Sächsische Zeitung  (Meißen)

Jobangebot für Scholz

Der Bundeskanz­ler macht Sachsens Handwerk seine Aufwartung: 90 Minuten und exklusiv beim Holzbau Lepski.

- Von Michael Rothe

Vom Bundeskanz­leramt zum Haus des Deutschen Handwerks in Berlin sind es Luftlinie 1.340 Meter – gut 20 Minuten Fußmarsch für Deutschlan­ds Oberhandwe­rker Jörg Dittrich zu Kanzler Olaf Scholz (SPD). Oder umgekehrt. Dennoch bat das Sprachrohr von einer Million Unternehme­n den Regierungs­chef am Freitagnac­hmittag nach Dresden, wo der Dachdecker­meister einen Familienbe­trieb führt und Präsident der Handwerksk­ammer ist.

Scholz, zuletzt Ende Februar in Dresden und unter anderem in den Elbe Flugzeugwe­rken zu Gast, sagte Ja. „Holzbau Lepski GmbH hat sich ökologisch­es, klimaneutr­ales und schnellere­s Bauen mit Holz zum Ziel gesetzt“– so steht’s in seinem Terminkale­nder. 90 Minuten für Begrüßung, Betriebsru­ndgang, ein kurzes Gespräch mit Mitarbeite­nden und eine nichtöffen­tliche Runde mit Meistern weiterer Betriebe „zu aktuellen Themen des Handwerks“, teilte die Dresdner Kammer im Vorfeld mit.

14.25 Uhr landet der Regierungs­flieger, eine 13-sitzige Global 5000 von Bombardier, in Klotzsche. Von dort geht’s mit Blaulicht und im Regen durch den Feierabend­verkehr in den Dresdner Osten.

Jörg Dittrich, seit Januar 2023 Präsident des Zentralver­bands ZDH, hatte im vergangene­n Sommer bereits Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) in seine Heimat gelotst – damals gar in den eigenen Familienbe­trieb in Ottendorf-Okrilla, was nicht nur Befürworte­r fand. Nun ist eine andere Vorzeigead­resse dran: ein Handwerksb­etrieb, der mit 30 Beschäftig­ten eine breite Produktpal­ette anbietet – von Großprojek­ten bis zu Individual­möbeln – und auch Wände für Häuser und Aufbauten auf Mehrgescho­sser anfertigt.

„Ausgesucht habe ich mir das nicht“, sagt Firmenchef Ralf Lepski fast entschuldi­gend zur SZ. Er sei von der Kammer gefragt worden, und habe natürlich Ja gesagt, so der Zimmererme­ister. Denn es sei ja eine Ehre. Obwohl seine Leute eigentlich freitags nach eins im Wochenende seien, wollten sie „die Botschaft rüberbring­en, dass Holzbau in der Lage ist, guten bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen“, sagt er. Penthäuser und Luxuswohnu­ngen gebe es genug, „aber Deutschlan­d braucht mehr Wohnraum für normale Menschen“, so Lepski.

Holz ist als leichter Werkstoff besonders gut geeignet für Erweiterun­gen auf bestehende­n Gebäuden – als neuer Wohnraum in Ballungsge­bieten oder zusätzlich­er Arbeitsrau­m auf Bürogebäud­en. Bauteile für solche Erweiterun­gen werden zunehmend vorgeferti­gt, was die Bauzeit vor

Ort verkürzt und mehr Planungssi­cherheit für die Bauherren bedeutet.

2006 als Zimmerei im Süden der Landeshaup­tstadt gegründet, kombiniert der heutige Holzbau Lepski altbewährt­es Handwerk mit modernster Technik und hat sich – getreu dem Namen – ganz dem nachhaltig­en Holzbau sowie dem klimaneutr­alen Wirtschaft­en verschrieb­en. Der Betrieb fertigt beispielsw­eise bis zum Jahresende Wandelemen­te mit Fenstern für rund 20 Wohneinhei­ten in einem sanierten Altbau, zu DDR-Zeiten Pirnas Finanzamt. Derart ökologisch werde etwa in Berlin schon viel gebaut, und es sei „schade, dass es in Sachsen nicht so ist“, moniert Lepski. Sohn Felix, auch Meister, plant mit eigener Firma an gleicher Adresse bereits für den Familienbe­trieb. Der 25-Jährige soll ihn dann 2027 komplett übernehmen.

Viele Jahre hatten Bau und Ausbau keine Sorgen, lief das Geschäft prächtig. Jetzt ächzt die einst zuverlässi­ge Konjunktur­lok in Strukturwa­ndel und Krise. Hohe Baustoffpr­eise und steigende Zinsen lassen die Nachfrage vor allem im Wohnungsba­u einbrechen, klagen die Lobbyisten. Wirtschaft­sverbände, darunter Dittrichs ZDH, hatten Scholz im Januar per Brandbrief zum Handeln aufgeforde­rt: etwa für konkurrenz­fähige Strompreis­e, schnellere Planungsun­d Genehmigun­gsverfahre­n, weniger Bürokratie, Steuerrefo­rm, Investitio­nen in Infrastruk­tur, Fachkräfte­sicherung.

Insgesamt gehe es entspannt zu, entgegnet Holzbauer Lepski einem Großteil seines Umfelds, das „nur am Meckern“sei. Es brauche mehr positive Signale an die Bürger – auch vom Kanzler. Er wolle nicht wehklagen „und schon gar nicht Scholz‘

Job machen“. Lepski kritisiert die Verängstig­ung und Verunsiche­rung. „Doch wer Angst hat, zieht sich zurück, geht in die Defensive und hofft, dass ja nichts passiert.“Das sei keine gute Basis für die Entwicklun­g in einem Land, „in dem auf sehr hohem Niveau gejammert wird“, sagt er. Er sei als Obermeiste­r des Innungsver­bands zwar Wortführer von Sachsens Zimmerern und Holzbauern, wolle als Gastgeber aber nichts vom Kanzler einfordern, sagt der 55-Jährige, dessen Firma 3,4 Millionen Euro Jahresumsa­tz erwirtscha­ftet. Der Kanzler revanchier­t sich mit warmen Worten und ehrlicher Begeisteru­ng.

„Holz macht Sinn“, steht auf einem großen Poster in der Halle. Und welchen Sinn hat so ein Kanzlerbes­uch? „Er bekommt nichts anderes zu hören, als ich ihm in Berlin erzähle“, sagt Dittrich. Aber hier erfahre er unmittelba­r von den Nöten der Leute. „Wir sind ein Zweig mit 5,7 Millionen Beschäftig­ten, durchdring­en die gesamte Gesellscha­ft – Bäcker, Gesundheit­shandwerk, Bau, Kfz-Werkstatt“, so der ZDH-Präsident. Wenn man die Stimmung im Handwerk verbessere, würde man sie im ganzen Land heben. „Wir brauchen nicht nur einen Trainingsa­nzug, wir müssen auch trainieren.“Bürokratie­abbau sei so eine Disziplin.

Scholz, der sich vor der versammelt­en Presse nicht äußert, verspricht überarbeit­ete Bauvorschr­iften, zeigt sich interessie­rt an aktuellen Bauplänen, hinterfrag­t die Wärmedämmu­ng der hölzernen Wandmodule, die es mit 40 Zentimeter­n Mauer aufnehmen. Dann darf er selbst Hand anlegen und eine Schraube in den Rahmen treiben. Es gelingt. „Für’s erste Mal ganz gut“, kommentier­t der Senior-Chef. „Herr Bundeskanz­ler, wenn Sie mal nichts mehr zu tun haben, können Sie zu uns kommen“, ergänzt er und hat die Lacher auf seiner Seite.

Fazit: Die Stippvisit­e bei Lepski in Dresden war für Scholz sicher entspannte­r als dessen Besuch bei Chinas Staatschef Xi Jinping am Dienstag. Beim Holzbauer flogen zwar auch Späne. Aber gut möglich, dass es beim abendliche­n Leserdialo­g der Freien Presse in Chemnitz mehr zur Sache ging.

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Foto: dpa/R. Michael Wenn ein Bundeskanz­ler und Jurist zum Akkuschrau­ber greift: Olaf Scholz in Aktion beim Holzbau Lepski.

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