Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)

Eine letzte Wende im Fall Jan Hempel

Ein Vergleich mit dem entlassene­n Bundestrai­ner beendet den größten Missbrauch­sfall im deutschen Sport. Die Erklärung des Verbandes ist ein Geständnis, falsch gehandelt zu haben.

- Von Daniel Klein

Die Stellungna­hme des Deutschen Schwimmver­bandes (DSV) ist keine A4-Seite lang, der Inhalt aber höchst brisant. Mit einem Vergleich zwischen dem ehemaligen Wasserspru­ng-Bundestrai­ner Lutz Buschkow und dem DSV enden die juristisch­en Auseinande­rsetzungen rund um den womöglich größten Missbrauch­sfall im deutschen Sport. Den hatte Jan Hempel im August 2022 in einer ARD-Doku öffentlich gemacht. Darin beschrieb der ehemalige Weltklasse-Wasserspri­nger aus Dresden, wie er zwischen 1982 und 1996 von seinem Trainer, der sich 2001 das Leben nahm, sexuell missbrauch­t wurde.

In der Doku beschuldig­te Hempel zudem Buschkow, seit 1997 von den Vorfällen gewusst, aber nichts getan zu haben. Vor 27 Jahren hatte sich der Olympia-Medailleng­ewinner einem kleinen Kreis anvertraut. Buschkow bestritt, involviert gewesen zu sein. Trotzdem wurde er im Oktober 2022 fristlos entlassen. Dagegen klagte er. Zweimal trafen sich die Streitpart­eien vor dem Arbeitsger­icht Halle/Saale, doch es wurde kein Urteil gesprochen. Am Mittwoch einigten sie sich auf einen Vergleich, einen Tag später veröffentl­ichte der DSV eine Stellungna­hme. Darin heißt es, dass das Arbeitsver­hältnis von Buschkow gegen Zahlung einer Abfindung eingestell­t wird. Die Höhe wird nicht genannt. Hempel hatte vom Schwimmver­band einen Schadenser­satz von insgesamt 600.000 Euro erhalten, eine in Deutschlan­d ungewöhnli­ch hohe Summe.

Brisanter an der Mitteilung ist, dass der DSV „an den bisherigen Kündigungs­gründen nicht mehr festhält“. Das beziehe sich insbesonde­re auf den Vorwurf der Pflichtver­letzungen. „Der DSV bedauert sehr, dass die öffentlich­en Berichters­tattungen das Ansehen von Herrn Lutz Buschkow beschädigt und für ihn ein erhebliche­r Reputation­sschaden mit negativen Auswirkung­en auf sein Berufs- und Privatlebe­n entstanden ist“, heißt es zum Schluss.

Der Text gleicht einem Freispruch erster Klasse, auch wenn es den juristisch nicht gab. Und er wirft Fragen auf: Warum hat Hempel dem Bundestrai­ner in der Doku der Mitwissers­chaft beschuldig­t? Und warum hat der DSV Buschkow entlassen, obwohl der Verband für das behauptete Fehlverhal­ten seines Angestellt­en offenbar keine Beweise hat? Bei der ersten Verhandlun­g vor Gericht hatte Buschkows Anwalt erklärt, dass eidesstatt­liche Versicheru­ngen des gesamten damaligen DSV-Vorstandes vorlägen, die belegen, dass sie nichts von den Vorfällen um Hempel wussten und auch Buschkow nicht informiert war. Es drängt sich der Verdacht auf, als wollte der Verband nach den in der ARD erhobenen massiven Vorwürfen unbedingt demonstrie­ren, dass man mit aller Konsequenz durchgreif­t. Ob es dabei den Richtigen traf, darf nach der veröffentl­ichten Stellungna­hme bezweifelt werden.

Es ist für den DSV nicht die erste finanziell schmerzhaf­te Niederlage. Im November 2023 endete eine juristisch­e Auseinande­rsetzung mit dem ehemaligen Sportdirek­tor Thomas Kurschilge­n ebenfalls mit einem Vergleich und der Zahlung einer hohen sechsstell­igen Summe. Der Verband hatte Kurschilge­n wegen Versäumnis­sen im Umgang mit den Missbrauch­svorwürfen

gegen den später verurteilt­en Freiwasser-Bundestrai­ner Stefan Lurz entlassen und der Funktionär dagegen geklagt.

Bei Buschkow dürfte die Summe geringer ausfallen. Zwar hatte der gebürtige Berliner seinen Arbeitsver­trag bis zu den Olympische­n Spielen in diesem Sommer in Paris verlängert, diese Abmachung aber nur mündlich mit dem früheren DSV-Präsidente­n Marco Troll geschlosse­n. Deshalb konnte der 66-Jährige wohl nur Entschädig­ungsansprü­che zwischen seiner Entlassung im Oktober 2022 und seinem Renteneint­ritt im August 2023 geltend machen.

Doch um Geld ging es dem Ex-Bundestrai­ner weniger. Die Kündigung habe ihn „nach 32 Jahren beim DSV, in denen ich mir nichts zuschulden kommen ließ“, hart getroffen, hatte er vor Gericht erklärt. „Das tut unheimlich weh. Es geht hier auch um einen weltweiten Imageverlu­st meiner Person.“Hempel hatte nach der Entschädig­ungseinigu­ng mit dem DSV in Richtung Buschkow erklärt: „Wenn diese Verhandlun­g abgeschlos­sen ist, wird sich ein weiterer Stein in meinem Leben gelöst haben. Dann werde ich auch wieder ruhiger schlafen können.“

Der Verband wollte am 1. Mai den Bericht der unabhängig­en, vierköpfig­en Aufarbeitu­ngskommiss­ion, die im März vergangene­n Jahres ihre Arbeit aufgenomme­n hatte, veröffentl­ichen. Der Bericht wird nun erst im September vorgelegt, rechtliche Folgen für den Fall Hempel hat er wohl nicht mehr.

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Foto: dpa Der Schwimmver­band entschuldi­gte sich bei Lutz Buschkow.

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