Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)
Eine letzte Wende im Fall Jan Hempel
Ein Vergleich mit dem entlassenen Bundestrainer beendet den größten Missbrauchsfall im deutschen Sport. Die Erklärung des Verbandes ist ein Geständnis, falsch gehandelt zu haben.
Die Stellungnahme des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) ist keine A4-Seite lang, der Inhalt aber höchst brisant. Mit einem Vergleich zwischen dem ehemaligen Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow und dem DSV enden die juristischen Auseinandersetzungen rund um den womöglich größten Missbrauchsfall im deutschen Sport. Den hatte Jan Hempel im August 2022 in einer ARD-Doku öffentlich gemacht. Darin beschrieb der ehemalige Weltklasse-Wasserspringer aus Dresden, wie er zwischen 1982 und 1996 von seinem Trainer, der sich 2001 das Leben nahm, sexuell missbraucht wurde.
In der Doku beschuldigte Hempel zudem Buschkow, seit 1997 von den Vorfällen gewusst, aber nichts getan zu haben. Vor 27 Jahren hatte sich der Olympia-Medaillengewinner einem kleinen Kreis anvertraut. Buschkow bestritt, involviert gewesen zu sein. Trotzdem wurde er im Oktober 2022 fristlos entlassen. Dagegen klagte er. Zweimal trafen sich die Streitparteien vor dem Arbeitsgericht Halle/Saale, doch es wurde kein Urteil gesprochen. Am Mittwoch einigten sie sich auf einen Vergleich, einen Tag später veröffentlichte der DSV eine Stellungnahme. Darin heißt es, dass das Arbeitsverhältnis von Buschkow gegen Zahlung einer Abfindung eingestellt wird. Die Höhe wird nicht genannt. Hempel hatte vom Schwimmverband einen Schadensersatz von insgesamt 600.000 Euro erhalten, eine in Deutschland ungewöhnlich hohe Summe.
Brisanter an der Mitteilung ist, dass der DSV „an den bisherigen Kündigungsgründen nicht mehr festhält“. Das beziehe sich insbesondere auf den Vorwurf der Pflichtverletzungen. „Der DSV bedauert sehr, dass die öffentlichen Berichterstattungen das Ansehen von Herrn Lutz Buschkow beschädigt und für ihn ein erheblicher Reputationsschaden mit negativen Auswirkungen auf sein Berufs- und Privatleben entstanden ist“, heißt es zum Schluss.
Der Text gleicht einem Freispruch erster Klasse, auch wenn es den juristisch nicht gab. Und er wirft Fragen auf: Warum hat Hempel dem Bundestrainer in der Doku der Mitwisserschaft beschuldigt? Und warum hat der DSV Buschkow entlassen, obwohl der Verband für das behauptete Fehlverhalten seines Angestellten offenbar keine Beweise hat? Bei der ersten Verhandlung vor Gericht hatte Buschkows Anwalt erklärt, dass eidesstattliche Versicherungen des gesamten damaligen DSV-Vorstandes vorlägen, die belegen, dass sie nichts von den Vorfällen um Hempel wussten und auch Buschkow nicht informiert war. Es drängt sich der Verdacht auf, als wollte der Verband nach den in der ARD erhobenen massiven Vorwürfen unbedingt demonstrieren, dass man mit aller Konsequenz durchgreift. Ob es dabei den Richtigen traf, darf nach der veröffentlichten Stellungnahme bezweifelt werden.
Es ist für den DSV nicht die erste finanziell schmerzhafte Niederlage. Im November 2023 endete eine juristische Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Sportdirektor Thomas Kurschilgen ebenfalls mit einem Vergleich und der Zahlung einer hohen sechsstelligen Summe. Der Verband hatte Kurschilgen wegen Versäumnissen im Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen
gegen den später verurteilten Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz entlassen und der Funktionär dagegen geklagt.
Bei Buschkow dürfte die Summe geringer ausfallen. Zwar hatte der gebürtige Berliner seinen Arbeitsvertrag bis zu den Olympischen Spielen in diesem Sommer in Paris verlängert, diese Abmachung aber nur mündlich mit dem früheren DSV-Präsidenten Marco Troll geschlossen. Deshalb konnte der 66-Jährige wohl nur Entschädigungsansprüche zwischen seiner Entlassung im Oktober 2022 und seinem Renteneintritt im August 2023 geltend machen.
Doch um Geld ging es dem Ex-Bundestrainer weniger. Die Kündigung habe ihn „nach 32 Jahren beim DSV, in denen ich mir nichts zuschulden kommen ließ“, hart getroffen, hatte er vor Gericht erklärt. „Das tut unheimlich weh. Es geht hier auch um einen weltweiten Imageverlust meiner Person.“Hempel hatte nach der Entschädigungseinigung mit dem DSV in Richtung Buschkow erklärt: „Wenn diese Verhandlung abgeschlossen ist, wird sich ein weiterer Stein in meinem Leben gelöst haben. Dann werde ich auch wieder ruhiger schlafen können.“
Der Verband wollte am 1. Mai den Bericht der unabhängigen, vierköpfigen Aufarbeitungskommission, die im März vergangenen Jahres ihre Arbeit aufgenommen hatte, veröffentlichen. Der Bericht wird nun erst im September vorgelegt, rechtliche Folgen für den Fall Hempel hat er wohl nicht mehr.