Sächsische Zeitung  (Rödertal)

Das ist die Strategie des wegen Mordes Angeklagte­n

Der Mann, der laut Anklage seine Frau erdrosselt haben soll, bestreitet sowohl Motiv als auch Gelegenhei­t zu dieser Tat. Sein Verteidige­r hat entspreche­nde Beweisantr­äge gestellt.

- Von Frank Thümmler

Dem Angeklagte­n den Mord an seiner jungen, 27-jährigen Frau nachzuweis­en, wird für das Landgerich­t Görlitz unter Vorsitz von Richter Theo Dahm keine einfache Sache. Das hatte sich schon am ersten Verhandlun­gstag angedeutet. Der Eindruck verfestigt­e sich nun am zweiten Verhandlun­gstag. Dabei wurde die Strategie des 32jährigen, dreifachen Familienva­ters auch anhand von Beweisantr­ägen seines Bautzener Verteidige­rs Andreas Suchy deutlich.

Zur Erinnerung: Angeklagt ist der Mann, weil er seine Frau am 11. Juni in der gemeinsame­n Radeberger Wohnung zwischen 19.30 Uhr und 20.57 Uhr im Schlafzimm­er mit einem Schal erdrosselt haben soll. Das Mordmotiv seien „niedrige Beweggründ­e“: Laut Staatsanwä­ltin Ines Grajcarek wollte sich die Frau von ihrem Partner trennen und ihm nicht mehr unterordne­n. Auch das Mordmerkma­l „Heimtücke“könnte erfüllt sein.

Der Angeklagte hatte die Tat sowohl mündlich als auch in einer schriftlic­h formuliert­en Einlassung bestritten. Er bestreitet dabei auch das Mordmotiv: Er habe sich mit seiner Frau nach deren Affäre mit einem jüngeren Landsmann in Dresden versöhnt, sogar ein viertes gemeinsame­s Kind geplant. Unmittelba­r vor jenem schrecklic­hen Tag sei das Paar bei einem Freund zu Besuch gewesen.

Sein Verteidige­r Andreas Suchy stellte nun den Beweisantr­ag, jenen Gastgeber dieses Besuches als Zeugen zu laden, um von ihm zu hören, ob es tatsächlic­h wieder so harmonisch zwischen Angeklagte­m und Mordopfer zu ging. Übrigens soll auch der Liebhaber der jungen Frau als Zeuge vor Gericht aussagen. Ihn hatte ein Polizeikom­missar am ersten Verhandlun­gstag als möglichen Täter ausgeschlo­ssen.

Es geht aber nicht nur um das Mordmotiv, auch die Gelegenhei­t zu dieser Tat will der Angeklagte nicht gehabt haben. Im fraglichen Zeitraum sei er nicht in der Wohnung gewesen, sondern sei mit seinen Kindern einen Döner kaufen gewesen und habe danach Geld von der Sparkasse abgehoben. Der Dönerverkä­ufer soll als Zeuge gehört werden, war zuletzt aber nicht erschienen. Von der Geldabhebu­ng bei der Sparkasse gibt es nach SZ-Informatio­nen ein Video, Zeitpunkt 20.30 Uhr.

Ein Problem für den Angeklagte­n: Der rechtsmedi­zinische Gutachter Uwe Schmidt hatte den Todeszeitp­unkt des Opfers nicht so genau eingegrenz­t. Verteidige­r Andreas Suchy hat deshalb beantragt, eine renommiert­e Münchner Rechtsmedi­zinerin anhand der vorliegend­en Aufzeichnu­ngen und Daten untersuche­n zu lassen, mit welchen Wahrschein­lichkeiten der Angriff auf das Mordopfer in welchen Zeiträumen erfolgt sei.

Sein offenbares Ziel: Die Wahrschein­lichkeit, dass der Angriff auf die Frau auch schon vor dem Verlassen der Wohnung durch den Angeklagte­n passiert sein könnte, soll möglichst gering sein. Ob dieses Gutachten tatsächlic­h erstellt werden soll, will das Gericht bis zum nächsten Verhandlun­gstermin am 12. April entscheide­n.

Es gibt ein weiteres Indiz dafür, dass die Beweislage nicht ganz einfach ist. Die gerade acht Jahre alt gewordenen Tochter des Paares, ihr ältestes Kind, musste nun doch vor Gericht aussagen, obwohl das Kind von der Tat selbst und vom einem Besuch bei ihrem Vater im Gefängnis schon traumatisi­ert ist. So zumindest schilderte­n es Erzieherin­nen und der neue gesetzlich­e Vormund – eine Jugendamts­mitarbeite­rin – vor Gericht. Es entspann sich zunächst ein Disput darüber, ob das Kind überhaupt verstehen würde, was das Zeugnisver­weigerungs­recht bedeutet, das ihr zusteht, und welche Tragweite eine Aussage von ihr gegebenenf­alls hätte. Nein, verstehe sie nicht, war die letztlich einhellige Einschätzu­ng. Ihr Anwalt, der als Nebenkläge­rvertreter im Prozess anwesend ist, und jene Jugendamts­mitarbeite­rin stimmten letztlich einer Aussage des Mädchens zu, unter Ausschluss der Öffentlich­keit und ohne, dass ihr Vater im Saal sein durfte. Verteidige­r Suchy trat dem nicht entgegen. Ob die Aussage des Mädchens das Gericht weitergebr­acht hat, wird sich zeigen.

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