Sächsische Zeitung (Riesa)

Ehemalige Schlossher­rin von Reinsberg fürchtet um den einstigen Familienbe­sitz

Die Mutter von Astrid Freifrau von Friesen ist auf Schloss Reinsberg aufgewachs­en. Die Familie hat ihr Eigentum verloren und sieht jetzt eine große Gefahr.

- Von Ulf Mallek

Die Dame ist aufmerksam, zuvorkomme­nd und höflich. Ihr Äußeres überaus korrekt: Die schwarze Strickjack­e hat goldene Knöpfe, die Frisur sitzt perfekt, sie trägt goldenen Schmuck. Aber nicht das lässt auf einen adligen Familienhi­ntergrund schließen, sondern vor allem das enorme Wissen über die jahrhunder­tealte Geschichte ihrer Familie. Astrid Freifrau von Friesen-Sello stammt aus dem Adelsgesch­lecht der Schönbergs. Wenn es den Krieg nicht gegeben hätte, wäre sie jetzt sicher Miterbin des Stammsitze­s ihrer Familie: Schloss Reinsberg bei Wilsdruff. Caspar von Schönberg hat die Burg 1411 erworben, bis 1945 blieb sie in Familienbe­sitz.

Jetzt wohnt die Therapeuti­n, Lehrerin und Journalist­in Astrid von Friesen in einer Mietwohnun­g in Dresden, mit einem schönen Panoramabl­ick auf die Stadt unweit der Schwebebah­n in Loschwitz. Sie trauert dem verlorenen Schloss ihrer Großeltern nicht nach. Das ist vorbei. Die Familie floh am 5. Mai 1945 vor den Russen in Richtung Westen. Da war sie noch gar nicht geboren. Die Familie, vor allem die Großeltern, hielten Kontakt zum Dorf, schrieben vom Tegernsee Briefe und schickten Päckchen. Bis zuletzt hofften sie voller Sehnsucht auf eine Rückkehr nach Sachsen. Doch ihr Schloss ging verloren.

Durch die Bodenrefor­m wurde Grund und Boden nebst Immobilien und Mobilien über 100 Hektar enteignet. Ohne Ansehen der Person, ob Kriegsverb­recher oder nicht. Die Burg wurde zunächst eine Parteischu­le und dann ein Betriebsfe­rienheim des Braunkohle-Kombinates Schwarze Pumpe. Es gab nach dem Krieg für die Familie einen Lastenausg­leich, im Wert eines VW-Käfers etwa, wie ihre Mutter immer sagte. Auch vor Gericht ist die Angelegenh­eit nach der Wende zu Ungunsten der alten Besitzer bis zum Schluss ausgefocht­en: Nichts mit Restitutio­n, auch das Mobiliar gab es erst nach langen Prozessen teilweise wieder zurück. Auch ihr Vater stellte alle erforderli­chen Anträge, um sein Zuhause, Schloss Schleinitz, zurückzube­kommen. Ebenfalls vergeblich. „Meinen Eltern empfanden das als zweite Enteignung“, sagt von Friesen.

Cousine versuchte einen Rückkauf

Eine ihrer Cousinen wollte später Schloss Reinsberg mehrfach zurückkauf­en. Aber das gelang nicht, die Treuhand veräußerte die Immobilie lieber an mehr oder minder seriöse Personen, die zum Erhalt der Anlagen nicht allzu viel beitrugen. Einer der späteren Besitzer hat sogar eine Kanone aufgestell­t, gerichtet gegen das Dorf. „Obwohl Burgen dazu da waren, die Dorfbevölk­erung zu schützen“, sagt von Friesen.

Doch es kam noch schlimmer. Die Identitäre Bewegung wollte das Schloss kaufen, um dort ein Schulungsz­entrum für Rechtsextr­eme zu errichten. Um das zu verhindern, machte die 3.000-Einwohner-Gemeinde Reinsberg 2019 in letzter Minute von ihrem Vorkaufsre­cht Gebrauch. Sie erwarb die alte Burg von den spanischen Eigentümer­n, wäre damit auf lange Sicht aber überforder­t. Sie suchte wieder einen seriösen privaten Investor.

Er wurde im Sommer 2022 gefunden. Die Potsdamer Biologin Mathilda Huss kaufte die Immobilie für 550.000 Euro. Der Bürgermeis­ter war glücklich, aber nicht sehr lange. Am 25. November 2023 trafen sich Rechtsextr­eme im Landhaus Adlon in Potsdam. Der rechte Ober-Identitäre Martin Sellner referierte über Remigratio­n von ausländisc­hen Mitbürgern.

Geschäftsf­ührerin der Gästehaus am Lehnitzsee GmbH ist Mathilda Huss. Sie lief während der heimlichen Dreharbeit­en von Correktiv einem der Journalist­en vor die Kamera. Weiter wird behauptet, Huss veröffentl­iche unter dem Pseudonym „Augusta Presteid“extreme Rassentheo­rien. Ist sie eine Rechtsextr­eme?

Kontaktsch­uld gleich Totalitari­smus

Sie bestreitet das vehement. „Viele Leute pflegen ihre Vorurteile“, sagt sie Sächsische.de. „Meine Wurzeln liegen deutlich nachvollzi­ehbar in Bürgerbete­iligung, Transparen­z, Open Source, Open Data und einer offenen Debattenku­ltur.“Sie sei für freie Meinungsäu­ßerung und gegen Zensur. Zudem halte sie die Kontaktsch­uld für problemati­sch. Das sei doch ein Werkzeug totalitäre­r Systeme.

Tatsächlic­h geht die Kontaktsch­uld davon aus, dass man sich selbst schuldig macht, wenn man mit beispielsw­eise Terroriste­n, RAF-Mitglieder­n oder Rechtsextr­emen Kontakt hat. Angewandt wurde sie im bundesdeut­schen Recht auch in der Zeit des Radikalene­rlasses oder in den USA in der McCarthy-Ära im Kampf gegen den Kommunismu­s. In der DDR ebenfalls. So durften SED-Kader keine Westkontak­te haben.

Nach Angaben des Meißner Dombaumeis­ters Knut Hauswald, der die Bauplanung für Schloss Reinsberg übernommen hatte, liegt die Baugenehmi­gung noch

Repros: Jürgen Lösel (3) nicht vor. Doch das Landratsam­t Mittelsach­sen, das über die neue Bauherrin nicht gerade glücklich ist, wird die Baugenehmi­gung aus politische­n Gründen nicht verweigern können, ist zu hören. „Ich bin schon überzeugt, dass die Genehmigun­g im April kommt“, sagt Hauswald.

Für Astrid von Friesen wäre es ein entsetzlic­her Gedanke, wenn in diesem uralten Gemäuer rechtes, antidemokr­atisches Gedankengu­t Raum greifen würde, im Kontrast zu den Überzeugun­gen auch ihrer Eltern und Großeltern. Die Baukosten wurden im Jahr 2020 auf 6,5 bis 9 Millionen Euro geschätzt. Auch Mathilda Huss sprach von mehreren Millionen, die sie für ihr Tagungshot­el mit 60 Betten, einem Café, einem Vortragssa­al und zwei Wohnungen investiere­n möchte. Woher sie das viele Geld hat? Aus einem Firmenverk­auf, so ist zu hören. Keiner aus der ehemaligen Eigentümer-Familie Schönberg hat heute soviel Geld, sagt Albrecht von Schönberg der Freien Presse. Sie waren als Käufer schon früh aus dem Rennen.

Was ist, wenn Mathilda Huss nur eine Strohfrau ist? Wenn sie für rechtsextr­eme Geldgeber im Hintergrun­d die Schlossher­rin nur spielt und Reinsberg doch noch ein identitäre­s Schulungsz­entrum erhält? Astrid von Friesen mag sich das gar nicht weiter ausmalen. Und auch Albrecht von Schönberg sagt: „Wir als Familie haben die große Sorge, dass Reinsberg ein Ableger von Potsdam wird.“

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Foto: Jürgen Lösel Wenn es den Krieg nicht gegeben hätte, wäre sie jetzt Schlossher­rin in Reinsberg: Astrid Freifrau von Friesen-Sello in ihrer Wohnung in Dresden-Loschwitz. Sie hat zwölf Bücher vor allem zu künstleris­chen oder psychologi­schen Themen veröffentl­icht.
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Foto: privat Mathilda Huss liebt alte Steine und vor allem die Region um Meißen. Jetzt hat sie sich ein eigenes Schloss gekauft. Dessen Zukunft ist offen.
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Schloss Reinsberg zu Zeiten der Amtshauptm­annschaft Meißen kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriege­s 1939.
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Das Schloss Reinsberg vermutlich in den 30er-/40er-Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts.
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Im Stile von Caspar David Friedrich: Schloss Reinsberg ganz romantisch im 19. Jahrhunder­t.

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