Ein Polizist zum Anfassen
Sachsen soll mehr Bürgerpolizisten bekommen. Aber was macht einen Mann wie Jan Schäfer so wichtig?
Kaum jemand steigt normalerweise gerne in einen Polizeiwagen ein. Die Kinder der Kita „Spatzennest“aus Biehla machen das an diesem Morgen mit großer Freude. Auf dem Innenhof des Polizeireviers in Kamenz zeigen die Bürgerpolizisten Jan Schäfer und Ilka Zschornak den Kindern, wie das große Auto funktioniert. Absolutes Highlight: das Blaulicht. „Die Kinder kennen kein Ende. Sie sind so begeistert. Das ist doch schön“, sagt der 51jährige Schäfer.
Straftäter fangen. Das ist es, was viele Menschen mit Polizeiarbeit verbinden. Als Bürgerpolizist soll Schäfer vor allem ein Bindeglied sein zwischen Polizei und Gesellschaft. Schäfer: „Man muss gut vernetzt sein in den Kommunen, weil dort die Probleme entstehen“.
Sein Job gehört seit Jahren zur Polizei Sachsen genau wie Verkehrspolizisten oder wie Beamte der Diensthundestaffel. Auch Verkehrssicherheitsarbeit und Prävention sind ein wichtiger Teil seiner Tagesarbeit. Wenn in einer Schule eingebrochen wird, ermitteln seine Kollegen des Kriminaldienstes. Schäfer zeigt den Schulen, wie sie sich gegen Einbrecher schützen können.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) findet die Arbeit der Bürgerpolizisten sogar so wichtig, dass er im ländlichen Raum mehr von ihnen einsetzen will. Derzeit komme auf 8.000 Einwohner ein Bürgerpolizist. Er wünscht sich künftig einen pro 4.000 Bürger.
Das Polizeirevier in Kamenz zählt jetzt zwölf Bürgerpolizisten für mehr als 100.000 Einwohner. Das Revier umfasst sechs Städte wie Kamenz und Radeberg sowie 22 Gemeinden. Für die Menschen mit einem sorbischen Hintergrund gibt es einen Bürgerpolizisten, der ihre Sprache spricht. Alle Bürgerpolizisten in Kamenz kümmern sich um die Radfahrausbildung der Schüler. „Das erfordert einen riesengroßen Zeiteinsatz“, sagt Schäfer. Der Revierbereich hat über 30 Schulen. Für den praktischen Teil der Ausbildung gibt es einen speziellen Übungsplatz mit Ampeln und Verkehrsschildern, wo überprüft wird, ob die Kinder gut genug Fahrrad fahren können. „Wir funktionieren so quasi auch als Verkehrslehrer“, sagt Schäfer.
Er arbeitet bereits seit 1992 für die Polizei. Zuvor war er unter anderem tätig für die Verkehrspolizei in Dresden und im Innenministerium im Bereich Prävention. „Mein Vater war zu DDR-Zeiten bei der
Volkspolizei“, sagt Schäfer. „Deswegen war es für mich schon immer ein Traumberuf, Polizist zu sein.“
Nach einem zusätzlichen Lehrgang von einigen Wochen ist er seit Oktober 2022 bei der Bürgerpolizei in Kamenz. „Ich kann hier auf der Straße arbeiten und mit Leuten reden. Das ist genau, was ich gerne mache. Ich bin nicht jemand, der den ganzen Tag im Büro sitzen will.“
Gefangen am Schreibtisch
Trotzdem gehört auch die Arbeit am Schreibtisch dazu. Wie viele Stunden pro Woche ein Bürgerpolizist damit beschäftigt ist, ist schwer zu sagen. „Aber wir haben einen Standort in Ottendorf-Okrilla und da gibt es zwei Kollegen, denen die Menschen die Tür einrennen. Die Kollegen kommen kaum vom Tisch weg, weil sie nur Anzeigen aufnehmen müssen.“Deshalb wären auch sicherlich im ländlichen Bereich neue Kollegen sehr willkommen. Während einer Runde durch die Innenstadt zeigt Schäfer, wie seine Arbeit auf der Straße aussieht. An der Ecke Poststraße/Weststraße kontrolliert er regelmäßig, ob Verkehrsteilnehmer die Regeln befolgen. Beim sogenannten „Asia-Laden“in der Klosterstraße redet er kurz mit der Eigentümerin. „Keine Probleme hier?“Ein wenig weiter unten auf der Straße ist ein Parteibüro der AfD mit Graffiti beschmiert worden. „Fck nzs“steht auf dem Gebäude. „Das ist schon aufgenommen worden“, sagt Schäfer. „Zurückliegend gab es ähnliche Sachen, auch bei anderen Parteibüros in Kamenz.“
Priorität hat der Wochenmarkt am Donnerstag. „Weil dann halt viele Leute da sind. Parkprobleme spielen zum Beispiel eine Rolle.“Einmal pro Monat ist er zusammen mit einem Mitarbeiter der Stadt und der Sächsischen Sicherheitswacht auf dem Marktplatz – auch, um einfach sichtbar zu sein und angesprochen werden zu können. Schäfer ist eigentlich immer zu Fuß unterwegs. „Wir werden nicht umsonst ‚Polizisten zum Anfassen‘ genannt.“
Obwohl Schäfer als Bürgerpolizist vor allem mit kleineren Straftaten beschäftigt ist, steht ihm die gleiche Ausstattung zur Verfügung wie seinen Kolleginnen und Kollegen im Streifendienst. Er hat auch die gleichen Befugnisse. Nur der Schwerpunkt seiner Arbeit ist anders. „Und ich trage ein Schild mit ‚Bürgerpolizist‘ darauf.“
Zu DDR-Zeiten kannte jeder seinen ABV und dieser kannte seine Bürger gut – und dies sogar zu gut. Ob seine Stelle zu vergleichen ist mit dem ehemaligen Abschnittsbevollmächtigten? „Die Arbeit ist sehr ähnlich, aber heutzutage ist es meiner Meinung nach komplexer geworden“, antwortet Schäfer. „Die Verkehrslage war damals noch nicht so kompliziert. Die Kriminalitätslage war halt da, aber nicht mit solchen Facetten wie jetzt, mit Drogen und Gewaltneigung.“
Zurück zum Polizeirevier, wo die Kinder der Kita „Spatzennest“auch die Gewahrsamszellen sehen können und Postkarten des Maskottchens der sächsischen Polizei „Poldi“bekommen. Laut Erzieherin Gaby Wehner (36) ist die Kooperation „sehr wichtig“für die Kinder. „Es ist Aufklärungsarbeit für sie und es bietet ihnen auch die Möglichkeit, sich an die Polizei zu wenden, wenn wirklich etwas sein sollte.“
Schäfer schaut mit einem breiten Lächeln auf die Kinder. Bis er im Rentenalter ist, würde er am liebsten Bürgerpolizist bleiben. Schäfer: „Das Abwechslungsreiche, wofür der Streifendienst eigentlich keine Zeit hat, das ist das Schönste.“