Linke greifen SPD wegen Ceta an
Debatte Von wegen Rot-Rot-Grün. Warum es im Bundestag heiß hergeht und die Genossen von ungewohnter Seite unterstützt werden
Berlin Mittendrin und doch nicht dabei: Obwohl SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel der Debatte über das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta fern blieb, wurde er am Donnerstag im Bundestag zur Zielscheibe der Kritik seitens der Opposition. Nach der Kampfabstimmung beim SPD-Parteikonvent in Wolfsburg pro Freihandelsabkommen hat sich der politische Wind gedreht. Während die Große Koalition wieder ihre Reihen schloss, gingen Grüne und Linkspartei auf die Barrikaden.
Der Schuldige war dabei schnell gefunden – die Opposition ließ kein gutes Haar an Sigmar Gabriel. „Illusionskünstler“nannte ihn etwa Klaus Ernst (Linke). Er könne sogar ein weißes Kaninchen verschwinden lassen, „so wie er die Befürchtungen des linken Parteiflügels bezüglich Ceta weggezaubert hat“. Auch die Grünen fühlten sich verraten. Die Abgeordnete Katharina Dröge bezeichnete das Verhalten des Vizekanzlers als „schizophren“. Die Zustimmung zur vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens verglich sie „mit dem Öffnen der Büchse der Pandora“. Gabriel fehlte bei der Debatte im Bundestag – er war zu einem informellen Treffen mit EU-Wirtschafts- und Handelsministern gereist, um über das besagte Freihandelsabkommen zu sprechen.
Der Ton zwischen den Parteien links der Mitte wird wieder rauer. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem viele schon mit einem Linksrutsch innerhalb der SPD rechneten. In Berlin ist die Große Koalition bald Geschichte und die Hauptstadt wird künftig von Rot-Rot-Grün regiert. Viele Experten sehen darin schon ein Signal für den Bundestagswahlkampf 2017. Ausgerechnet jetzt kühlt der Streit um Ceta das Verhältnis zwischen Opposition und SPD merklich ab. Neben der Kritik am Chef wurden auch Zweifel an der sozialdemokratischen Grundhaltung laut. Vor allem die Linken knöpften sich die SPD-Genossen vor. Klaus Ernst bezeichnete deren Abstimmungsverhalten als „rückgratlos“.
Demonstrative Unterstützung für die SPD gab es dagegen von ungewohnter Seite. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs drückte es so aus: „Danke an alle SPD-Mitglieder für diesen vernünftigen Entschluss.“Das sah vor wenigen Wochen noch anders aus. Ausgerechnet beim wichtigen Freihandelsabkommen zieht die Große Koalition an einem Strang. So verwunderte es nicht, dass Hubertus Heil (SPD) von den Unionsabgeordneten für seine Rede im Bundestag großen Beifall erhielt. Heil versuchte zu beschwichtigen: „Das Abkommen ist noch nicht unterzeichnet und Nachbesserungen können vorgenommen werden“, sagte der ehemalige Generalsekretär im Gegensatz zu vielen seiner Vorredner relativ unaufgeregt. Dennoch haben Spekulationen über eine mögliche rot-rot-grüne Koalition durch die Ceta-Debatte einen Rückschlag erhalten.