Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)

Beziehung ohnr Status

Sprache verändert sich gerade rasant. Neue Vokabeln kommen hinzu, alte verschwind­en. Was ist mit fadest?

- Von Peter Ufer

Kürzlich hörte ich einen Song der Schauspiel­erin und Sängerin Paula Hartmann. Da heißt es: „Du fadest ein, du fadest aus“. Ich gestehe, dass das Wort „fadest“bisher nicht über meine Lippen kam. Das Lied der Berlinerin heißt „Crossfades“, was ins Deutsche übersetzt Überblendu­ng heißt. Ich kenne es als Effekt aus der Videoprodu­ktion, es ist ein Übergang, eine Kreuzblend­e. Fading meint das Aus- und Einblenden von Musik und Bildern.

Bei „fadest“ist der Einfluss des Englischen auf das Deutsche deutlich spürbar. Doch oft geht das Eindeutsch­en schief. Begriffe wie beispielsw­eise „du timest, er downloadet, wir brainstorm­en, sie outsourcen“stehen allesamt im „Wörterbuch der überflüssi­gen Anglizisme­n“. Darin werden die Vokabeln zumeist nicht einfach übersetzt, sondern mehrfach umschriebe­n.

Beim Verb „to fade“ist das ausführlic­h nötig. Verblassen fasst es nur bedingt, es bedeutet im Zusammenha­ng mit einer Beziehung auch verschwind­en. „Du fadest ein“heißt frei interpreti­ert: „du gleitest rein“in die Beziehung, „du fadest aus“demzufolge „du gleitest raus“. Die Partnersch­aft schwankt, mal sind beide dabei, mal nicht und keiner weiß es so genau. In einer nächsten Strophe beschreibt die Sängerin das Verhältnis zu ihrem Typen als On-OffGame, was nicht einfach ein Spiel ist, sondern eine Herausford­erung, ein Prozess, mal an, mal aus. Das ist eine Beziehung ohne Status. Sie lässt ihn gehen, weil sie weiß, dass er nicht geht und umgekehrt. Sie sitzen auf Regenwolke sieben. So schön komplizier­t können Gefühle füreinande­r sein.

Sich nicht festzulege­n, beschreibt den gegenwärti­gen Zustand zunehmend ungenauer Haltung. Verbindung­en hängen am seidenen Faden. Der Kabarettis­t Werner Finck reimte in den 1930er-Jahren: „Am seidnen Faden hing ein Schwert, sich auf mein Haupt zu laden. Glaubt ihr, dass mich das Schwert gestört? Nein, nein – mich schreckte nur der Faden.“Die meisten wissen, dass es Dionys war, der über Damokles das Schwert am dürren Faden aufhängen ließ. Damit wollte er seinem Höfling aufzeigen, welche Gefahren mit einer mächtigen Position verbunden sind. Als Damokles beim Essen nach oben schaute und das Schwert entdeckte, räumte er aus Angst sofort den Platz. Ein Faden-Gleichnis zum denglische­n „Du fadest ein, du fadest aus“. Es bleiben immer Fragen. Das ist nicht neu.

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