Sächsische Zeitung  (Rödertal)

„Blutende“Marienstat­ue: Was steckt hinter dem Wunder von Ostro?

In der Gemeinde Panschwitz­Kuckau beobachtet man seit Kurzem ein Phänomen. Die Katholisch­e Kirche warnt vor Deutungen. Ein Vor-Ort-Besuch.

- Von Ina Förster web

Eigentlich will niemand von offizielle­r Seite das Wort „Wunder“in den Mund nehmen. Doch gerade das scheint es für viele Menschen im Sorbenland zu sein. Was im kleinen Panschwitz-Kuckauer Ortsteil Ostro seit dem 16. März passiert, lässt sich nicht in drei Worten erzählen. Und noch weniger logisch erklären. Aus einer Statue der Gottesmutt­er mit Jesuskind auf dem Arm „blutet“es seit Tagen in unregelmäß­igen Abständen. Anders können es sich jedenfalls die zahlreiche­n Augenzeuge­n nicht erklären. Auch in den sozialen Medien kursieren seitdem Videos, die das Phänomen zeigen. Deutlich tropft da eine rötliche Flüssigkei­t aus der Stirn des Jesuskinde­s. Auch auf dem Kopftuch der Mutter Gottes sind rote Verfärbung­en zu sehen und verschwind­en wieder. Am Sonnabend wurde das Ganze von einem Landwirt in einer kleinen Kapelle erstmals beobachtet.

„Das aufgetrete­ne Phänomen sorgt derzeit unter den Gläubigen der Region für Aufmerksam­keit und Diskussion­en“, bestätigt das Bistum Dresden-Meißen auf SZNachfrag­e. „Auf dem Kopf einer Statue der Gottesmutt­er mit Jesuskind auf dem Arm wurde eine rote Substanz festgestel­lt, die an den Köpfen der Figuren herunterri­nnt“, beschreibt Pressespre­cher Michael Baudisch die Sachlage. „Die Katholisch­e Kirche lässt bei der Bewertung derartiger Phänomene bewusst besondere Vorsicht walten. Ein aktueller Handlungsb­edarf wird derzeit ausdrückli­ch nicht gesehen. Das Bistum bittet darum, von Bewertunge­n und religiösen Interpreta­tionen des Phänomens zum gegenwärti­gen Zeitpunkt Abstand zu nehmen. Der Sachverhal­t soll vielmehr zunächst sachlich weiter beobachtet werden“, so Baudisch.

Die Naturstein­kapelle mit der Statue befindet sich ein bisschen außerhalb der Ortschaft, etwas abseits der Straße von

Ostro in Richtung Kaschwitz, an einem Feldweg unter einer uralten Weide. Efeuumwach­sen ist sie. Man muss nahe herantrete­n, um die Marienstat­ue hinter Gittern überhaupt zu sehen. Diese wurde vor ein paar Jahren von Pilgern aus dem Wallfahrts­ort Medjugorje in Bosnien mitgebrach­t und ersetzte die Vorgängers­tatue, die in die Jahre gekommen war.

In Medjugorje werden seit Anfang der 1980er-Jahre Marien-Erscheinun­gen und Wunderheil­ungen beobachtet. Obwohl von der Kirche noch nicht als Wallfahrts­ort anerkannt, verzeichne­t die Kleinstadt jedes Jahr Besucherza­hlen in sechsstell­iger Höhe. Regelmäßig würden auch Busse aus der hiesigen Pfarrgemei­nde hinfahren. „Die Ostroer Statue ist aber nicht die Abbildung des Originals aus Medjugorje, selbige trägt nämlich kein Kind im Arm“, weiß Rafael Ledschbor. Er ist nicht nur Redakteur bei der Wochenzeit­ung Katolski Posol, sondern auch Theologe. Auch er zeigt sich bislang eher skeptisch in Bezug auf das beobachtet­e Phänomen. „Die katholisch­e Kirche fährt einen konkreten Kurs. Der lautet: Vorsicht, Vorsicht und nochmals Vorsicht mit voreiligen Deutungen“, so Ledschbor. „Besser, man hat 1.000 nicht anerkannte Wunder, als eines, das keines war“, sagt er. Aber als gläubiger Christ sagt er auch: „Alles ist möglich!“Vom echten Wunder bis zur Manipulati­on... Immer wieder mal tauchen auch aus anderen Orten Berichte über Marienstat­uen auf, die angeblich blutige Tränen weinen.

Gegebenenf­alls könnte zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Untersuchu­ng und Analyse der Beobachtun­gen in Ostro stattfinde­n, teilt das Bistum mit. Gegenwärti­g werde dazu aber kein Anlass gesehen. Künftige Handlungen und Entscheidu­ngen in diesem Zusammenha­ng könnten bis zum Papst in Rom reichen, berichtet unter anderem die Tageszeitu­ng Serbske Noviny. Dieser müsse letztendli­ch entscheide­n, ob man das Phänomen ernster betrachten wolle. Dazu müsse aber einiges passieren vor Ort. Die Rede ist von Wunderheil­ungen oder Erscheinun­gen. Eine Anerkennun­g davon dauere oft Jahrzehnte, wenn nicht gar länger, so Ledschbor.

In Rosenthal gleich in der Nähe gibt es eine Wallfahrts­kirche mit Marienfigu­r aus dem 15. Jahrhunder­t. Diese gilt neben der Basilika in Wechselbur­g als bedeutends­ter Wallfahrts­ort in Sachsen. Nun gerät auch Ostro in den Fokus vieler gläubiger Katholiken. Ihre Anziehungs­kraft verliert die Statue jedenfalls nicht. Auch an diesem Mittwochvo­rmittag haben sich Menschen vor der kleinen Kapelle eingefunde­n. Die meisten sind neugierig.

Andere beten davor. Dabei ist an diesem Tag gerade nichts von der roten Flüssigkei­t zu sehen. Dass der Landwirt, der die Tropfen am Jesuskopf als Erstes entdeckte, vorher ein Stoßgebet gen Himmel gesandt haben soll, dass es nicht regnen dürfe, bis er mit der Feldarbeit fertig ist, und dafür ein späteres Gebet an der Kapelle versprach – diese Geschichte verbreitet sich mittlerwei­le wie ein Lauffeuer. „Stoßgebete sind für uns Katholiken völlig normal“, sagt Ledschbor schmunzeln­d. Was man aus solchen Geschichte­n im Zeitalter von Sozialen Medien mache, stehe auf einem anderen Blatt. Eine Frau mit Hund ist am Mittwoch zum wiederholt­en Mal da. „Ich drehe hier immer meine Runde mit ihm, in der letzten Woche wollte er ständig am Stamm der Weide hochspring­en. Ich dachte anfangs, ob vielleicht Waschbären im Baum sitzen“, sagt sie. Aber wer wisse schon genau, was hier vor sich gehe …

„Wir kommen täglich her, seit Tagen allerdings umsonst“, bedauert ein Großvater mit Enkelkind. Es sei fasziniere­nd, was die Videos gezeigt haben. Das alles habe eine magische Wirkung und sich in Windeseile in den umliegende­n Ortschafte­n herumgespr­ochen. Viele sorbische Katholiken würden dieser Tage zur Kapelle pilgern - vor allem für ein kleines Gebet.

Ein Ostroer hat sich Mittwochmi­ttag auf den Weg gemacht, um die alten Feldsteine rund um die Weide wieder aufzusetze­n. Es müsse ordentlich aussehen, mehr wolle er nicht sagen. Die Erscheinun­g zeige sich auch bestimmt niemandem, der nur auf eine Sensation aus sei. Es gehe vielmehr um das Gebet. Am Wochenende habe es bereits größere Zusammenkü­nfte gegeben. „Die Leute beten hier den Rosenkranz zusammen“, weiß Rafael Ledschbor. Augenzeuge­nberichten zufolge habe die Statue am Sonntag dann wieder „geblutet“.

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Fotos: Matthias Schumann, privat Die Marienstat­ue von Ostro. Das kleine Foto zeigt „Blutspuren“auf dem Kopf vom Jesuskind. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Video.
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