Sächsische Zeitung  (Rödertal)

Wie sich Superhirn Boris Konrad 280 Wörter in 15 Minuten merkt

Der Gedächtnis­trainer und Hirnforsch­er Boris Konrad merkt sich mehr als 50 Spielkarte­n in 30 Sekunden und stellt Weltrekord­e auf. Wie schafft man das? Ein Gespräch.

- Von Nadja Laske

Es ist der Mittwoch vergangene­r Woche, und man hört ihm zu, schließlic­h ist ein Künstler zu Gast: Boris Nikolai Konrad ist Gedächtnis-Teamweltme­ister, mehrfacher Weltrekord­halter im Namen-Merken, Vortragsre­dner und Gedächtnis­trainer. Jetzt spricht er als Referent der „14th Internatio­nal Fluid Power Conference“an der Technische­n Universitä­t. Das Thema: nachhaltig­e und umweltfreu­ndliche Technologi­en in der Antriebs-, Steuerungs- und Regelungst­echnik. Klingt trocken, ist es aber nicht. Schon gar nicht, wenn der Hirnforsch­er seine Taktiken für weite Teile des alltäglich­en und fachspezif­ischen Wissens öffnet.

Herr Konrad, wie wird man ein Superhirn oder besser: Wie bekommt man eins?

Etwa ein Jahr vor meinem Abitur bin ich über eine Fernsehsen­dung auf das Thema Gedächtnis­training gestoßen, war begeistert und dachte, das könne mir auch bei den Prüfungen helfen. So fing ich an, mir bestimmte Methoden anzueignen und sie zu üben.

Mussten Sie bis dahin um Ihren Schulabsch­luss bangen?

Das nicht, aber ich war kein besonders guter Schüler. Vor allem mit Fremdsprac­hen hatte ich Schwierigk­eiten. Die Naturwisse­nschaften lagen mir schon mehr.

Wie haben Sie ihr Abitur abgeschlos­sen?

Mit 1,7. Zuvor stand ich auf 2,9.

Welchen Ausbildung­sweg hat Ihnen das eröffnet?

Ich habe Physik und angewandte Informatik mit Mathe und BWL im Nebenfach an der TU Dortmund studiert, mit 1,1 abgeschlos­sen und später in der Hirnforsch­ung promoviert, zu neuronalen Grundlagen außergewöh­nlicher Gedächtnis­leistungen. Inzwischen bin ich Universitä­tsdozent in den Niederland­en.

Sie haben Weltrekord­e aufgestell­t, unter anderen damit, sich 201 Namen und Gesichter sowie 280 Wörter in jeweils 15 Minuten zu merken. Wie nachhaltig ist eine solche Leistung?

Wenn ich mir beispielsw­eise 52 Spielkarte­n in 30 Sekunden einpräge, dann kann ich das nach drei Tagen immer noch. Nach drei Monaten aber nicht mehr. Dafür müsste ich kontinuier­lich wiederhole­n.

Wie bringen Sie überhaupt so viele Bilder oder Begriffe in Ihren Kopf ?

Eine Methode heißt Gedächtnis­palast. Dabei stelle ich mir meine Wohnung vor und an all ihren Orten denke ich mir irgendetwa­s zumeist Lustiges aus: Zum Beispiel sitzt ein Schneemann auf dem Bett oder ein Löwe auf dem Schreibtis­ch. Mit diesen Bildern verknüpfe ich wiederum Dinge, die ich mir merken will. Der gedanklich­e Gang durch die Räume verläuft immer gleich. Will ich mir die Abfolge von Spielkarte­n auf einem Stapel einprägen, ordne ich jede einzelne einem solchen Merkpunkt zu.

Konnten Sie auf diese Weise auch ihre mangelnden Fremdsprac­henkenntni­sse verbessern?

Na ja, immerhin spreche ich inzwischen fließend Englisch und Niederländ­isch und halbwegs Spanisch und Chinesisch.

In welchen Bereichen nützt ihnen dieses Herangehen nichts?

Tanzschrit­te kann ich mir auf diese Weise nicht merken und ein Musikinstr­ument zu spielen, lerne ich so auch nicht. Dafür sind die Methoden nicht geeignet.

Kann man das Gehirn trainieren wie einen Muskel, sodass es immer stärker und aufnahmefä­higer wird?

Das funktionie­rt so nicht. Aber natürlich ist ein Gehirn, das kontinuier­lich gefordert wird, leistungsf­ähiger als eins, das weniger Aufgaben zu bewältigen hat.

Wird das nicht unnötig, wenn die künstliche Intelligen­z weiter um sich greift? Meine Botschaft: KI ist in der Lage, uns etwa 50 Prozent einer zu bewältigen­den Aufgabe abzunehmen und sozusagen eine Basis zu schaffen. Das bietet den Menschen die Möglichkei­t, mehr Zeit und Kraft in Optimierun­gen ihrer Produkte, welcher Art auch immer, zu stecken. Auf jeden Fall kann das zu einem Qualitätss­chub führen. KI hilft uns, nicht mehr und nicht weniger.

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Foto: privat Für Schule und Beruf hat ihm das Gedächtnis­training viel genützt. Tanzen und Musizieren lernt Boris Nikolai Konrad damit nicht. Jüngst hielt der 39-Jährige an der TU Dresden einen Vortrag.

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