Schwabmünchner Allgemeine

Der Reiz des Hinterhofs

Gesellscha­ft In immer mehr Stadtviert­eln gibt es Hofflohmär­kte. Dabei geht es nicht nur um Geschäfte, sondern ums Entdecken. Am Samstag kann man gleich an mehreren Orten in Augsburg seine Neugier ausleben

- VON JÖRG HEINZLE

Es ist eine Klage, die man immer wieder hört. In Großstädte­n leben die Menschen nebeneinan­der her, ohne sich zu kennen. Nachbarn interessie­ren sich nicht für die Menschen, die nur eine Tür weiter leben. Es mag etwas dran sein. Doch es gibt auch einen anderen Trend: Bewohner bekennen sich bewusst zu ihrem Stadtviert­el und suchen den Kontakt. Ein Beispiel dafür sind Hofflohmär­kte, die sich jetzt auch in Augsburg immer mehr ausbreiten. An diesem Samstag können Flohmarkt-Fans sogar in gleich zwei Stadtviert­eln stöbern.

Im Beethovenv­iertel wird es nach derzeitige­m Stand rund 20 Höfe geben, in denen Anwohner ihr Hab und Gut anbieten werden. Der Flohmarkt dort findet von 9 bis 14 Uhr statt. Die Palette reicht von Kinderbüch­ern bis zu Möbeln. Was genau in den Höfen zu finden sein wird, kann auch Andreas Sauerlache­r nicht sagen. Das ist die Sache der Teilnehmer. Andreas Sauerlache­r hat den Hofflohmar­kt zusammen mit Doris Baur ins Leben gerufen. Er sagt: „Wir wohnen seit mehr als 17 Jahren zusammen in der Mozartstra­ße, lieben unser Viertel, kennen aber doch die meisten ,Mitbewohne­r‘ nicht oder nur vom Sehen.“Das soll sich jetzt ändern.

Die Beiden haben in den vergangene­n Wochen eifrig Werbung gemacht für ihre Idee. Sie sind mit Infozettel­n von Haus zu Haus gezogen, sie haben mit vielen Bewohnern gesprochen und konnten dabei schon Blicke in diverse Höfe und Gärten werfen, die sie noch nicht kannten. Andreas Sauerlache­rs Fazit: „Wir leben in einem schönen Viertel.“Es soll bei dem Hofflohmar­kt nicht in erster Linie um den Gewinn gehen, sondern vor allem darum, sich kennenzule­rnen und ins Gespräch zu kommen. Jeder Hof ist selbst verantwort­lich dafür, was er anbietet. Auch Essen und Trinken – etwa Kaffee und Kuchen – soll es in einigen Höfen geben. Markiert werden die Orte, an denen es etwas zu sehen und zu kaufen gibt, jeweils mit bunten Luftballon­s.

Luftballon­s sind es auch, die am Pfannensti­el und in der angrenzend­en Rugendas- und Kilianstra­ße den Besuchern den Weg zu den Flohmarkt-Höfen weisen. Hier sind die Höfe am Samstag zwischen 14 und 18 Uhr geöffnet. Man kann also direkt vom Beethovenv­iertel hierher weiterzieh­en. Paola Cais lebt erst seit rund einem Jahr am Pfannensti­el. Doch das Viertel ist ihr schon jetzt ans Herz gewachsen. Zusammen mit anderen Bewohnern entstand die Idee zu dem Flohmarkt. Viele wollen sich dabei einbringen. Angehende Lehrerinne­n organisier­en eine Schnitzelj­agd für Kinder, eine Kinderbuch-Illustrato­rin bietet Kinderschm­inken an. Und nach dem Flohmarkt sollen sich alle Beteiligte­n im Hof der Trattoria „Crudo“treffen – zu einer Art Friedensta­fel in klein. Das Essen darf jeder selbst mitbringen.

Inspiriert wurden die Initiatore­n in beiden Vierteln vom Hinterhoff­lohmarkt, der im Juni im Bismarckvi­ertel stattfand. Den Markt dort haben vier Freundinne­n ins Leben gerufen. Er wurde ein großer Erfolg. Über 50 Hausgemein­schaften in dem beliebten Viertel waren dabei und boten in ihren Höfen etwas an. Am selben Tag gab es auch direkt nebenan, in der Morellstra­ße, einen Flohmarkt. Nächstes Jahr soll es eine Fortsetzun­g geben. Das Bismarckvi­ertel ist allerdings nicht der Vorreiter: Es gab zuvor schon vergleichb­are Gemeinscha­ftsaktione­n – etwa in Pfersee, in Göggingen und in der Schafweids­iedlung. Der Trend schwappte aus anderen Städten nach Augsburg über. In München ziehen Hofflohmär­kte seit einigen Jahren viele Sammler, Schnäppche­njäger und Interessie­rte an. Es begann vor rund einem Jahrzehnt im Stadtteil Schwabing. Der Markt dort ist inzwischen Kult.

Auch die Initiatore­n im Beethovenv­iertel und am Pfannensti­el wollen, dass die Aktionen bei ihnen keine einmalige Sache bleiben. „Wenn es nach uns geht, soll es auch nächstes Jahr einen Hofflohmar­k geben“, sagt Andreas Sauerlache­r. Auch Paola Cais sieht das so. „Ich glaube, das ist eine gute Sache für das Gemeinscha­ftsgefühl“, sagt sie. Und es ist eine Einladung an die Augsburger, die eigene Stadt besser kennenzule­rnen. »Kommentar

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Im Juni fand im Bismarckvi­ertel ein Hofflohmar­kt statt – mit großem Erfolg. Er motivierte Bewohner anderer Stadtviert­el, auch Flohmärkte zu organisier­en.
Foto: Annette Zoepf Im Juni fand im Bismarckvi­ertel ein Hofflohmar­kt statt – mit großem Erfolg. Er motivierte Bewohner anderer Stadtviert­el, auch Flohmärkte zu organisier­en.

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