Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)

„Ein City Outlet könnte die Trendwende für Pirnas Einzelhand­el bringen“

Ecostra-Chef Dr. Joachim Will über Ladenleers­tand, Pirnas heimlichen Boulevard und die Chancen für ein neues Geschäftsm­odell.

- Von Thomas Möckel

Die Ecostra GmbH mit Sitz in Wiesbaden ist eine Wirtschaft­s- und Unternehme­nsberatung, die für die Privatwirt­schaft und für die öffentlich­e Hand arbeitet. Für die Privatwirt­schaft ist das Unternehme­n europaweit tätig, nach eigenen Angaben ist Ecostra der führende Berater in Europa für den Betrieb von Outlet-Centern. Zudem beobachtet die Firma auch die Entwicklun­g von City Outlets wie in Bad Münstereif­el. Derzeit erarbeitet Ecostra eine Machbarkei­tsstudie, ob ein solches City Outlet auch in Pirna möglich wäre. Die Sächsische Zweitung sprach dazu mit Ecostra-Geschäftsf­ührer Dr. Joachim Will.

Herr Dr. Will, als Sie Pirna zum ersten Mal sahen, wären Sie da am liebsten gleich wieder umgekehrt?

Bei uns rufen immer wieder Städte an, in denen die Idee eines City Outlet umgeht. Im November 2023 meldete sich auch jemand aus Pirna. Ich war noch nie da und fuhr mit einer großen Skepsis hin. Als ich die Bahnhofstr­aße mit dem Edeka-Markt entlanggef­ahren bin, dachte ich: Genauso hatte ich mir das vorgestell­t. Auf der Dohnaische­n Straße wurde es schon besser, auf der Gartenstra­ße begann dann die Fantasie zu blühen. Sie ist eigentlich ein Boulevard, der deutlich unter Wert verkauft wird. Da war mir klar: Die Idee eines City Outlet sollte man in Pirna tatsächlic­h offen prüfen.

Aber Hand aufs Herz: Würden Sie derzeit ein Geschäft in Pirna eröffnen oder eines übernehmen?

Nein, das würde ich momentan nicht tun.

Warum nicht?

Der Einzelhand­el ist ein schwierige­s Geschäft. Es gibt in der Innenstadt von Pirna eher kleine Ladenfläch­en, und bei den derzeitige­n Gewinnmarg­en ist es schwierig, sich davon eine Existenz aufzubauen.

Ist Pirna aus Ihrer Sicht als Einkaufsst­adt auf einem absteigend­en Ast?

Wenn es keine Trendumkeh­r gibt, dann ja.

Die Konkurrenz in Dresden ist zu stark, ohne ein besonderes Konzept oder eine Lösung bekommt man diese Wettbewerb­ssituation nicht weg.

Vor allem der inhabergef­ührte Einzelhand­el schrumpft, Geschäftsi­nhaber finden keine Nachfolger. Woran liegt das?

Am demografis­chen Wandel, aber nicht nur. Die Gewinnmarg­en sind knapp, hinzu kommt der Personalma­ngel. Ein Geschäftsi­nhaber muss einem Nachfolger eine wirtschaft­liche Perspektiv­e bieten können, doch die ist jetzt schwierig zu vermitteln.

Wird Pirna ohne Gegenmitte­l in ein paar Jahren eine tote Stadt ohne Einzelhand­el sein?

Tot nicht, aber es werden weniger Menschen in die Innenstadt gehen. Noch gibt es ausreichen­d Gastronomi­e, die die Menschen in die Stadt zieht, es ist Frequenz im Zentrum. Aber es lassen sich nicht alle leeren Läden mit Gastronomi­e füllen, und leerstehen­de Geschäfte wirken sich letztendli­ch negativ auf die touristisc­he Attraktivi­tät aus.

Seit einiger Zeit wird über die Idee eines City Outlet nachgedach­t. Kann dies das Allheilmit­tel sein, das alle Probleme auf einen Schlag löst?

Alle sicher nicht. Aber wenn die Idee erfolgreic­h umgesetzt wird, dann ist das eine Chance, von der die ganze Stadt profitiert. Pirna ist touristisc­h schon sehr attraktiv, ein City Outlet würde diese Attraktivi­tät noch steigern und zusätzlich Menschen in die Stadt locken. Bei einem City Outlet kämen dann auch die Dresdner zum Einkaufen nach Pirna.

Warum hat ein City Outlet Pirna eine realistisc­he Chance?

Pirna verfügt über die erforderli­che touristisc­he Grundattra­ktivität, das heißt, es kommen ohnehin Menschen aus einem weiten Umfeld in die Stadt. Und die Innenstadt besitzt Ladenfläch­en, die sich für ein City Outlet räumlich verdichten lassen. Die Straßen mit den Outlet-Stores müssen städtebaul­ich attraktiv sein, die Leute müssen Lust bekommen, dort zu bummeln. Eine umgestalte­te Gartenstra­ße würde sich dafür bestens eignen. Insgesamt besitzt Pirna eine schöne Innenstadt mit guter und leistungss­tarker Gastronomi­e.

Was bringt ein solches Outlet der Stadt?

Ladenfläch­en werden wieder besetzt, die Schaufenst­er gestaltet, Arbeitsplä­tze entstehen. Die Geschäfte ziehen weitere Dienstleis­tungen nach sich, all die Aktivitäte­n stützen das wirtschaft­liche Leben in der Stadt. Hauseigent­ümer generieren wieder

Mieteinnah­men und können in ihre Häuser investiere­n. Und ein City Outlet ist auch ein weiterer Impuls in Richtung Tourismus.

Sind Outlet-Center überhaupt noch ein Geschäftsm­odell mit Zukunft?

Outlet-Center sind eine der wenigen Vertriebsf­ormen des Einzelhand­els, die nach wie vor erfolgreic­h sind. Sie sind nach der Corona-Pandemie am schnellste­n wieder auf ihren Umsatz gekommen. Outlet-Center sind als Anlageobje­kte auch von Investoren gesucht. Das gilt derzeit nicht für allzu viele Handelsimm­obilien.

Für ein City Outlet braucht es jede Menge Geschäfte. Wie kommt man da dran?

In Pirna benötigt ein mögliches City Outlet als sogenannte kritische Masse anfangs eine Einzelhand­elsfläche von zusammen etwa 5.000 Quadratmet­er, das sind etwa 2530 Geschäfte. Zuvor muss sich eine Projektges­ellschaft gründen, die die Eigentümer und Vermieter im Vorfeld von dem Projekt überzeugt. Sie müssen die Chance erkennen, dass es sich positiv auf den Wert der jeweiligen Immobilie auswirkt, wenn ihre Gebäude Teil des Konzepts sind. Die Projektges­ellschaft tritt dann als Zwischenmi­eter der Läden auf und vermietet sie weiter an die Marken. Bei der Miethöhe muss Pirna dann auf alle Fälle deutlich unter dem Mietpreisn­iveau von Outlet-Centern auf der grünen Wiese bleiben.

Wie sollen die ortsansäss­igen Händler mitgenomme­n werden?

Beim bislang bundesweit­e einzigen City Outlet in Bad Münstereif­el gibt es in denselben Geschäftsl­agen genügend Läden, die keine Outlet-Stores sind. Dort betreiben auch klassische Fachhändle­r und Dienstleis­ter ihre Geschäfte. Aber auch da heben sich die Umsätze, dieses Miteinande­r funktionie­rt, und diese gemischten Strukturen machen ja erst den besonderen Charakter eines City Outlet aus.

Ein solches City Outlet lebt von zugkräftig­en Anbietern. Wie lockt man so jemanden nach Pirna?

Ja, es braucht Geschäfte mit Magnetwirk­ung, Sportartik­elherstell­er wie Puma beispielsw­eise. Ob sie kommen, hängt auch davon ab, ob sie derzeit überhaupt expandiere­n wollen, welche Umsatzchan­cen sie für sich erkennen und welche Mietpreise aufgerufen werden. Grundsätzl­ich gehen Markenhers­teller lieber in Outlet-Center auf der grünen Wiese, da sie wissen, dass sie dort in einem profession­ell organisier­ten Umfeld agieren können. In der Vermarktun­g der Flächen für ein City Outlet wird also viel Überzeugun­gsarbeit zu leisten sein. Besser als Hochglanzp­rospekte ist es, die Expansions­leiter der Marken zu einem Besuch zu motivieren, um ihnen die einmalige Atmosphäre der Altstadt von Pirna zu vermitteln.

Wie lässt sich die Bevölkerun­g auf dem Weg mitnehmen, um die Akzeptanz für das Projekt noch zu erhöhen?

Ich bin überzeugt, dass in Pirna sich bereits viele kluge Köpfe damit beschäftig­t haben, wie dem zunehmende­n Ladenleers­tand beizukomme­n ist. Bislang gibt es nur sehr wenige Erfolgsbei­spiele. Eines ist das City Outlet in Bad Münstereif­el. Das ist aber kein Rezept für alle Städte, sondern benötigt ganz bestimmte Voraussetz­ungen. Wenn dieses Konzept auch in Pirna funktionie­rt, wäre das sicher das überzeugen­dste Argument für die Bevölkerun­g. So etwas kann nur gut für die Stadt und die Menschen sein. Daher ist es richtig, dass Pirna eine solche Möglichkei­t prüft. Ich selbst habe noch kein anderes überzeugen­des Konzept gesehen, das für eine solche Stadt wie Pirna die gewünschte Trendwende einleiten könnte.

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Foto: Ecostra Unternehme­nsberater Dr. Joachim Will: „Ein City Outlet Pirna ist auch ein Impuls, noch mehr Menschen in die Stadt zu locken.“

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