Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)
Beziehung ohnr Status
Sprache verändert sich gerade rasant. Neue Vokabeln kommen hinzu, alte verschwinden. Was ist mit fadest?
Kürzlich hörte ich einen Song der Schauspielerin und Sängerin Paula Hartmann. Da heißt es: „Du fadest ein, du fadest aus“. Ich gestehe, dass das Wort „fadest“bisher nicht über meine Lippen kam. Das Lied der Berlinerin heißt „Crossfades“, was ins Deutsche übersetzt Überblendung heißt. Ich kenne es als Effekt aus der Videoproduktion, es ist ein Übergang, eine Kreuzblende. Fading meint das Aus- und Einblenden von Musik und Bildern.
Bei „fadest“ist der Einfluss des Englischen auf das Deutsche deutlich spürbar. Doch oft geht das Eindeutschen schief. Begriffe wie beispielsweise „du timest, er downloadet, wir brainstormen, sie outsourcen“stehen allesamt im „Wörterbuch der überflüssigen Anglizismen“. Darin werden die Vokabeln zumeist nicht einfach übersetzt, sondern mehrfach umschrieben.
Beim Verb „to fade“ist das ausführlich nötig. Verblassen fasst es nur bedingt, es bedeutet im Zusammenhang mit einer Beziehung auch verschwinden. „Du fadest ein“heißt frei interpretiert: „du gleitest rein“in die Beziehung, „du fadest aus“demzufolge „du gleitest raus“. Die Partnerschaft schwankt, mal sind beide dabei, mal nicht und keiner weiß es so genau. In einer nächsten Strophe beschreibt die Sängerin das Verhältnis zu ihrem Typen als On-OffGame, was nicht einfach ein Spiel ist, sondern eine Herausforderung, ein Prozess, mal an, mal aus. Das ist eine Beziehung ohne Status. Sie lässt ihn gehen, weil sie weiß, dass er nicht geht und umgekehrt. Sie sitzen auf Regenwolke sieben. So schön kompliziert können Gefühle füreinander sein.
Sich nicht festzulegen, beschreibt den gegenwärtigen Zustand zunehmend ungenauer Haltung. Verbindungen hängen am seidenen Faden. Der Kabarettist Werner Finck reimte in den 1930er-Jahren: „Am seidnen Faden hing ein Schwert, sich auf mein Haupt zu laden. Glaubt ihr, dass mich das Schwert gestört? Nein, nein – mich schreckte nur der Faden.“Die meisten wissen, dass es Dionys war, der über Damokles das Schwert am dürren Faden aufhängen ließ. Damit wollte er seinem Höfling aufzeigen, welche Gefahren mit einer mächtigen Position verbunden sind. Als Damokles beim Essen nach oben schaute und das Schwert entdeckte, räumte er aus Angst sofort den Platz. Ein Faden-Gleichnis zum denglischen „Du fadest ein, du fadest aus“. Es bleiben immer Fragen. Das ist nicht neu.
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