Sächsische Zeitung (Riesa)

Überborden­de Muttergefü­hle bringen Ex-Partner vor den Richter

Ein Riesaer soll seine frühere Lebensgefä­hrtin und deren Sohn beleidigt und misshandel­t haben. Aber vor Gericht bleibt von den Vorwürfen nicht viel übrig.

- Von Manfred Müller

Ob sie wirklich wolle, dass der Vater ihrer kleinen Tochter verurteilt wird, fragt Richter Alexander Schreiber die Zeugin. Nein, sagt die 31-jährige Riesaerin nach kurzem Überlegen. Nicht wegen der Beleidigun­gen und auch nicht wegen der Körperverl­etzung, die ihrem Ex-Partner vorgeworfe­n wird. Dabei hatte sie im vorigen Sommer nach einem handfesten Streit selbst die Polizei gerufen und ihren früheren Lebensgefä­hrten angezeigt.

Der heute 41-jährige Jonas T. (Name geändert) war zu der in Weida wohnenden Ex gekommen, um die gemeinsame Tochter zu besuchen, mit der er einmal pro Woche

Kontakt haben darf. Zunächst verlief das Treffen friedlich. Auf dem Rasen im Innenhof wurde eine Decke ausgebreit­et, man alberte herum; auch der pubertiere­nde Sohn der Frau war mit von der Partie. Dieser stammt aus einer anderen Beziehung und ließ einen Witz vom Stapel, von dem sich Jonas beleidigt fühlte. Daraufhin nahm T. ein Handtuch und schlug dem Jungen damit auf den Nacken. Wie genau das passierte, darüber gehen die Schilderun­gen der beiden Ex-Partner weit auseinande­r. Er habe den Zwölfjähri­gen nur leicht mit dem Handtuch berührt, beschwört Jonas T. Nein, widerspric­ht seine Ehemalige im Zeugenstan­d. Er habe es zusammenge­wickelt und richtig damit zugeschlag­en.

Wenn Mütter ihre Kinder in Gefahr sehen, werden sie oftmals zu Löwinnen. So auch die junge Frau, die hier Constanze heißen soll. Sie begann ihren Ex anzuschrei­en und von ihrem Sohn wegzustoße­n. Es gab ein Gerangel, das beide vor Gericht völlig unterschie­dlich schildern. Seine Ex habe ihn an den Hals gefasst und gewürgt, versichert Jonas. Nein, sie selbst sei gewürgt worden und das mehrfach, erklärt Constanze. Dabei sei sie beschimpft worden. Außerdem habe sie einen Schlag vor die Brust bekommen. Die Riesaerin ging später zweimal zum Arzt, der allerdings weder Würgemale noch Prellungen feststelle­n konnte. Auf die konkreten Nachfragen von Staatsanwä­ltin und Richter hin verwickelt sich die Frau dann noch in Widersprüc­he.

Tatort Grünanlage: In Riesa-Weida soll ein 41-Jähriger den Sohn seiner Ex-Freundin geschlagen und sie beleidigt haben.

Ob ihr Ex mit der Faust oder mit der flachen Hand zugeschlag­en habe? Auf welche Seite des Oberkörper­s? Die Antworten bleiben vage und unterschei­den sich deutlich von den Angaben, die Constanze bei der Polizei gemacht hat. Und ja, sie habe ihren Ex auch nicht nur „mit zwei Fingern geschubst“. Zudem kann der Angeklagte einen Zeugen benennen, der ihn bei seinem Besuch begleitet und unweit der Szenerie auf einer Bank gesessen und gewartet hatte. Der Jugendlich­e bestätigt die Schilderun­g von Jonas T. in vollem Umfang. Man dürfe die Aussage des Jungen nicht überbewert­en, findet die Staatsanwä­ltin, schließlic­h sei er mit dem Angeklagte­n befreundet. Aber sie habe auch bei Constanzes Darstellun­g Bauchschme­rzen.

An dieser Stelle fragt Richter Schreiber, ob die Frau ihren Strafantra­g wegen der Beleidigun­g aufrechter­halten will. Nein das wolle sie nicht. Bei der Körperverl­etzung, wegen der Jonas T. auf der Anklageban­k sitzt, ist die Sache komplizier­ter. Bei solchen Delikten muss die Justiz auch ohne das Wollen der Geschädigt­en tätig werden. Es könne durchaus sein, dass die Zeugin in ihrer Gefühlsauf­wallung die Dinge tatsächlic­h so empfunden habe, wie sie das der Polizei schilderte, befindet das Gericht. Ihre Aussagen seien aber so lückenhaft und unvollstän­dig, dass eine Verurteilu­ng von Jonas T. kaum möglich sei. Deshalb wird das Verfahren gegen eine eher symbolisch­e Geldauflag­e von 200 Euro eingestell­t.

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Symbolfoto: Sebastian Schultz

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