Wenn alles auf einen einprasselt
Gesundheit Licht, Geräusche, Stimmungen: Für hochsensible Menschen kann Alltägliches zu viel sein. Eine Betroffene will anderen helfen
Dass etwas mit ihr anders war, hat Brigitte schon als Kind gemerkt. Meistens dann, wenn sie von den Eltern gemaßregelt wurde. „Jetzt stell’ dich nicht so an“, hieß es dann. Was aber anders war, hat die 52-Jährige, die ihren Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will, über viele Jahre nicht gewusst. Es gab nur viele Situationen in ihrem Leben, in denen sie anders reagierte als ihre Mitmenschen.
Wenn es beispielsweise regnet, dann kann es vorkommen, dass sie das Licht als zu grell empfindet und lieber eine Sonnenbrille aufsetzt. Wenn es an der Auslage beim Bäcker zu eng wird, dann muss Brigitte schon einmal das Geschäft verlassen, weil sie Abstand braucht. Geräusche, wie etwa das Kleingeld zählen bei dem Bäcker, nimmt sie so intensiv wahr, dass es ihr in der Summe mit vielen weiteren Geräuschen manchmal zu viel wird. „Da ist dann eine Grenze erreicht, wo ich empfindlich reagiere und einfach nur weg will“, sagt sie. Daneben nimmt sie auch die Stimmung anderer Menschen und Tiere sehr deutlich wahr und bemerkt Details, die anderen im Verborgenen bleiben.
Vor drei Jahren wurde sie von zwei Bekannten angesprochen, ob sie womöglich hochsensibel sei. „Ich musste dann erst einmal im Internet recherchieren, was das überhaupt ist und habe mich anhand der Erklärungen wieder gefunden“, sagt sie. In den vergangenen drei Jahren ist viel passiert: Zehn Bücher hat Brigitte inzwischen zu Hause, die von Hochsensibilität handeln. Sie hat Strategien entwickelt, die ihr in Situationen helfen, wo sie früher am liebsten die Flucht ergriffen hätte. „Da mache ich beispielsweise Atemübungen“, sagt sie. Nach einem Tag mit vielen Eindrücken sucht sie in der Natur Ausgleich, nimmt Bäume und Blätter wahr, riecht das Holz. „Da komme ich dann runter“, weiß sie jetzt.
Sie handelt nach dem Konzept der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg. Es soll Menschen ermöglichen, so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationsfluss zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führt.
Und sie geht in die Offensive. Sie hat eine Selbsthilfegruppe für Hochsensible Menschen gegründet, die sich Ende September im Gesundheitsamt erstmals treffen wird. „Bei jedem hochsensiblen Menschen ist die Ausprägung eine andere. Mir geht es um den Austausch untereinander“, sagt sie. Wie gehen andere Menschen mit ihrer Hochsensibilität um, wie kann man sich gegenseitig helfen. „Es ist keine Krankheit. Man kann es auch positiv sehen. Die Empathiefähigkeit ist beispielsweise eine wertvolle Gabe, die nicht jeder Mensch hat“, sagt sie.
Treff Interessierte, die zum Treffen der Selbsthilfegruppe kommen wollen, sollen sich per E-Mail bei Brigitte unter der Adresse shg-hochsensibel-augsburg@t-online.de melden.