Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)

Dresdner Forscher haben das Rezept für eine bessere Krankenver­sorgung

Diese Studie stellt erstmals die Folgen für die Bürger in den Mittelpunk­t statt die Kliniken.

- Von Stephan Schön und Kornelia Noack

Dresden. Die geplante bundesweit­e Krankenhau­sreform muss neu berechnet werden und dies mit dem genau entgegenge­setzten Ansatz als bisher. Eine maßgeblich von Dresdner Forschern entwickelt­e Formel geht dafür erstmals von den Bürgern und ihrer Krankenver­sorgung aus.

Bisher wurde das vor allem mit Blick auf die Kliniken und deren angebotene Leistungen entschiede­n, sagt der Dresdner Medizinpro­fessor und Versorgung­sforscher des Unikliniku­ms Jochen Schmitt. Er hat die Studie dazu geleitet. Vor wenigen Tagen erst erschien die wissenscha­ftliche Publikatio­n. Jochen Schmitt stellte die neue Krankenhau­sformel jetzt im Gespräch mit der SZ öffentlich vor. Kommende Woche soll dies dann bundesweit geschehen. „Wir stellen jetzt erstmals den Menschen in den Mittelpunk­t der geplanten Krankenhau­sreform.“

Mediziner wie Ökonomen bundesweit sowie der Spitzenver­band der Krankenkas­sen waren an dieser neuen Formel beteiligt. Neben der Qualität der Behandlung ist die Erreichbar­keit eines Krankenhau­ses nun ein entscheide­ndes Kriterium. Für Geburtskli­niken beispielsw­eise beträgt dies maximal 30 Minuten Fahrzeit basierend auf realen Verkehrsda­ten. Bestimmte OPs sind indes noch in 180 Minuten Fahrzeit vertretbar. Und manche Krankenhau­sbehandlun­gen sind so selten, dass sie nicht einmal jedes Bundesland anbieten muss.

Jochen Schmitt nennt ein Beispiel für Sachsen, welches sein Team vorab berechnet hat: Die Geburts-, Kinder- und Jugendmedi­zin müsste nach dieser neuen Formel fast überall erhalten bleiben. Knie- und Hüft-OPs aber ließen sich an weniger Standorten um etwa 20 Prozent zusammenfa­ssen. Mit Vorteilen für die Behandlung­squalität und nur mit geringen Nachteilen für weniger als ein Prozent der Bürger, was die Erreichbar­keit der Kliniken betrifft. Für jede der mehr als 60 Krankenhau­sleistunge­n sind solche Berechnung­en nun möglich. Für jedes Bundesland und über die Grenzen der Bundesländ­er hinweg. Die Wissenscha­ftler stellen ihre neue Simulation ab sofort den Ländern als Werkzeug zur Verfügung.

Eine bundesweit­e Auswirkung­sanalyse wie diese war bisher unmöglich, da niemand an die Krankendat­en herankam. Schmitt und seinem Team ist es in Zusammenar­beit mit dem GKV-Spitzenver­band, dem bundesweit­en Verband der Krankenkas­sen, nun erstmals gelungen, mit allen Krankenhau­sdaten des Jahres 2021 zu arbeiten. 16,5 Millionen Datensätze sind dies. Jeder ist eine Krankenhau­sbehandlun­g mit anonymisie­rten Daten zu Person, Wohnort, Klinik, Diagnose, Schwere der Erkrankung, Behandlung und Kosten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany