Wie die CSU im Kloster grantelt
Klausur Es rumpelt schon mal, wenn die Landtagsfraktion in Banz tagt. Aber gleich so? Zwei Spitzenpolitiker der CDU sind zu Gast, und hinterher ist von „arrogantem Geschwurbel“und „komplettem Unsinn“die Rede. Wenigstens gibt es am Ende auch was fürs Herz
Kloster Banz Die Wege sind weit in Kloster Banz. Man trifft sich zwangsläufig und redet miteinander. Wenn die CSU hier tagt, wird besonders viel geredet: über Politik, übers Personal und übers Private.
Wer am Dienstagabend kurz vor acht die Strecke vom Parkplatz über die Straße in den grandiosen Innenhof des Klosters hinauf zum Haupteingang zurücklegte, konnte eine besondere Spezies Mensch treffen: grantige Landtagsabgeordnete, die nicht mehr hören wollten, was drinnen im Sitzungssaal gesprochen wird. Der Grund für ihre Verärgerung hatte einen Namen: Julia Klöckner. Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Fraktionschefin im Landtag von Rheinland-Pfalz hatte ihnen mit einem „arroganten Geschwurbel, das nicht mehr auszuhalten ist“(O-Ton im Klosterhof), die Laune verdorben. Einer schimpfte: „Wer immer noch nicht gewusst hat, warum die ihre Landtagswahl verloren hat, der weiß es jetzt.“Ein anderer giftete: „Die würde bei uns nicht einmal Kreisvorsitzende werden.“Weitere Kommentare sind nicht zitierfähig – aus Gründen der Höflichkeit.
Es ist im Dauerstreit der Union über die Flüchtlingspolitik nicht das erste Mal, dass ein Gast bei der Klausurtagung der Landtags-CSU zum Prügelknaben gemacht wird. Vergangenes Jahr traf der geballte Zorn der bayerischen Abgeordneten eine Parteifreundin: die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Dieses Mal kam Hasselfeldt erst gar nicht. Klöckner aber musste in einer rund drei Stunden dauernden Sitzung den Kopf hinhalten. Gemeint freilich war in beiden Fällen jemand ganz anderer: Angela Merkel. Klöckner wie Hasselfeldt gelten als ihre Vertrauten.
Die Logik hinter dem Spektakel scheint offenkundig: Wenn der Schmied nicht da ist, bekommt der Schmiedl die Prügel. Doch ganz so einfach ist es nicht, weil zur Zeit eben gar nichts einfach ist zwischen den Schwesterparteien. Die CDU muss nach einer Serie von Wahlniederlagen fürchten, ihren Charakter als Volkspartei zu verlieren. Die CSU sieht in einem möglichen Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern eine existenzielle Bedrohung.
Die paar grantigen Herren, die während Klöckners Auftritt vorzeitig das Weite gesucht hatten, verpassten den zweiten, interessanteren Teil der Debatte. Nach einigem Hin und Her – Klöckner beschwerte sich mehrfach über das Gemurmel im Sitzungssaal und forderte energisch, man solle ihr zuhören – begann man doch, zumindest etwas Verständnis füreinander zu entwickeln. Klöckners Aussage, die CDU habe in der Flüchtlingskrise nur deshalb so spät umgesteuert, weil die Probleme andernorts in Deutschland viel später sichtbar geworden seien, wurde in den Reihen der CSU später zwar als „kompletter Unsinn“gebrandmarkt. Doch als sie signalisierte, dass sie deren Forderungen zur besseren Sicherung der Grenzen nachvollziehen könne und sich das, was 2015 geschah, nicht wiederholen dürfe, entspannte sich die Stimmung etwas. Schließlich wurde sie mit höflichem Applaus verabschiedet. „Der Applaus war für ihre Tapferkeit“, sagte ein CSU-Mann.
Tags darauf wiederholte sich die fast schon rituelle Bearbeitung der CDU unter ernsteren Vorzeichen. Mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière kam ein politisches Schwergewicht der Partei ins Kloster. Nur der Auftakt war herzlich. De Maizière gratulierte seinem bayerischen Kollegen Joachim Herrmann zum 60. Geburtstag, umarmte ihn und wünschte ihm „Gottes Segen“. Als Geschenk hatte er ein Modell eines Feuerwehrautos dabei. Aber schon bei der Pressekonferenz konnten die Duzfreunde ihre inhaltlichen Differenzen nicht mehr verbergen.
„Wir erwarten von Bayern aus, dass die Grenzkontrollen noch einmal deutlich verstärkt werden“, sagte der bayerische Innenminister vor laufenden Kameras. Der Bundesinnenminister stellte dazu nur wortreich fest, dass er auf absehbare Zeit dafür nicht mehr Personal zur Verfügung habe. Helfen lassen will er sich von der bayerischen Polizei an den bayerischen Grenzen nach wie vor nicht. Die Rechtslage sei eindeutig. Für Grenzkontrollen sei der Bund zuständig. Bayern solle sich – wie vereinbart – um die Schleierfahndung kümmern.
Die Zusage de Maizières, die bis Mitte November mit der EU vereinbarten Grenzkontrollen noch einmal zu verlängern, ist für die CSU bestenfalls ein erster Schritt. Sie will mehr. Herrmann legte nach: „Wir sind mit der Intensität der Kontrollen nicht zufrieden.“De Maizière aber bewegte sich kaum. Sollte die bayerische Polizei tatsächlich in die Kontrollen einbezogen werden, dann „wäre die Rechtslage, dass die bayerische Polizei auf Weisung der Bundespolizei tätig ist“. Alles Weitere wolle er „intern“besprechen, „nicht vor der deutschen Presse“.
Hinter verschlossenen Türen ging es dann, wie Teilnehmer berichten, heftig zur Sache. Der frühere bayerische Justizminister Alfred Sauter, Bayerns JU-Chef Hans Reichhart, Fraktionschef Thomas Kreuzer und andere machten klar, was sich die CSU unter einer Wende in der Flüchtlingspolitik vorstellt: eine Obergrenze. Oder genauer und der CDU, die sich gegen den Begriff wehrt, eine Brücke zu bauen: ein System, das sicherstellt, dass es keinesfalls mehr zu einer unkontrollierten, massenweisen Zuwanderung von Flüchtlingen kommt. Kombiniert werden soll das, was die CSU Obergrenze nennt, mit einem klaren und bundesweit einheitlich zu vollziehenden System der konsequenten Rückführung von Flüchtlingen, die kein Bleiberecht haben.
Auch de Maizière hatte im Kreis der CSU-Landtagsfraktion keinen guten Einstand. Er sei „ziemlich ardann rogant“aufgetreten und habe sich, so hieß es aus der Sitzung, „sofort angegriffen gefühlt“, als Sauter feststellte, dass im September 2015 „Recht außer Kraft gesetzt“worden sei. Der Bundesinnenminister habe geantwortet: „Wir haben keinen Unrechtsstaat.“Als Reichhart in dieselbe Kerbe schlug, sei de Maizière noch deutlicher geworden: „Diesen Ton lasse ich mir nicht gefallen, ich bin kein Rechtsbrecher.“Doch wie bei Klöckner sei es dann auch bei ihm wieder „einigermaßen normal“weitergegangen – will heium ßen: sehr kontrovers, aber ohne greifbares Ergebnis.
Das bestätigte gestern Vormittag bei der abschließenden Pressekonferenz indirekt auch der Fraktionschef. Er glaube, so Kreuzer, die Kollegen der CDU hätten verstanden, „dass unsere Anliegen ernst sind“. Er habe auch den Eindruck, dass beide Seiten „eine Einigung wollen“. Aber es sei eben auch klar, dass die CSU einer Vereinbarung mit der Schwester nur dann zustimmen könne, wenn sie dazu geeignet ist, die Probleme in der Flüchtlingspolitik tatsächlich zu lösen. „Die Leute wollen am Ende wissen: Habt Ihr das Problem im Griff?“Und zum Thema Grenzkontrollen schob er nach: „Dass es dafür nicht genug Personal gibt, akzeptiere ich nicht.“
Dass die Abgeordneten möglicherweise zu hart mit den Gästen von der CDU umgegangen sind, wollte der Fraktionschef nicht bestätigen. „Die CSU-Landtagsfraktion diskutiert offen, und die Abgeordneten sind selbstbewusst“, sagte Kreuzer. „Die Diskussionen waren sachlich, und ich hatte nicht den Eindruck, dass sich jemand beleidigt gefühlt hat.“Was zwischen den Parteien in der Sache erreicht werden könne, müsse nun „im Nachgang“der Klausur besprochen werden. Dabei sei allen klar, welcher Termin gilt: Die Einigung soll noch im Oktober erreicht werden, vor den Parteitagen im November (CSU) und Dezember (CDU).
Übers Personal wurde in Kloster Banz dieses Jahr erstaunlich wenig geredet. Generalsekretär Andreas Scheuer stand wegen seines Spruchs über fußballspielende und ministrierende Senegalesen in der Kritik. Parteichef Horst Seehofer versicherte dazu: „Die erste Säule unserer Zuwanderungspolitik bleibt die Humanität.“Und er forderte, Scheuer müsse sich dem Dialog stellen, den er selbst losgetreten habe.
Für kurze Aufregung sorgte auch, dass Seehofer erneut darüber
Julia Klöckner hat sich mehrfach beschwert In der Erklärung heißt es: Wir sind ein Paar
sprach, dass die CSU zur Bundestagswahl „mit der besten Formation“antreten müsse, und zwar unabhängig von der persönlichen Lebensplanung. Einige Anhänger von Finanzminister Markus Söder, der in Bayern Ministerpräsident werden und sich nicht nach Berlin abschieben lassen will, sahen darin gleich wieder eine „brutale“Attacke. Aus Seehofers Umfeld allerdings verlautete hinterher, dass damit auch Innenminister Joachim Herrmann oder Wirtschaftsministerin Ilse Aigner gemeint sein könne.
Die eigentliche Überraschung aber lieferte unter der Rubrik „Privates“der Fraktionschef. Nachdem auf den weiten Wegen in Kloster Banz schon getuschelt worden war, bestätigte der 57-Jährige aus Kempten offiziell seine Beziehung zur Münchner CSU-Landtagsabgeordneten Mechthilde Wittmann, 48. Gemeinsam erklärten die beiden: „Wir sind seit einigen Monaten ein Paar, wir sind glücklich. Das ist für uns beide eine sehr schöne Situation. Wir wollen kein Geheimnis daraus machen, alles Weitere möchten wir aber privat halten.“Für ihre Stimmkreise fügten sie hinzu: „Lebensmittelpunkte bleiben Kempten beziehungsweise München.“