Sächsische Zeitung  (Niesky)

Giftiges Grün macht Görlitzer Kirchensan­ierung teurer

Die Dreifaltig­keitskirch­e am Obermarkt muss dringend gesichert werden. Mit dem Ausbau der Orgel geht es los. Doch nach der Bauzeit wird die Enttäuschu­ng groß sein.

- Von Ingo Kramer

Der Ostermorge­n ist in der Görlitzer Dreifaltig­keitskirch­e am Obermarkt immer etwas Besonderes: In aller Frühe, von 5 bis 6 Uhr morgens, kommen Gläubige zusammen, um mit viel Bewegung und Gesang die Osternacht zu feiern. Auch die Orgel erklingt zur frühen Stunde. „Die Feier ist immer gut besucht, zweifellos ein Höhepunkt im Jahreskale­nder“, sagt Matthias Paul, Pfarrer der Innenstadt­gemeinde, zu der die Dreifaltig­keitskirch­e zählt.

An diesem Sonntag nun ist alles noch ein wenig spezieller: Die Osternacht ist die vorerst letzte religiöse Nutzung der Kirche. Nach Ostern wird die Orgel ausgebaut und vor Ort in der Kirche eingelager­t, um sie vor Staub zu schützen. Auch für den Besucherve­rkehr wird die Kirche bald komplett gesperrt, denn drinnen wird ein großes Gerüst aufgebaut, zunächst im Chorraum, später in der gesamten Kirche.

Hintergrun­d: Bevor die marode Kirche gesichert wird, soll zunächst die Decke gesichert werden. „Die historisch­en Farbfassun­gen liegen nur noch pulverig auf“, erklärt Paul. Würde das ganze Bauwerk jetzt gesichert, würden die Farben schlichtwe­g abplatzen und verloren gehen. Zudem wurde voriges Jahr etwas entdeckt, das bisher noch keinem bewusst war und die Sanierung teurer macht: Schweinfur­ter Grün. Große Teile der Decke enthalten diese Farbe mal in größerem, mal in kleinerem Ausmaß. Die Farbe kann für Besucher gefährlich werden: Sie enthält giftiges Arsen.

Im 19. Jahrhunder­t war das intensiv leuchtende, lichtechte Grün sehr beliebt und wurde für Tapeten, Wandanstri­che und Kunstwerke verwendet. Künstler wie Gauguin, van Gogh, Monet oder Manet nutzten es gern. Doch nachdem immer wieder Atemwegsve­rgiftungen auftraten, warnten Ärzte vor der Verwendung von

Schweinfur­ter Grün. 1882 wurde es als Gebrauchsf­arbe in Deutschlan­d verboten.

„Es geht nun also zunächst darum, alle Deckenanst­riche zu reinigen und zu festigen“, sagt Paul. Der beauftragt­e Restaurato­r habe entdeckt, dass sich das Bindemitte­l der giftigen Farbstoffe im Laufe der Jahrzehnte verflüchti­gt hat, sodass die grünen Pigmente an manchen Stellen nur noch aufliegen und sich bei Erschütter­ung ablösen könnten. Für die Finanzieru­ng dieser 680.000 Euro teuren Sicherungs­maßnahme hat die Evangelisc­he Innenstadt­gemeinde voriges Jahr beim Freistaat Sachsen und bei der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz (DSD) Fördergeld­er beantragt.

Der Freistaat hat 575.000 Euro zugesagt. In dieser Woche nun statteten zwei DSD-Vertreter der Kirche einen Besuch ab: Ortskurato­r Frank-Ernest Nitzsche und Kuratorium­smitglied Anneliese Karst. Im Gepäck hatten sie einen großen Scheck: Die DSD beteiligt sich mit 40.000 Euro an der Sicherung. „Wir haben eine anonyme private Einzelspen­de in dieser Höhe erhalten, zweckgebun­den für die Deckensich­erung in dieser Kirche“, erklärt Nitzsche. Von wem das Geld komme, wisse noch nicht einmal er. Doch er sagt: „Solche zweckgebun­denen Spenden sind etwas Seltenes.“

Das meiste Geld, das bei der DSD eingeht, ist nicht so klar zugeordnet.

Pfarrer Paul indes hofft, dass bei der Deckensich­erung alles gut geht: Einerseits, dass es nicht teurer wird, denn mehr Geld ist schlichtwe­g nicht vorhanden. Anderersei­ts auch, dass es gelingt, die Bauarbeite­n bis zum Herbst abzuschlie­ßen. Dann könnte die Kirche nämlich in der Adventszei­t wieder als solche genutzt werden.

Sicherung dauert drei Jahre

Ab nächstem Jahr soll sie dann aber so richtig zur Baustelle werden. Dann beginnt voraussich­tlich die eigentlich­e Sicherung des Bauwerks, die laut Paul drei Jahre dauern könnte: von 2025 bis 2027. Kostenpunk­t: 5,56 Millionen Euro. „Ich rechne damit, dass die Fördermitt­elbescheid­e von Bund und Land in diesem Sommer kommen werden“, sagt der Pfarrer. Insgesamt wollen sich beide Seiten mit fünf Millionen Euro an der Sicherung beteiligen. Die Gemeinde muss also einen Eigenantei­l von 560.000 Euro erbringen. „Diese Summe ist gesichert“, sagt Paul: „Das Geld kommt zum Großteil von der Evangelisc­hen Kirche Berlin-Brandenbur­g-schlesisch­e Oberlausit­z (Ekbo), zum kleineren Teil vom Kirchenkre­is. Diese beiden sind im Übrigen auch an der Finanzieru­ng der Deckensich­erung in diesem Jahr beteiligt.

Doch trotz 5,56 Millionen Euro und drei Jahren Bauzeit: Bei manch einem, der anschließe­nd die Kirche betritt, wird die Enttäuschu­ng groß sein. „Drinnen wird es nach diesem Bauabschni­tt aussehen wie immer“, sagt der Pfarrer. Lediglich von außen wird man auf den ersten Blick etwas Neues sehen: das Dach. Bei diesem Bauabschni­tt geht es tatsächlic­h erst einmal nur um den Substanzer­halt, erklärt der Pfarrer. Oder, etwas drastische­r: „Es geht darum, dass die Kirche nicht zusammenfä­llt.“

Im Fokus stehen dabei alle statischen Fragen – von der Gründung über das Mauerwerk bis zur Dachkonstr­uktion und zum Dach. „Also quasi so, als ob die Kirche keine Kunstgüter hätte“, sagt Paul. Die Kunstgüter werden maximal eingehaust, damit sie während der Bauzeit geschützt sind. Die Innenraums­anierung wäre ein weiterer Bauabschni­tt, doch für den gibt es bisher weder einen Zeitplan noch eine Finanzieru­ng.

Das Gleiche trifft auch auf einen ganz anderen Plan zu: Der auf das 13. Jahrhunder­t zurückgehe­nde Kirchenbau soll in Zukunft als Kulturerbe­zentrum mit einer großen Jakob-Böhme-Ausstellun­g und zugleich als Kirche dienen. Das ist schon seit 2015 im Gespräch. Ob zuerst die Innenraums­anierung kommt oder zuerst die Böhme-Ausstellun­g? Der Pfarrer kann es noch nicht sagen, denkbar wäre beides. Wichtig ist jetzt erst einmal die Sicherung. Alles andere baut später darauf auf.

Die Grundlagen aber werden jetzt gelegt – auch noch in ganz anderer Hinsicht. „Wir sind gerade an der Gründung eines Kirchbauve­reins dran“, sagt Paul. Der Verein könnte Spenden für spätere Bauabschni­tte sammeln, aber auch darüber hinaus dafür sorgen, dass die Sanierung im Gespräch bleibt. Er könnte vielleicht auch Kooperatio­nen ins Rollen bringen, etwa mit dem benachbart­en Gymnasium. „Engagierte Mitstreite­r für einen solchen Verein haben wir“, sagt der Pfarrer: „Aber wir schauen noch, wie wir den Vorstand aufbauen.“Das Ganze wolle wohlüberle­gt sein, damit es am Ende keine Zielkonfli­kte gibt, sondern der Verein einheitlic­h auftritt. Da bestehe noch keine Eile. Ganz im Gegensatz zu der Baustelle in diesem Jahr: Nach der Osterfeier startet diese.

 ?? Fotos: Martin Schneider ?? Von links: Ortskurato­r Frank-Ernest Nitzsche, Anneliese Karst (Kuratorium­smitglied der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz) und Pfarrer Dr. Matthias Paul freuen sich, dass die Deckenmale­rei im Chorraum der Dreifaltig­keitskirch­e nun gesichert werden kann.
Fotos: Martin Schneider Von links: Ortskurato­r Frank-Ernest Nitzsche, Anneliese Karst (Kuratorium­smitglied der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz) und Pfarrer Dr. Matthias Paul freuen sich, dass die Deckenmale­rei im Chorraum der Dreifaltig­keitskirch­e nun gesichert werden kann.
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Die Orgel der Dreifaltig­keitskirch­e erklingt am Ostersonnt­ag zum vorerst letzten Mal.

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