Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)

„Ein solches Verhalten der CDU wird Folgen haben“

Wolfram Günther (Grüne) zum Bruch des Koalitions­vertrages und den hohen Hürden für ein neues Regierungs­bündnis.

- Das Gespräch führte Gunnar Saft.

Herr Günther, Ihr Regierungs­partner CDU hat jetzt im Landtag ein mit den Grünen fest vereinbart­es Projekt gekippt: das Agrarstruk­turgesetz. Das ist doch ein offener Koalitions­bruch?

Das ist ein klarer Bruch des Koalitions­vertrages. Das Gesetz ist im Vertrag vereinbart, es ist in Dutzenden Runden verhandelt, zweimal im Kabinett beschlosse­n und danach weiter verhandelt worden. Jedes Komma wurde abgewogen, gemeinsam mit den Verbänden. Eine Zeit lang gab es sogar einen gemeinsame­n Willen der Koalition, denn es gibt ein reales Problem: Finanzinve­storen und Lebensmitt­elkonzerne kaufen den Landwirten zu Mondpreise­n den Acker weg. Die CDU lässt das Gesetz jetzt auf der Zielgerade­n scheitern. Sie verhindert, dass wir den Ausverkauf der Landwirtsc­haft stoppen.

Wie werden die Grünen auf diesen Bruch des Koalitions­vertrages reagieren. Noch ist bis zur nächsten Landtagswa­hl ja noch Zeit, und sie regieren vorerst mit der CDU weiter?

Wir werden auf diesen Bruch des Koalitions­vertrags nicht mit einem Koalitions­bruch reagieren. Wir bleiben vertragstr­eu. Im Gegensatz zur CDU sind wir nämlich davon überzeugt, dass ein Land nicht mehr regierbar ist, wenn man sich in einer Koalition nicht mehr an die vereinbart­en Regeln hält. Diese schleichen­de Demokratie­zerstörung werden wir nicht mitmachen.

Sind die Grünen in der Sachsen-Koalition aber auch nicht zu schwach, um sich bei einem solchen wichtigen Punkt noch gegen die CDU durchzuset­zen?

Wenn in einer Koalition drei Partner zustimmen müssen – zum aktuellen Regierungs­bündnis gehört ja auch die SPD –, kommt es nicht auf die Größe an. Alle drei (50) ist seit dem Eintritt der Grünen in Sachsens Koalitions­regierung 2019 Vize-Regierungs­chef sowie Minister für Landwirtsc­haft und Umwelt. werden für eine Mehrheit gebraucht und alle drei haben sich an die Regeln und an einmal Vereinbart­es zu halten. Schwach ist der, der Vereinbaru­ngen und Regeln bricht. Die CDU schließt einen Koalitions­vertrag, erklärt den Menschen im Land, dafür stehen wir, und macht am Ende etwas ganz anderes. Das schadet nicht uns, das schadet dem Vertrauen in die Demokratie.

Am Kabinettst­isch hatten Sie sich mit CDU-Ministerpr­äsident Michael Kretschmer bereits geeinigt, gekippt hat das Gesetz jetzt die CDU-Fraktion im Landtag. Hat sich bei den Christdemo­kraten das innere Machtverhä­ltnis verschoben?

Da legen Sie den Finger in eine sehr offenkundi­ge Wunde. Tatsächlic­h ist es mittlerwei­le so, dass man aus der CDU heute keine intern abgestimmt­e Haltung mehr bekommt. Im Wahlkampf hatte der Ministerpr­äsident beispielsw­eise mehr Bürgerbete­iligung und einen Volkseinwa­nd gefordert, jetzt sagt die CDU-Fraktion im Landtag dazu einfach nein. Das Gleiche trifft auf angekündig­te Verfassung­sänderunge­n zu, für den Klimaschut­z etwa oder den notwendige­n Umbau unserer Schuldenbr­emse. Nichts davon kommt. Man weiß heutzutage einfach nicht mehr, woran man ist bei dieser CDU. Das muss man nicht nur als Koalitions­partner, sondern auch als Bürger zur Kenntnis nehmen.

Noch stehen gut vier Monate gemeinsame Regierungs­zeit an. Kann die Koalition so weitermach­en oder wäre es besser, schon jetzt zu sagen, wir hören auf, zusammen politisch zu handeln?

Wenn eine Regierung in einem Wahljahr ihre Geschäfte aussetzen würde, würden die Probleme in unserem Land nicht kleiner, sondern größer werden. Das wäre ein Versagen der Demokratie. Wenn jetzt ein Koalitions­partner ausschert, ist das hochgefähr­lich. Sachsens CDU macht schon seit der letzten Bundestags­wahl Komplett-Opposition zum Bund. Jetzt ist sie bei Opposition gegen die eigenen Koalitions­partner angekommen. Dazu die ständige Schwarzmal­erei und die Horrorszen­arien über die Zustände in Deutschlan­d. Das beschädigt das Grundvertr­auen in die Demokratie. Ein solches Verhalten der sächsische­n Christdemo­kraten ist nicht stark. Es wird dem Anspruch einer Regierungs­partei nicht gerecht.

Die Sachsen-CDU als Wortbreche­r und Schlechtre­dner? Wie groß ist die Gefahr, dass ihre Parteimitg­lieder nach der Landtagswa­hl mögliche neue Koalitions­gespräche mit der CDU ablehnen?

Es gibt eine neue Situation. Bisher stand die CDU für Vertragstr­eue. Die CDU war einmal absprachef­est. Das war mal die DNA dieser Partei. Und das war das Fundament, auf dem wir bisher zusammenge­arbeitet haben. Dieses Fundament ist jetzt nicht mehr vorhanden.

Und das bedeutet?

Zunächst entscheide­n am 1. September die Wählerinne­n und Wähler. Dazu haben wir

Bündnisgrü­ne eine ganz klare Haltung: Wir stehen in diesem Land bereit, Verantwort­ung zu übernehmen. Die Probleme in Sachsen werden doch nicht einfacher. Deshalb wird ein solches Verhalten der CDU Folgen haben, sollten wir nach der Wahl wieder über einen gemeinsame­n Koalitions­vertrag verhandeln. Die Zweifel, dass man sich dann auf Vereinbaru­ngen nicht mehr verlassen kann, sind jetzt da. Und eigentlich fährt die Politik mit Koppelgesc­häften, bei denen man Dinge verknüpft, die nichts miteinande­r zu tun haben, nicht besonders gut. Doch durch das Verhalten der CDU sehe ich für die Zukunft genau dieses Risiko. Das macht das Regieren aber nicht einfacher und weniger sachgemäße­r. Wenn also die CDU nicht zu einer neuen Handschlag­festigkeit und Vertragstr­eue kommt, könnte eine neue Koalition so aussehen, dass immer wieder nur einzelne Pakete neu zusammenge­schnürt werden. Das ist nicht im Sinne der Demokratie und der Lösung der Probleme. Möglicherw­eise wird es aber das einzige Instrument sein, um überhaupt noch zusammenzu­arbeiten.

Der politische Preis für eine Neuauflage der Zusammenar­beit von Grünen und CDU ist also gerade deutlich gestiegen?

Gut funktionie­rende Koalitione­n leben davon, sich Dinge gegenseiti­g zu gönnen, damit die einzelnen Parteien mit ihren politische­n Kernprogra­mm auch liefern können. Wenn das aber nicht mehr möglich ist, steigt der politische Preis, weil eben Dinge wie angesproch­en miteinande­r verkoppelt werden. Ich halte das nicht für gut, es ist aber das, wohin die CDU gerade manövriert. Am Ende heißt das, auch die Möglichkei­ten einer CDU würden mit einer solchen Koalition deutlich geringer.

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Foto: dpa Wolfram Günther

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