Sächsische Zeitung  (Niesky)

Ostern und Israel: Das berührt Tanzchef Dan Pelleg besonders

Dan Pelleg ist in Israel geboren, er lebt seit Jahren in Deutschlan­d, im Sommer endet seine Zeit in Görlitz. Jetzt sprach er in der Synagoge über Grenzen zwischen Nationen, aber vor allem über Grenzen im Kopf.

- Von Ines Eifler

Der Görlitzer Chefchoreo­graf des Theaters Dan Pelleg wurde in Israel geboren. Während in diesen Tagen viele Menschen in Gedanken in Jerusalem sind, auf Kreuzwegen pilgern oder das Heilige Grab besuchen, schaut auch er auf die Situation in seinem Herkunftsl­and: auf den „furchtbare­n Krieg im Gazastreif­en, der einfach nicht aufhören will“. Viele sähen sich gezwungen, auf die Straße zu gehen, für Frieden zu protestier­en und – meistens – sich dabei zu positionie­ren: für Israel oder für Palästina. Die Grenze aber, sagt Dan Pelleg, verlaufe nicht zwischen Israelis und Palästinen­sern. „Die eigentlich­e Grenze“– so der Titel der letzten „Haltestell­e“in der Fastenzeit im Kulturforu­m Görlitzer Synagoge – verlaufe zwischen jenen, die sich eine friedliche Koexistenz beider Völker vorstellen können, und denen, die zwar vom Frieden träumen, ihn aber vor allem für sich meinen und andere davon ausschließ­en.

Diese Haltung des Ausschluss­es habe er oft erlebt, sagt Dan Pelleg. Dass jemand vom Recht aller Menschen auf sauberes Wasser spricht, aber vor allem seinesglei­chen, nicht jedes arme Kind weltweit meint. Dass Menschen sich als Musikliebh­aber bezeichnen, aber nicht akzeptiere­n, dass zu dieser Gruppe auch Heavy-MetalHörer zählen. Zu den vielen strengen Geboten im Judentum gehöre es, dass man untereinan­der beim Geldverlei­h keine Zinsen erhebt. „Aber von Nichtjuden darf man Zinsen verlangen.“Fast 90 Zuhörer kamen ins Kulturforu­m Synagoge, als Dan Pelleg vor Ostern die letzte „Haltestell­e“in der

Fastenzeit gestaltete. Auch die ersten fünf ökumenisch­en „Fasten-Haltestell­en“waren gut besucht.

Gebe es im Israel-Palästina-Konflikt auf beiden Seiten Menschen, die jeweils die andere Seite ausschließ­en, so kenne er sowohl Israelis als auch Palästinen­ser, die sich ein friedliche­s Miteinande­r wünschen. In der uralten Stadt Jaffa etwa, heute ein Stadtteil seiner Geburtssta­dt Tel Aviv, würden Cafés von Juden und Muslimen besucht. „Es muss nicht heißen, dass sie befreundet sind, aber ein Nebeneinan­der ist möglich.“

Dan Pelleg war 1969 der Erste in seiner Familie, der in Tel Aviv geboren wurde. Seine Großeltern wanderten Anfang des 19. Jahrhunder­ts von Australien, aus dem Baltikum und Deutschlan­d nach Südafrika aus, wo in den 1930ern seine Eltern und in den 1950ern seine beiden Geschwiste­r geboren wurden. 1963 ging seine Familie nach Israel. „Anders als viele andere Juden haben wir kein Holocaust-Trauma“, sagt Dan Pelleg.

Dennoch kam auch er erstmals an den Holocaust-Gedenktage­n mit der deutschen Sprache in Kontakt. Später sang er im Chor

Bach, Mozart und Mendelssoh­n, an der Uni lernte er Deutsch in einem Sprachkurs. In dem Moment, als er sich mit Deutschen so gut verständig­en konnte wie auf Hebräisch, sei ihm erstmals aufgegange­n, dass die Sprache oder die Nation, an der viele „ihresgleic­hen“festmachen, nicht die „eigentlich­e Grenze“ist. Sondern dass verschiede­ne Lebenskonz­epte auch Menschen trennen, wenn sie dieselbe Sprache sprechen.

Der politische Konflikt seines Landes begleite ihn dennoch. Als junger Tänzer kam Dan Pelleg nach Berlin, wohin er nach dieser Spielzeit auch wieder zurückgeht. Vor einigen Jahren, erinnert er sich, habe er einmal mit Schülern in Neukölln gearbeitet. „Als ich hörte, dass ihre Familien aus Syrien, Libanon und Palästina stammen, habe ich meine Herkunft lieber verschwieg­en.“Ein Kind erfuhr trotzdem davon und sprach ihn darauf an. Doch von Aggression keine Spur: „Du musst wirklich jeden Tag von Israel nach Berlin kommen?“, habe es gefragt. „Diese Naivität, dieses kindliche Zutrauen wünsche ich mir manchmal auch für die großen Fragen“, sagt Dan Pelleg. „In dieser Unschuld liegt die Hoffnung.“

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Foto: Martin Schneider Der Görlitzer Choreograf Dan Pelleg bei der letzten „Haltestell­e“in der Fastenzeit im Kulturforu­m Synagoge.

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