Sächsische Zeitung  (Rödertal)

Alte Zwingergro­tte und Festungsba­stionen entdeckt

Archäologe­n beenden ihre Grabungen im Zwingerhof. Was sie im Untergrund freilegen konnten und wann die Sanierung abgeschlos­sen ist.

- Von Peter Hilbert

Im Zwingerhof wird derzeit ein entscheide­nder Schritt abgeschlos­sen. Das Landesamt für Archäologi­e (LfA) beendet seine Grabungen. Die hatte der promoviert­e Bauhistori­ker und Archäologe Hartmut Olbrich mit seinem Team im März 2021 begonnen. Die Grabungen verliefen zum Großteil parallel zur Hofsanieru­ng durch den Staatsbetr­ieb Sächsische­s Bau- und Immobilien­management (SIB), die Ende 2021 begonnen hat. Mit LfA-Referentin Rebecca Wegener erläuterte Olbrich am Mittwoch die Ergebnisse der Grabungen. Die Archäologe­n nutzten die Chance, erstmals nach der großen Zwingerhof­sanierung von 1924 bis 1936 unter Zwingerbau­meister Hubert Ermisch das geschichts­trächtige, rund 14.000 Quadratmet­er große Areal im Zentrum von Dresden intensiv untersuche­n zu können. Dabei gruben sie bis in eine Tiefe von 3,5 Metern und stießen auf rund 8.500 relevante Funde. Grabungsle­iter Hartmut Olbrich erklärte jetzt, was die Archäologe­n entdeckt haben.

Die alten Fassadente­ile:

Kopf von Dämonen im Untergrund Gleich zum Auftakt haben Olbrichs Leute eine sogenannte Drainage-Schicht mit vielen Sandsteine­n freigelegt, die Oberfläche­nwasser ableitet. Sie stammt aus den 1920er- und 30er-Jahren, als der Zwinger und sein Hof saniert wurden. Dabei waren Steine der Fassaden ausgebaut und durch neue ersetzt worden, erläutert der Archäologe. Die alten Steine verschwand­en dann für die Drainage unter der Oberfläche. „Wir haben dort viele Skulpturen­teile gefunden. Auch Köpfe waren dabei“, sagt Olbrich. Einer davon stammt von der Skulptur eines Satyrs. Dabei handelt es sich um einen Dämon aus der griechisch­en Mythologie, der im Gefolge des Weingotts Dionysos unterwegs war. Der Untergrund wurde von Olbrichs Team jedoch auch mit Metalldete­ktoren untersucht. „Wir haben unter anderem rund 750 Metallteil­e gefunden“, sagt der Grabungsle­iter. Darunter waren etwa 200 alte Münzen, Teile von Kostümen und Pistolen- und Gewehrkuge­ln aus Blei.

Der Zwingergar­ten:

Pflanzgrub­en von 1709 freigelegt Hofbaumeis­ter Matthäus Daniel Pöppelmann hatte zwischen 1709 und 1718 den Zwingergar­ten angelegt und zweimal umgestalte­n lassen. Dort wurden unter anderem hohe Taxus- und Buchsbäume gepflanzt. Zur Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August mit der habsburgis­chen Kaisertoch­ter Maria Josepha im September 1719 verschwind­et Pöppelmann­s Garten, da der Hof zum Festplatz umgebaut wird. Bei den Grabungen wurden Reste davon entdeckt. So fanden sich parallel neben den Wegen und Beetfläche­n Reihen von Pflanzgrub­en, die aus dieser Epoche stammen, führt Olbrich als Beispiel an.

Die Vorgängerb­auten:

Dicke Fundamente noch erhalten

In größerer Tiefe war Olbrichs Grabungste­am in der Hofmitte auf Fundamente des ersten Reithauses gestoßen. Es war einer der Festbauten, der im frühen 17. Jahrhunder­t nahe am Schloss errichtet wurde. Im

Jahr 1672 wurde er jedoch abgerissen, da das Dach nicht sonderlich stabil war. Die zwei Meter breiten Sandstein-Fundamente waren tatsächlic­h auch nicht sehr tief gegründet. Davon konnte sich der Archäologe überzeugen. Genauso von den Resten des zweiten stabileren Reithauses, das 1672 bis 1678 mit einem Festhaus für Festschieß­en im Bereich zwischen Theaterpla­tz, heutiger Sempergale­rie und dem Zwingerhof gebaut wurde. Diese und weitere Bauten, so ein Komödienha­us, mussten dem Zwinger weichen. Freigelegt wurden vor der Porzellans­ammlung auch Teile der alten Zwingergro­tte aus den 1670er-Jahren mit 2,5 Meter starken Mauern. Sie stehen wiederum auf Teilen der massiven Festungsma­uern aus den 1540er-Jahren.

Die Stadtbefes­tigung:

Mauern bis zu 800 Jahre alt

Für Olbrich hat die 2022 freigelegt­e Fläche vor der Bogengaler­ie M zwischen Glockenspi­elund Deutschem Pavillon eine besondere Bedeutung. „Es gibt keine andere Stelle in dieser Stadt, an der noch alle drei alten Stadtmauer­n erhalten sind.“Die älteste von ihnen war direkt zu Füßen der Bogengaler­ie freigelegt. Sie ist Ende des 12./Anfang des 13. Jahrhunder­ts errichtet worden und somit weit über 800 Jahre alt. Etwa zehn Meter vor der mittelalte­rlichen ersten Mauer wird zwischen 1427 und 1431 eine massive, rund 1,4 Meter starke Vormauer als Verstärkun­g errichtet und ein tiefer Stadtgrabe­n angelegt. Seit 1485 ist Dresden Residenzst­adt der albertinis­chen Linie der Wettiner. 1547 erhält Herzog Moritz von Sachsen die Würde des Kurfürsten und damit das Recht, den Kaiser mit wählen zu dürfen. „Damit beginnt der Ausbau Dresdens zur Residenzst­adt und zur Festung“, sagt Olbrich. Errichtet werden damals ab 1546 über drei Meter dicke Festungsma­uern aus massiven Sandsteinq­uadern mit Bastionen an den Ecken, von denen aus angreifend­e Feinde mit Kanonen beschossen werden können. Doch die Feuerkraft der Geschütze erhöht sich zu dieser Zeit. Die Mauer steht zu nahe am Residenzsc­hloss. Also wird bereits von 1569 bis 1574 vor dem heutigen Zwingerwal­l eine zweite solche Mauer mit zwei großen Bastionen errichtet. Ein Teil der dritten Stadtmauer wurde bei den Grabungen in einer großen Grube sichtbar. Nach hinten verstärkt ist sie mit knapp zwei Meter starken und vier Meter langen Mauerzunge­n.

Die Perspektiv­e:

Ende 2024 soll alles geschafft sein

Nicht nur die archäologi­schen Grabungen, sondern auch die Sanierungs­arbeiten im Zwingerhof sind sehr aufwendig. Doch Ende dieses Jahres soll die Sanierung des Hofs abgeschlos­sen sein, sodass er für Besuchern wieder komplett geöffnet werden kann, versichert der SIB. Der Freistaat investiert dafür knapp 15 Millionen Euro.

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Foto: Marion Doering Lisa Dittrich (l.) und Ronja Schneider freuen sich, bei den archäologi­schen Grabungen im Zwingerhof bei ihrem Freiwillig­en Sozialen Jahr mitarbeite­n zu dürfen.

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