Deutscher Fußball so gut wie seit 29 Jahren nicht
Es sieht gut aus für die deutschen Klubs. Geht es so weiter, könnten in der kommenden Saison fünf Bundesligisten in der Königsklasse spielen – im besten Fall sogar sechs.
Mats Hummels hatte nach der „Alptraum-Woche“für die Premier League allerbeste Laune. „Liebe Bauern, das war eine ziemlich gute Ernte“, schrieb der Abwehrspieler von Borussia Dortmund am Freitag bei X, garniert mit einer Deutschland-Fahne. Die Botschaft war klar: Die in England gerne als „Farmers League“verspottete Bundesliga hat in Europa kräftig abgesahnt – ganz im Gegensatz zum Hochglanz-Produkt von der Insel.
Einzig Aston Villa hält in den Europapokal-Halbfinals noch die englische Fahne hoch – und das auch nur in der drittklassigen Conference League und dank Glück im Elfmeterschießen. Liverpool, Arsenal, Manchester City, Newcastle und Co.? Alle raus. „Die größte Show der Welt tritt in Europa nicht mehr auf“, schrieb die Tageszeitung Independent über das kollektive Versagen.
Mit acht Klubs war England gestartet, einer ist geblieben – damit steht die Premier League auf einer Stufe mit Belgien und Griechenland. Deutschland (zum ersten Mal seit der Saison 1994/95) und Italien haben dagegen noch drei Vereine im Rennen, Frankreich immerhin zwei. „Das war eine Alptraum-Woche für die Premier League“, schrieb der Mirror. Für England mag diese Saison ein Ausreißer nach unten sein
– aber einer mit Folgen. Denn der fünfte Champions-League-Teilnehmer für die kommende Saison bleibt der reichsten Liga der Welt wohl verwehrt. Die Teilnehmerzahl der Champions League wird zur kommenden Spielzeit von 32 auf 36 Vereine erhöht. Zwei der vier neuen Plätze werden an die Nationen mit dem besten Abschneiden in internationalen Wettbewerben dieser Saison vergeben.
Durch den Halbfinal-Einzug von Bayer Leverkusen in der Europa League hat Deutschland einen großen Schritt auf dem Weg zum fünften Startplatz in der Champions League gemacht. Durch das 1:1 des deutschen Fußball-Meisters gegen West Ham United festigte die Bundesliga im Uefa-Ranking der laufenden Saison den zweiten Platz und konnte den Vorsprung zu England sogar noch etwas vergrößern. Hinter
Italien (19,429) weist Deutschland nun 17,929 Punkte auf. England kommt auf 17,375 Punkte. Somit fehlen München und Dortmund in der Champions League sowie Leverkusen in der Europa League nur noch insgesamt zwei Siege oder vier Unentschieden, um Platz zwei für die Bundesliga im Uefa-Ranking abzusichern. Bei einem Punktegleichstand am Saisonende würde England den Platz aufgrund der Vorjahresergebnisse bekommen.
Die Punkte errechnen sich wie folgt: Pro Sieg gibt es zwei Punkte, jedes Remis bringt einen Punkt, jedes Weiterkommen einen weiteren. Alle erspielten Ranglistenpunkte werden durch die Zahl der im Europapokal gestarteten Clubs eines Landes dividiert. Sieben deutsche Clubs waren in dieser Saison international startberechtigt, jeder erspielte Ranglistenpunkt entspricht also 0,143 Punkten. Bei der mit acht Teams gestarteten Premier League sind es 0,125 Punkte.
„Der Rest von Europa feiert unser Versagen“, schrieb der Independent, wohl wissend um den Ruf der „Monopoly-Liga“im Rest des Kontinents: „Dort ist von einer Hybris der Premier League die Rede. Dabei sind Superklubs wie Real Madrid, Bayern München und Paris St. Germain auch nicht gerade die Retter des Fußballs.“Aber zumindest in diesem Jahr deutlich erfolgreicher. Und doch wird den Großklubs weiter alles untergeordnet. Unterhalb der Premier League tobt seit Donnerstag ein Sturm der Entrüstung, weil der Verband die traditionellen Wiederholungsspiele im FA Cup abgeschafft hat. Die – wenigen – Europapokal-Teilnehmer sollen entlastet werden, den kleineren Klubs geht dagegen neben einer zusätzlichen Einnahmequelle auch die Hoffnung auf mögliche Festtage im eigenen Stadion flöten.
Geld regiert eben die Welt – auch wenn die Ernte mal ausbleibt. Die Genugtuung außerhalb von England ist jedenfalls groß. Als Bayerns Sportvorstand Max Eberl am Mittwoch auf den abfälligen Begriff „Farmers League“angesprochen wurde, konnte er sich ein höhnisches Grinsen nicht verkneifen. „Farmers League? Das hat man heute gesehen!“. Im besten Fall könnten in der kommenden Saison sogar sechs deutsche Vereine in der Königsklasse vertreten sein. Das wäre der Fall, wenn die Bundesliga im Ranking am Ende vor England liegt, der BVB die Champions League gewinnt und in der Meisterschaft maximal Fünfter wird – als Titelverteidiger hätte Dortmund ein garantiertes Startrecht. (sid/mit dpa)