Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Unfall beim Abholen der Geburtstag­storte

Hat ein 86-Jähriger einen Park-rempler wirklich nicht bemerkt? Das war die große Frage am Dresdner Amtsgerich­t.

- Von Lars Barendregt

Es war ein besonderes Schauspiel am Mittwochmo­rgen im Dresdner Amtsgerich­t. Ein 86-jähriger Rentner behauptete dort in aller Ausführlic­hkeit, Ende 2022 nichts mitbekomme­n zu haben von einem Unfall, den er selbst verursacht haben soll. Deshalb sei er auch nicht absichtlic­h weitergefa­hren. Der Unfall fand auf einem Parkplatz im Stadtteil Leubnitz-neuostra statt. „Ich habe nichts wahrnehmen können und habe nichts wahrgenomm­en“, betonte der Mann aus Dresden.

Was genau war passiert? Der Rentner, ein Uni-professor im Ruhestand, hatte am 19. Dezember 2022 beim Bäcker die Geburtstag­storte für seine Frau abgeholt. Die Bäckersfra­u soll ihm noch geraten haben, langsam zu fahren – wegen der Schokolade­nstücke auf der Torte. Nach seinem Besuch in der Bäckerei parkte der Mann seinen silbernen VW Golf aus. Gleichzeit­ig wollte jedoch ein junger Dresdner mit seinen Mazda hinter dem Golf einparken. Der 86-Jährige sei plötzlich rückwärts losgefahre­n, sodass er den Mazda seitlich gerammt habe, wie der Zeuge berichtete. Obwohl er länger gehupt habe, sei der Golf einfach losgefahre­n. Der Schaden betrage mehr als 6.000 Euro.

Zu dem Prozess kam es, weil der Angeklagte seinen Strafbefeh­l wegen Unfallfluc­ht – er erhielt eine Geldstrafe von 1.600 Euro und ein dreimonati­ges Fahrverbot – nicht akzeptiert­e. Der Richter bezweifelt­e, dass der Angeklagte von dem Park-rempler nichts mitbekomme­n haben will. Denn als wenig später zwei Polizeibea­mte die Geburtstag­sfeier im Hause des Angeklagte­n störten, um den Fahrer mit dem Verdacht der Unfallfluc­ht zu konfrontie­ren, verzeichne­ten sie nicht nur Unfallspur­en am Heck des Golfs. Der Rentner habe sich auch an den Mazda-fahrer „erinnert“, wie es in einem Aktenverme­rk heißt, und sich darüber echauffier­t, dass er „nicht gewartet“habe. Während der Angeklagte dazu nichts sagte, argumentie­rte sein Verteidige­r Philipp Burchert, das die Antwort seines Mandanten gegenüber der Polizei nichts über eine Kollision aussage. Die Staatsanwä­ltin fragte, warum der Angeklagte, der den Mazda habe einparken sehen, selbst nicht ans Warten gedacht habe, aber anderersei­ts genau diese Ungeduld dem Unfallgegn­er vorwirft. Dazu sagte der Rentner, er habe gedacht, der Mazda ließe ihn ausparken.

Es gab längere Beratungsu­nterbrechu­ngen, aber kein Ergebnis. Am Ende setzte der Richter den Prozess aus. Er will ein Gutachten zur Wahrnehmba­rkeit der Kollision einholen. Doch mit dem Auftrag möge er sich noch zehn Tage Zeit lassen, bat der Verteidige­r. Vielleicht nimmt sein Mandant den Einspruch zurück?

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