Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)
Dresdner Forscher haben das Rezept für eine bessere Krankenversorgung
Diese Studie stellt erstmals die Folgen für die Bürger in den Mittelpunkt statt die Kliniken.
Dresden. Die geplante bundesweite Krankenhausreform muss neu berechnet werden und dies mit dem genau entgegengesetzten Ansatz als bisher. Eine maßgeblich von Dresdner Forschern entwickelte Formel geht dafür erstmals von den Bürgern und ihrer Krankenversorgung aus.
Bisher wurde das vor allem mit Blick auf die Kliniken und deren angebotene Leistungen entschieden, sagt der Dresdner Medizinprofessor und Versorgungsforscher des Uniklinikums Jochen Schmitt. Er hat die Studie dazu geleitet. Vor wenigen Tagen erst erschien die wissenschaftliche Publikation. Jochen Schmitt stellte die neue Krankenhausformel jetzt im Gespräch mit der SZ öffentlich vor. Kommende Woche soll dies dann bundesweit geschehen. „Wir stellen jetzt erstmals den Menschen in den Mittelpunkt der geplanten Krankenhausreform.“
Mediziner wie Ökonomen bundesweit sowie der Spitzenverband der Krankenkassen waren an dieser neuen Formel beteiligt. Neben der Qualität der Behandlung ist die Erreichbarkeit eines Krankenhauses nun ein entscheidendes Kriterium. Für Geburtskliniken beispielsweise beträgt dies maximal 30 Minuten Fahrzeit basierend auf realen Verkehrsdaten. Bestimmte OPs sind indes noch in 180 Minuten Fahrzeit vertretbar. Und manche Krankenhausbehandlungen sind so selten, dass sie nicht einmal jedes Bundesland anbieten muss.
Jochen Schmitt nennt ein Beispiel für Sachsen, welches sein Team vorab berechnet hat: Die Geburts-, Kinder- und Jugendmedizin müsste nach dieser neuen Formel fast überall erhalten bleiben. Knie- und Hüft-OPs aber ließen sich an weniger Standorten um etwa 20 Prozent zusammenfassen. Mit Vorteilen für die Behandlungsqualität und nur mit geringen Nachteilen für weniger als ein Prozent der Bürger, was die Erreichbarkeit der Kliniken betrifft. Für jede der mehr als 60 Krankenhausleistungen sind solche Berechnungen nun möglich. Für jedes Bundesland und über die Grenzen der Bundesländer hinweg. Die Wissenschaftler stellen ihre neue Simulation ab sofort den Ländern als Werkzeug zur Verfügung.
Eine bundesweite Auswirkungsanalyse wie diese war bisher unmöglich, da niemand an die Krankendaten herankam. Schmitt und seinem Team ist es in Zusammenarbeit mit dem GKV-Spitzenverband, dem bundesweiten Verband der Krankenkassen, nun erstmals gelungen, mit allen Krankenhausdaten des Jahres 2021 zu arbeiten. 16,5 Millionen Datensätze sind dies. Jeder ist eine Krankenhausbehandlung mit anonymisierten Daten zu Person, Wohnort, Klinik, Diagnose, Schwere der Erkrankung, Behandlung und Kosten.