Jobangebot für Scholz
Der Bundeskanzler macht Sachsens Handwerk seine Aufwartung: 90 Minuten und exklusiv beim Holzbau Lepski.
Vom Bundeskanzleramt zum Haus des Deutschen Handwerks in Berlin sind es Luftlinie 1.340 Meter – gut 20 Minuten Fußmarsch für Deutschlands Oberhandwerker Jörg Dittrich zu Kanzler Olaf Scholz (SPD). Oder umgekehrt. Dennoch bat das Sprachrohr von einer Million Unternehmen den Regierungschef am Freitagnachmittag nach Dresden, wo der Dachdeckermeister einen Familienbetrieb führt und Präsident der Handwerkskammer ist.
Scholz, zuletzt Ende Februar in Dresden und unter anderem in den Elbe Flugzeugwerken zu Gast, sagte Ja. „Holzbau Lepski GmbH hat sich ökologisches, klimaneutrales und schnelleres Bauen mit Holz zum Ziel gesetzt“– so steht’s in seinem Terminkalender. 90 Minuten für Begrüßung, Betriebsrundgang, ein kurzes Gespräch mit Mitarbeitenden und eine nichtöffentliche Runde mit Meistern weiterer Betriebe „zu aktuellen Themen des Handwerks“, teilte die Dresdner Kammer im Vorfeld mit.
14.25 Uhr landet der Regierungsflieger, eine 13-sitzige Global 5000 von Bombardier, in Klotzsche. Von dort geht’s mit Blaulicht und im Regen durch den Feierabendverkehr in den Dresdner Osten.
Jörg Dittrich, seit Januar 2023 Präsident des Zentralverbands ZDH, hatte im vergangenen Sommer bereits Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in seine Heimat gelotst – damals gar in den eigenen Familienbetrieb in Ottendorf-Okrilla, was nicht nur Befürworter fand. Nun ist eine andere Vorzeigeadresse dran: ein Handwerksbetrieb, der mit 30 Beschäftigten eine breite Produktpalette anbietet – von Großprojekten bis zu Individualmöbeln – und auch Wände für Häuser und Aufbauten auf Mehrgeschosser anfertigt.
„Ausgesucht habe ich mir das nicht“, sagt Firmenchef Ralf Lepski fast entschuldigend zur SZ. Er sei von der Kammer gefragt worden, und habe natürlich Ja gesagt, so der Zimmerermeister. Denn es sei ja eine Ehre. Obwohl seine Leute eigentlich freitags nach eins im Wochenende seien, wollten sie „die Botschaft rüberbringen, dass Holzbau in der Lage ist, guten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt er. Penthäuser und Luxuswohnungen gebe es genug, „aber Deutschland braucht mehr Wohnraum für normale Menschen“, so Lepski.
Holz ist als leichter Werkstoff besonders gut geeignet für Erweiterungen auf bestehenden Gebäuden – als neuer Wohnraum in Ballungsgebieten oder zusätzlicher Arbeitsraum auf Bürogebäuden. Bauteile für solche Erweiterungen werden zunehmend vorgefertigt, was die Bauzeit vor
Ort verkürzt und mehr Planungssicherheit für die Bauherren bedeutet.
2006 als Zimmerei im Süden der Landeshauptstadt gegründet, kombiniert der heutige Holzbau Lepski altbewährtes Handwerk mit modernster Technik und hat sich – getreu dem Namen – ganz dem nachhaltigen Holzbau sowie dem klimaneutralen Wirtschaften verschrieben. Der Betrieb fertigt beispielsweise bis zum Jahresende Wandelemente mit Fenstern für rund 20 Wohneinheiten in einem sanierten Altbau, zu DDR-Zeiten Pirnas Finanzamt. Derart ökologisch werde etwa in Berlin schon viel gebaut, und es sei „schade, dass es in Sachsen nicht so ist“, moniert Lepski. Sohn Felix, auch Meister, plant mit eigener Firma an gleicher Adresse bereits für den Familienbetrieb. Der 25-Jährige soll ihn dann 2027 komplett übernehmen.
Viele Jahre hatten Bau und Ausbau keine Sorgen, lief das Geschäft prächtig. Jetzt ächzt die einst zuverlässige Konjunkturlok in Strukturwandel und Krise. Hohe Baustoffpreise und steigende Zinsen lassen die Nachfrage vor allem im Wohnungsbau einbrechen, klagen die Lobbyisten. Wirtschaftsverbände, darunter Dittrichs ZDH, hatten Scholz im Januar per Brandbrief zum Handeln aufgefordert: etwa für konkurrenzfähige Strompreise, schnellere Planungsund Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie, Steuerreform, Investitionen in Infrastruktur, Fachkräftesicherung.
Insgesamt gehe es entspannt zu, entgegnet Holzbauer Lepski einem Großteil seines Umfelds, das „nur am Meckern“sei. Es brauche mehr positive Signale an die Bürger – auch vom Kanzler. Er wolle nicht wehklagen „und schon gar nicht Scholz‘
Job machen“. Lepski kritisiert die Verängstigung und Verunsicherung. „Doch wer Angst hat, zieht sich zurück, geht in die Defensive und hofft, dass ja nichts passiert.“Das sei keine gute Basis für die Entwicklung in einem Land, „in dem auf sehr hohem Niveau gejammert wird“, sagt er. Er sei als Obermeister des Innungsverbands zwar Wortführer von Sachsens Zimmerern und Holzbauern, wolle als Gastgeber aber nichts vom Kanzler einfordern, sagt der 55-Jährige, dessen Firma 3,4 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet. Der Kanzler revanchiert sich mit warmen Worten und ehrlicher Begeisterung.
„Holz macht Sinn“, steht auf einem großen Poster in der Halle. Und welchen Sinn hat so ein Kanzlerbesuch? „Er bekommt nichts anderes zu hören, als ich ihm in Berlin erzähle“, sagt Dittrich. Aber hier erfahre er unmittelbar von den Nöten der Leute. „Wir sind ein Zweig mit 5,7 Millionen Beschäftigten, durchdringen die gesamte Gesellschaft – Bäcker, Gesundheitshandwerk, Bau, Kfz-Werkstatt“, so der ZDH-Präsident. Wenn man die Stimmung im Handwerk verbessere, würde man sie im ganzen Land heben. „Wir brauchen nicht nur einen Trainingsanzug, wir müssen auch trainieren.“Bürokratieabbau sei so eine Disziplin.
Scholz, der sich vor der versammelten Presse nicht äußert, verspricht überarbeitete Bauvorschriften, zeigt sich interessiert an aktuellen Bauplänen, hinterfragt die Wärmedämmung der hölzernen Wandmodule, die es mit 40 Zentimetern Mauer aufnehmen. Dann darf er selbst Hand anlegen und eine Schraube in den Rahmen treiben. Es gelingt. „Für’s erste Mal ganz gut“, kommentiert der Senior-Chef. „Herr Bundeskanzler, wenn Sie mal nichts mehr zu tun haben, können Sie zu uns kommen“, ergänzt er und hat die Lacher auf seiner Seite.
Fazit: Die Stippvisite bei Lepski in Dresden war für Scholz sicher entspannter als dessen Besuch bei Chinas Staatschef Xi Jinping am Dienstag. Beim Holzbauer flogen zwar auch Späne. Aber gut möglich, dass es beim abendlichen Leserdialog der Freien Presse in Chemnitz mehr zur Sache ging.