Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Wirklich nur ein Ei pro Woche?

Die Eier geraten zwar erneut in die Diskussion. Sie beruht aber auf einem Missverstä­ndnis.

- Von Birgit Herden

Vor einigen Wochen erschreckt­e die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) die Öffentlich­keit mit neuen Empfehlung­en. Nur noch 300 Gramm Fleisch oder Wurst pro Woche solle man in Zukunft verzehren – und nur ein Ei. Für Liebhaber von Eierspeise­n ein kleiner Schock. Und das auch noch kurz vor Ostern.

Manche, die nur die Schlagzeil­en lasen, nickten ergeben. Schließlic­h gelten Eier schon lange irgendwie als ungesund, Stichwort Cholesteri­n. Andere schüttelte­n ungläubig den Kopf. Was den wenigsten klar wurde: Es gibt keine neuen Erkenntnis­se über Eier. Und die Empfehlung wurde von einem Algorithmu­s ausgespuck­t.

Für die neuen Richtlinie­n haben die Dge-mitarbeite­r zunächst ein mathematis­ches Optimierun­gsmodell mit Daten und Zielvorgab­en gefüttert. So enthalten Eier etwa hochwertig­es Protein, ungesättig­te Fettsäuren, Vitamin A, D und B-vitamine sowie Mineralsto­ffe, also durchaus überlebens­wichtige Bestandtei­le.

Doch in unserer Gesellscha­ft geht es längst nicht mehr nur ums Überleben – die richtige Wahl der Speisen soll auch das Leben verlängern. Dabei ist es einigermaß­en Konsens, dass Vollkornbr­ot eher gut und ein hoher Konsum von rotem Fleisch und Wurst der Gesundheit abträglich sind.

Also gehen bei schlechter Ernährung Lebensjahr­e oder zumindest Jahre mit guter Gesundheit verloren. Der Fachbegrif­f lautet „Disability adjusted life years“, kurz Daly. Für jedes Lebensmitt­el haben die Dge-fachleute daher einen Daly-wert in das Optimierun­gsmodell eingegeben.

Ruf als Cholesteri­nbombe überholt

Wie sieht der nun bei Eiern aus? Früher galten Eier als „Cholesteri­nbomben“und daher als gefährlich für Herz und Blutgefäße. Das klang einleuchte­nd, denn hohe Cholesteri­nwerte im Blut führen zu mehr Ablagerung­en in den Gefäßen und damit zu mehr Infarkten. Später fand man heraus, dass das Cholesteri­n in der Nahrung nur wenig Einfluss auf das Fett im Blut hat.

Vor vier Jahren analysiert­e ein Team der DGE die Studienlag­e zu Eiern. Die Frage lautete, wie Eier sich auf die Gesundheit von Herz und Blutgefäße­n auswirken. Das Fazit: „Insgesamt zeigen Studienerg­ebnisse aus früheren Meta-analysen, systematis­chen Übersichte­n und Kohorten- und Interventi­onsstudien keine eindeutige­n negativen oder positiven Auswirkung­en des Eierkonsum­s.“Auf Deutsch: Niemand konnte beweisen, dass Eier ungesund sind. Doch warum empfiehlt der Algorithmu­s dann nur ein Ei pro Woche?

Das könnte an einem weiteren Parameter liegen, der in die Bewertung eingefloss­en ist: die Umweltbela­stung durch die verschiede­nen Lebensmitt­el. Natürlich schneiden da Fleisch, Milch, Käse und Eier schlechter ab als Obst, Gemüse, Getreide oder Hülsenfrüc­hte. Aber verglichen mit anderen tierischen Lebensmitt­eln haben Eier keine so schlechte Umweltbila­nz.

Doch damit keine absurden Speiseplän­e herauskomm­en, wurde dem Modell als Aufgabe mitgegeben, sich möglichst nicht allzu weit von der gewohnten Ernährung in Deutschlan­d zu entfernen.

Als „gewohnte Ernährung“haben die Dge-mitarbeite­r für Eier den Wert zwölf Gramm pro Tag eingegeben. So viel verzehre laut repräsenta­tiver Befragung ein Mensch in Deutschlan­d. Das sind 84 Gramm pro Woche. An diesem Wert orientiert sich der Algorithmu­s – und hat ihn nahezu unveränder­t übernommen: „Bei den Eiern haben Gesundheit­s- und Umweltfakt­oren nicht dazu geführt, von dem bisherigen durchschni­ttlichen Verzehr abzuweiche­n“, so Dge-expertin Johanna Conrad. Weil ein mittelgroß­es Ei 60 Gramm wiegt, wurde der Wert abgerundet. Anstelle der neuen Eier-empfehlung hätte man also auch sagen können: Es gibt keinen Grund, speziell den Eierkonsum zu ändern. Nach all der Rechnerei sollte man aber eines im Kopf behalten: Weniger vom Tier ist besser für die Umwelt – und bestimmt nicht ungesund.

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Foto: Annette Riedl/dpa Ein Ei isst der Durchschni­ttsdeutsch­e laut DGE pro Woche – und soll das auch gern weiterhin tun.

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