Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)
„Ein City Outlet könnte die Trendwende für Pirnas Einzelhandel bringen“
Ecostra-Chef Dr. Joachim Will über Ladenleerstand, Pirnas heimlichen Boulevard und die Chancen für ein neues Geschäftsmodell.
Die Ecostra GmbH mit Sitz in Wiesbaden ist eine Wirtschafts- und Unternehmensberatung, die für die Privatwirtschaft und für die öffentliche Hand arbeitet. Für die Privatwirtschaft ist das Unternehmen europaweit tätig, nach eigenen Angaben ist Ecostra der führende Berater in Europa für den Betrieb von Outlet-Centern. Zudem beobachtet die Firma auch die Entwicklung von City Outlets wie in Bad Münstereifel. Derzeit erarbeitet Ecostra eine Machbarkeitsstudie, ob ein solches City Outlet auch in Pirna möglich wäre. Die Sächsische Zweitung sprach dazu mit Ecostra-Geschäftsführer Dr. Joachim Will.
Herr Dr. Will, als Sie Pirna zum ersten Mal sahen, wären Sie da am liebsten gleich wieder umgekehrt?
Bei uns rufen immer wieder Städte an, in denen die Idee eines City Outlet umgeht. Im November 2023 meldete sich auch jemand aus Pirna. Ich war noch nie da und fuhr mit einer großen Skepsis hin. Als ich die Bahnhofstraße mit dem Edeka-Markt entlanggefahren bin, dachte ich: Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Auf der Dohnaischen Straße wurde es schon besser, auf der Gartenstraße begann dann die Fantasie zu blühen. Sie ist eigentlich ein Boulevard, der deutlich unter Wert verkauft wird. Da war mir klar: Die Idee eines City Outlet sollte man in Pirna tatsächlich offen prüfen.
Aber Hand aufs Herz: Würden Sie derzeit ein Geschäft in Pirna eröffnen oder eines übernehmen?
Nein, das würde ich momentan nicht tun.
Warum nicht?
Der Einzelhandel ist ein schwieriges Geschäft. Es gibt in der Innenstadt von Pirna eher kleine Ladenflächen, und bei den derzeitigen Gewinnmargen ist es schwierig, sich davon eine Existenz aufzubauen.
Ist Pirna aus Ihrer Sicht als Einkaufsstadt auf einem absteigenden Ast?
Wenn es keine Trendumkehr gibt, dann ja.
Die Konkurrenz in Dresden ist zu stark, ohne ein besonderes Konzept oder eine Lösung bekommt man diese Wettbewerbssituation nicht weg.
Vor allem der inhabergeführte Einzelhandel schrumpft, Geschäftsinhaber finden keine Nachfolger. Woran liegt das?
Am demografischen Wandel, aber nicht nur. Die Gewinnmargen sind knapp, hinzu kommt der Personalmangel. Ein Geschäftsinhaber muss einem Nachfolger eine wirtschaftliche Perspektive bieten können, doch die ist jetzt schwierig zu vermitteln.
Wird Pirna ohne Gegenmittel in ein paar Jahren eine tote Stadt ohne Einzelhandel sein?
Tot nicht, aber es werden weniger Menschen in die Innenstadt gehen. Noch gibt es ausreichend Gastronomie, die die Menschen in die Stadt zieht, es ist Frequenz im Zentrum. Aber es lassen sich nicht alle leeren Läden mit Gastronomie füllen, und leerstehende Geschäfte wirken sich letztendlich negativ auf die touristische Attraktivität aus.
Seit einiger Zeit wird über die Idee eines City Outlet nachgedacht. Kann dies das Allheilmittel sein, das alle Probleme auf einen Schlag löst?
Alle sicher nicht. Aber wenn die Idee erfolgreich umgesetzt wird, dann ist das eine Chance, von der die ganze Stadt profitiert. Pirna ist touristisch schon sehr attraktiv, ein City Outlet würde diese Attraktivität noch steigern und zusätzlich Menschen in die Stadt locken. Bei einem City Outlet kämen dann auch die Dresdner zum Einkaufen nach Pirna.
Warum hat ein City Outlet Pirna eine realistische Chance?
Pirna verfügt über die erforderliche touristische Grundattraktivität, das heißt, es kommen ohnehin Menschen aus einem weiten Umfeld in die Stadt. Und die Innenstadt besitzt Ladenflächen, die sich für ein City Outlet räumlich verdichten lassen. Die Straßen mit den Outlet-Stores müssen städtebaulich attraktiv sein, die Leute müssen Lust bekommen, dort zu bummeln. Eine umgestaltete Gartenstraße würde sich dafür bestens eignen. Insgesamt besitzt Pirna eine schöne Innenstadt mit guter und leistungsstarker Gastronomie.
Was bringt ein solches Outlet der Stadt?
Ladenflächen werden wieder besetzt, die Schaufenster gestaltet, Arbeitsplätze entstehen. Die Geschäfte ziehen weitere Dienstleistungen nach sich, all die Aktivitäten stützen das wirtschaftliche Leben in der Stadt. Hauseigentümer generieren wieder
Mieteinnahmen und können in ihre Häuser investieren. Und ein City Outlet ist auch ein weiterer Impuls in Richtung Tourismus.
Sind Outlet-Center überhaupt noch ein Geschäftsmodell mit Zukunft?
Outlet-Center sind eine der wenigen Vertriebsformen des Einzelhandels, die nach wie vor erfolgreich sind. Sie sind nach der Corona-Pandemie am schnellsten wieder auf ihren Umsatz gekommen. Outlet-Center sind als Anlageobjekte auch von Investoren gesucht. Das gilt derzeit nicht für allzu viele Handelsimmobilien.
Für ein City Outlet braucht es jede Menge Geschäfte. Wie kommt man da dran?
In Pirna benötigt ein mögliches City Outlet als sogenannte kritische Masse anfangs eine Einzelhandelsfläche von zusammen etwa 5.000 Quadratmeter, das sind etwa 2530 Geschäfte. Zuvor muss sich eine Projektgesellschaft gründen, die die Eigentümer und Vermieter im Vorfeld von dem Projekt überzeugt. Sie müssen die Chance erkennen, dass es sich positiv auf den Wert der jeweiligen Immobilie auswirkt, wenn ihre Gebäude Teil des Konzepts sind. Die Projektgesellschaft tritt dann als Zwischenmieter der Läden auf und vermietet sie weiter an die Marken. Bei der Miethöhe muss Pirna dann auf alle Fälle deutlich unter dem Mietpreisniveau von Outlet-Centern auf der grünen Wiese bleiben.
Wie sollen die ortsansässigen Händler mitgenommen werden?
Beim bislang bundesweite einzigen City Outlet in Bad Münstereifel gibt es in denselben Geschäftslagen genügend Läden, die keine Outlet-Stores sind. Dort betreiben auch klassische Fachhändler und Dienstleister ihre Geschäfte. Aber auch da heben sich die Umsätze, dieses Miteinander funktioniert, und diese gemischten Strukturen machen ja erst den besonderen Charakter eines City Outlet aus.
Ein solches City Outlet lebt von zugkräftigen Anbietern. Wie lockt man so jemanden nach Pirna?
Ja, es braucht Geschäfte mit Magnetwirkung, Sportartikelhersteller wie Puma beispielsweise. Ob sie kommen, hängt auch davon ab, ob sie derzeit überhaupt expandieren wollen, welche Umsatzchancen sie für sich erkennen und welche Mietpreise aufgerufen werden. Grundsätzlich gehen Markenhersteller lieber in Outlet-Center auf der grünen Wiese, da sie wissen, dass sie dort in einem professionell organisierten Umfeld agieren können. In der Vermarktung der Flächen für ein City Outlet wird also viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Besser als Hochglanzprospekte ist es, die Expansionsleiter der Marken zu einem Besuch zu motivieren, um ihnen die einmalige Atmosphäre der Altstadt von Pirna zu vermitteln.
Wie lässt sich die Bevölkerung auf dem Weg mitnehmen, um die Akzeptanz für das Projekt noch zu erhöhen?
Ich bin überzeugt, dass in Pirna sich bereits viele kluge Köpfe damit beschäftigt haben, wie dem zunehmenden Ladenleerstand beizukommen ist. Bislang gibt es nur sehr wenige Erfolgsbeispiele. Eines ist das City Outlet in Bad Münstereifel. Das ist aber kein Rezept für alle Städte, sondern benötigt ganz bestimmte Voraussetzungen. Wenn dieses Konzept auch in Pirna funktioniert, wäre das sicher das überzeugendste Argument für die Bevölkerung. So etwas kann nur gut für die Stadt und die Menschen sein. Daher ist es richtig, dass Pirna eine solche Möglichkeit prüft. Ich selbst habe noch kein anderes überzeugendes Konzept gesehen, das für eine solche Stadt wie Pirna die gewünschte Trendwende einleiten könnte.