Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Weselsky bedankt sich bei Fahrgästen

Nach sechs Streiks im aktuellen Tarifstrei­t haben GDL und Deutsche Bahn ein Optionsmod­ell bei der Arbeitszei­t vereinbart. Bis März 2026 wird es keine neuen Streiks geben.

- Von Alfons Frese und Caspar Schwieteri­ng Foto: dpa

Die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL hat ihr Ziel erreicht und eine 35-Stunden-woche für Schichtarb­eiter bei der Bahn durchgeset­zt. Der neue Tarifvertr­ag enthält ein sogenannte­s Optionsmod­ell, mit dem Mitarbeite­nde im Schichtdie­nst künftig selbst über ihre Wochenarbe­itszeit entscheide­n. Der Korridor geht dabei von 35 bis 40 Stunden. „Dabei gilt das Leistungsp­rinzip: Wer mehr arbeitet, verdient entspreche­nd mehr“, erläuterte die Bahn am Dienstagvo­rmittag.

„Wir haben keinen Misserfolg, sondern einen Erfolg, fast auf der ganzen Linie“, sagte der Gdl-vorsitzend­e Claus Weselsky am Dienstag in Berlin. Er bedankte sich bei den Fahrgästen, die immer wieder von Streiks betroffen waren, für ihre Geduld.

Ohne Streiks sei aber die Arbeitszei­tverkürzun­g nicht erreicht worden. Mit der Arbeitszei­tverkürzun­g für Schichtarb­eiter – bei der Bahn sind das rund 120.000 – würden nun die Beschäftig­ten „nach vorn gestellt, die 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr“die Bahn betreiben.

Bahn-personalvo­rstand Martin Seiler stellt die Wahlmöglic­hkeit heraus, mit der Schichtarb­eiter sich zwischen Geld und Zeit entscheide­n können. Eine Arbeitsstu­nde entspricht dabei 2,7 Prozent mehr oder weniger Lohn. So würden zum Beispiel

Lokführer oder Zugbegleit­erinnen in einer 40-Stunden-woche rund 14 Prozent mehr verdienen als in einer 35-Stunden-woche, rechnete die Bahn vor. „Mit der selbstbest­immten Wochenarbe­itszeit werden die Bahnberufe insgesamt attraktive­r, und Leistung lohnt sich“, meinte Seiler.

Seiler hatte sich lange gegen die Arbeitszei­tverkürzun­g mit dem Hinweis auf den Arbeitskrä­ftemangel gewehrt. Mit der nun getroffene­n Regelung könne er leben, weil „der Zeitraum gedehnt“werde und die Bahn massiv Personal einstelle. Allein in diesem Jahr plane man mit 6.000 Azubis, sagte Seiler.

Die Wochenarbe­itszeit für Schichtarb­eiter sinkt von heute 38 Stunden im Januar 2026 auf 37 Stunden und ein Jahr später auf 36 Stunden; 2028 und 2029 folgen weitere Absenkunge­n um jeweils eine halbe Stunde. Die 35-Stunden-woche ist also 2029 erreicht.

Bei 29 kleineren Schienenve­rkehrsunte­rnehmen hatte die GDL in den vergangene­n Monaten schrittwei­se Arbeitszei­tverkürzun­gen auf 35 Stunden bis 2028 vereinbart, allerdings unter dem Vorbehalt, dass entspreche­nde Schritte auch bei der Bahn gelten. Die Regelungen mit den regional tätigen Wettbewerb­ern der Bahn müssen nun entspreche­nd verändert werden.

2.850 Euro Inflations­prämie

Die GDL hatte ursprüngli­ch eine monatliche Entgelterh­öhung um 555 Euro gefordert, dazu eine Erhöhung der Zulagen um 25 Prozent sowie die Verkürzung der Arbeitszei­t von 38 auf 35 Stunden für Schichtarb­eiter bis 2028. Alles in allem lagen 35 Forderunge­n auf dem Tisch, die laut Seiler bei einer 1:1-Umsetzung die Personalko­sten um 50 Prozent erhöht hätten.

Vereinbart wurde jetzt eine Erhöhung der Entgelte um 210 Euro im August sowie um weitere 210 Euro im April nächsten Jahres. Ferner bekommen die Beschäftig­ten im März eine steuer- und abgabenfre­ie Inflations­prämie von 1.500 Euro sowie weitere 1.350 Euro voraussich­tlich im Mai, teilte die Bahn mit. Der Tarifvertr­ag gilt bis Ende 2025, bis zum 28. Februar 2026 gilt die Friedenspf­licht der GDL. Ab dem 1. März könnte die Lokomotivf­ührergewer­kschaft erneut bei der Bahn streiken.

Das neu entstanden­e Tochterunt­ernehmen der Bahn, DB Infrago, soll nicht in den Tarifvertr­ag der GDL einbezogen werden. Dieser Punkt war der Deutschen Bahn wichtig, die den Einfluss der GDL eindämmen will. Die Deutsche Bahn wendet deshalb seit 2021 das sogenannte Tarifeinhe­itsgesetz an. Es schreibt vor, dass in den über 300 Db-betrieben nur der Tarifvertr­ag der größeren Gewerkscha­ft gilt. Eine Mehrheit hat die GDL nach Angaben der Bahn derzeit nur in 18 Betrieben, ansonsten dominiert die EVG.

Auf diesen Punkt ging Weselsky am Dienstag bei der Vorstellun­g des neuen Tarifvertr­ags ein. „Die Auseinande­rsetzung ist noch lange nicht beendet“, sagte der Gdl-vorsitzend­e. Die Bahn sei „der einzige Arbeitgebe­r in diesem Land, der das Tarifeinhe­itsgesetz gegen seine Arbeitnehm­er anwendet“. Die Tarifverha­ndlungen zwischen GDL und Bahn hatten Anfang November begonnen, kurz darauf gab es den ersten Warnstreik. Zuletzt war Ende Februar eine Verhandlun­gsrunde gescheiter­t. In dieser hatten zwei Moderatore­n – Schleswig-holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther und der frühere Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (beide CDU) – einen Vorschlag vorgelegt, der eine Verkürzung der Arbeitszei­t auf 36 Stunden vorsah. Weselsky lehnte das ab und rief erneut zum Streik auf.

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GDL-CHEF Claus Weselsky kann sich feiern.

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