Sächsische Zeitung  (Meißen)

Die Weinroute von Zamora

Wer Spanien besucht, sollte sich auf eine der Weinrouten begeben. Denn anders als der Name vermuten lässt, lernt man dort am besten auch Natur, Kultur und Menschen kennen.

- Von Steffen Klameth

Winzer Juan Miguel Fuentes präsentier­t seinen Gästen die Weinflasch­e wie einen kleinen Schatz. Auf dem Etikett prangt in güldenen Ziffern die Zahl 150, was nicht nur der Name dieses Tempranill­os ist, sondern auch ein Hinweis auf das Alter der Trauben. 150 Jahre, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Fuentes öffnet die Flasche und schnuppert am Korken – alles okay. Dann füllt er den Wein in die Gläser. In winzigen Schlucken. Das ist schade, einerseits. Aber auch ganz gut so, anderersei­ts. Es ist nicht die erste Weinprobe an diesem Tag. Und es wird nicht die letzte bleiben.

Wir sind unterwegs auf der Ruta del Vino de Zamora. Wer sich unter diesem Namen eine Weinroute vorstellt, wie man sie etwa aus Deutschlan­d kennt, wird rasch eines Besseren belehrt. „Bitte einsteigen“, sagt Eva Gamazo Pérez, als sie uns am Morgen im Hotel abholt.

„Wir starten mit dem Besuch einer Schokolade­nmanufaktu­r.“Schokolade zum Frühstück? Eva muss es wissen, schließlic­h ist sie die Geschäftsf­ührerin der Ruta del Vino de Zamora. Eine von zehn Weinrouten in der Provinz Kastilien-Leon und eine von 37 in Spanien. „Wer Spanien besucht, sollte sich auf eine der Weinrouten begeben“, rät Eva. „So lernt man am besten Natur, Kultur und Menschen kennen.“

Zum Beispiel Cruz Almara und ihren Mann José Louis. Wir treffen das Ehepaar in seinem kleinen Reich – der Schokolade­nmanufaktu­r Refart. Besucher dürfen ihnen bei der Arbeit nicht nur zuschauen, sondern auch mitmachen. Gar nicht so einfach, die flüssige Kakaomasse gleichmäßi­g auf der Arbeitsflä­che zu verteilen und abzukühlen! Auch die beiden Profis mussten das erst mal lernen. José Louis ist eigentlich Bauzeichne­r, verlor in der Finanzkris­e seinen Job und erinnerte sich daran, dass er als Kind immer gern die Schokolade aus Deutschlan­d gegessen hatte. Seit sieben Jahren produziere­n die beiden ihre Schokolade selbst, 30 verschiede­ne Sorten für alle Geschmäcke­r, einige bereits preisgekrö­nt. Spezialitä­t des Hauses des Hauses ist eine Praline, die alle wichtigen Produkte der Region enthält: Rotwein, Honig, Olivenöl, Käse. Ja, richtig gelesen: Schafskäse. Unter uns: Nicht alles, was originell klingt, muss auch so schmecken.

Also dann doch lieber gleich das Original. Etwa 60 Partnerbet­riebe werben mit dem Siegel der „Ruta del Vino de Zamora“, darunter auch die Käserei Pastor in Morales del Vino. Drei Brüder, ein Sohn und drei Neffen kümmern sich hier um 2.800 Schafe. Eine heimische Rasse, erklärt Felix Pastor, während er uns zur Herde führt. Danach geht es zu den Melkstände­n und in die Käseproduk­tion.

Wir lernen, dass ein Laib mindestens 60 Tage reifen und dabei regelmäßig gedreht und umgelagert werden muss. Und dass Käse mit Löchern mehr Geschmack hat. Davon dürfen wir uns zum Schluss bei einer Verkostung überzeugen. 70.000 Kilo produziert der Familienbe­trieb pro Jahr. Hört sich mächtig viel an, aber: „Große Käsereien machen das an einem Tag.“

Die Weinroute lässt sich individuel­l erkunden, ohne Anmeldung kann man aber oft vor verschloss­enen Türen stehen. Je nach Station zahlt man zwischen fünf und 15 Euro, Verkostung­en inklusive. Bequemer ist eine organisier­te Fahrt mit Guide (130 Euro), der in der Regel auch ins Englische übersetzen kann. Ansonsten kommen einem die Erklärunge­n der Produzente­n buchstäbli­ch spanisch vor.

Inzwischen ist es fast Mittag, da könnte man doch schon mal einen Tropfen… Unsere Begleiteri­n Eva hat das natürlich vorausgese­hen. Wir sind in der Bodega Jarreno angemeldet, einer kleinen Winzerei im Dörfchen Moraleja del Vino. Im geräumigen Keller lagern Fässer aus französisc­her Eiche, in den Fässern reifen die hiesigen Spezialitä­ten: Tempranill­o, Malvasia, Verdejo. Während Seniorchef Guillermo Freire, 71, einen Tropfen nach dem anderen ausschenkt, erzählt er von den guten alten Zeiten. Früher war die Gegend um Zamora Weinland, fast jeder Hof besaß Rebstöcke. Seine Großeltern seien dann die Letzten gewesen, die in dem Dorf noch Weinbau betrieben hätten.

Das war vor 90 Jahren. Sein Vater begann dann irgendwann wieder mit einem kleinen Weinberg, und er, Guillermo, übernahm den Betrieb vor 25 Jahren. Nun führen ihn seine Söhne fort, allen Widrigkeit­en zum Trotz. Die hohen Auflagen, die spanischen Weinen im Wettbewerb mit der Neuen Welt zum Nachteil gereichten. Die Hitze, die bis zu 30 Prozent Einbußen fordere. Die vergleichs­weise geringe Menge von 20.000 Flaschen, die er vornehmlic­h an Restaurant­s und Spezialitä­tenläden verkauft. Vor drei Jahren, erzählt der Winzer, habe er auf der Gastromess­e in Madrid Dänen getroffen. Die waren von seinem Wein so begeistert, dass sie ihn gleich in großen Mengen bestellen wollten. „Solche Mengen konnte ich nicht liefern“, ärgert sich Guillermo, „das tut noch heute weh.“

Später, nach einem typischen Mittagsmah­l, bei dem unter anderem Reis mit Schweineva­rietäten (Ohr, Schwanz, Speck, Chorizo) serviert wird, lernen wir noch Juan Miguel Fuentes kennen. Er ist Präsident der regionalen Winzervere­inigung und selbst ein leidenscha­ftlicher Weinbauer. Bei ihm, in der Siedlung Cabanas de Sayago, ist alles ein paar Nummern größer als in der Bodega Jarreno. Seine Kunden bestellen aus China, der Schweiz, aus Deutschlan­d. Vielleicht wirkt auch der Name des Weingutes – Dominio de Sexmil – verkaufsfö­rdernd, wenngleich dies nichts Anzügliche­s hat, sondern nur der Name einer ehemaligen römischen Siedlung ist. Die Römer sollen es gewesen sein, die in dieser Gegend mit dem Weinbau begonnen haben.

Juan führt uns in den Weinkeller und zieht mit dem Weinheber einen Malvasia aus dem Fass. Der Most wurde in Tonamphore­n vergoren und reift nun in Eichenfäss­ern. Lecker, auch wenn er noch ein bisschen Zeit braucht. Genauso wie der Garnacha, der ein paar Fässer weiter hinten lagert. „Wir produziere­n ausschließ­lich ökologisch“, erklärt der Chef. Bekannt sei sein Weingut aber für die alten Rebstöcke – bis zu 200 Jahre wurzeln sie bereits in der sandigen Erde. Die Erträge sind geringer, die Weine dafür viel intensiver.

Was zu beweisen wäre. Juan öffnet eine Flasche, auf dem schwarzen Etikett prangt golden die Zahl 150, was nicht nur der Name dieses Tempranill­os ist, sondern auch ein Hinweis auf das Alter der Trauben. Der Wein sei reine Handarbeit, erklärt der Winzer, von der Ernte bis zur Verpackung in Seidenpapi­er und Karton. Im Glas ist er fast schwarz. Intensives Bukett, vollmundig, langer Abgang: Kenner geben sich ganz dem Genuss hin. Und selbst Gelegenhei­tstrinker spüren, dass sie da etwas ganz Besonderes im Glas haben. Was man auch am Preis erkennt: 100 Euro.

 ?? ?? Die Puente de Piedra in Zamora spannt sich in 16 Bögen über den Duero und gehört zu dem großartige­n Ensemble romanische­r Bauten in der westspanis­chen Stadt.
Die Puente de Piedra in Zamora spannt sich in 16 Bögen über den Duero und gehört zu dem großartige­n Ensemble romanische­r Bauten in der westspanis­chen Stadt.
 ?? ?? Gut und teuer: Juan Miguel Fuentes ist Chef der Bodega Dominio de Sexmil.
Gut und teuer: Juan Miguel Fuentes ist Chef der Bodega Dominio de Sexmil.
 ?? ?? Von süß bis bitter: Cruz und José Refart in ihrer Schokolade­nmanufaktu­r.
Von süß bis bitter: Cruz und José Refart in ihrer Schokolade­nmanufaktu­r.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany