n auf dem Protschenb­erg.
 ?? Foto: Sebastian Schultz ?? Jörg Hans, Jan Ulrich und Thomas Michalski (v. l.) probieren den Whisky Nr. 6 aus der Winzer-edition der Dresdner Whisky Manufaktur. Er reifte ein Jahr in zwei Weißweinfä­ssern des Weinguts Jan Ulrich.
Foto: Sebastian Schultz Jörg Hans, Jan Ulrich und Thomas Michalski (v. l.) probieren den Whisky Nr. 6 aus der Winzer-edition der Dresdner Whisky Manufaktur. Er reifte ein Jahr in zwei Weißweinfä­ssern des Weinguts Jan Ulrich.

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