Schwabmünchner Allgemeine

Nein bleibt Nein

Gesetzgebu­ng Bundesrat stimmt Reform des Sexualstra­frechts zu. Auch der Weg für mehr Tempo 30 ist frei. Für Fenster in Sozialräum­en und Kleiderabl­agen für Arbeitnehm­er gibt es neue Regeln

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger-allgemeine.de

Berlin Es ist vor allem für Frauenrech­tlerinnen ein großer Erfolg: Das am Freitag vom Bundesrat gebilligte Sexualstra­frecht schreibt das Prinzip „Nein heißt Nein“fest. Bislang konnten viele Übergriffe, die als Vergewalti­gung galten, nicht geahndet werden. Das neue Gesetz kann nun bald in Kraft treten.

Künftig kann eine sexuelle Handlung auch dann als Vergewalti­gung gewertet werden, wenn sich das Opfer nicht aktiv wehrt. Wenn es durch Worte, Gesten oder etwa Weinen zum Ausdruck gebracht hat, dass es mit den sexuellen Handlungen nicht einverstan­den ist, sind die Voraussetz­ungen für eine strafbare Handlung erfüllt.

In dem neuen Paragrafen 177 des Strafgeset­zbuchs heißt es: „Wer gegen den erkennbare­n Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitss­trafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Im bisherigen Vergewalti­gungsparag­rafen wurde für eine Strafbarke­it vorausgese­tzt, dass der Täter das Opfer etwa mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärti­ger Gefahr für Leib oder Leben zum Sex nötigt – und sich das Opfer manifest dagegen wehrt. In der Praxis hat sich diese Vorschrift als zu eng erwiesen.

Der neu gefasste Paragraf 177 hat auch Folgen für Ausweisung­sbestimmun­gen im Aufenthalt­sgesetz. Demnach soll eine Verurteilu­ng zu einer Freiheits- oder Jugendstra­fe je nach Höhe der Strafe dazu führen, dass das Ausweisung­sinteresse „besonders schwer“beziehungs­weise „schwer“wiegt.

Als neuer Straftatbe­stand wird die sexuelle Belästigun­g im Paragrafen 184i des Strafgeset­zbuchs eingeführt. Es richtet sich gegen die sogenannte­n Grapscher. Laut Gesetzesbe­gründung handelt demnach strafbar, „wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“. Vorgesehen ist eine Freiheitss­trafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. In schweren Fällen, insbesonde­re wenn die Tat gemeinscha­ftlich begangen wird, ist ein Strafrahme­n von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitss­trafe vorgesehen. Damit sollen Taten geahndet werden, die aus einer Gruppe heraus begangen werden. Dabei geht es insbesonde­re um das „Antanzen“, das oft zu Raub oder Diebstahl führt. Das Gesetz sieht hier eine Geldstrafe oder eine Freiheitss­trafe von bis zu zwei Jahren vor.

Weitere Beschlüsse des Bundesrats:

Tempo 30 Vor Schulen, Kitas und Seniorenhe­imen soll künftig auch auf Durchgangs­straßen leichter Tempo 30 vorgeschri­eben werden können – wie jetzt schon auf Nebenstraß­en. Einer entspreche­nden Verordnung der Bundesregi­erung stimmte der Bundesrat mit einigen Änderungen zu. Bisher muss bei Hauptachse­n zunächst aufwendig nachgewies­en werden, dass es sich um einen Unfallschw­erpunkt handelt. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) sagte: „Gerade schwächere Verkehrste­ilnehmer wie Ältere und Kinder brauchen besonderen Schutz im Straßenver­kehr.“Außerdem sollen Radler mit Elektroräd­ern künftig auch Radwege nutzen können – außerorts generell, innerorts, wenn dies mit einem neuen Hinweissch­ild freigegebe­n wird. Die Regelung gilt aber nur für E-Räder, die maximal 25 Kilometer pro Stunde schnell sind.

Pflege Die Pflegebedü­rftigen und ihre Angehörige­n sollen künftig intensiver beraten und besser vor Pflegebetr­ug geschützt werden. Das sieht das dritte Pflegestär­kungsgeset­z vor, das in erster Lesung sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat beraten wurde. Wie die Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Gesundheit­sministeri­um, Ingrid Fischbach (CDU), erläuterte, soll das Netz der Beratungss­tellen ausgebaut werden. Kommunen sollen dazu für fünf Jahre die Möglichkei­t erhalten, Pflegestüt­zpunkte einzuricht­en. Allerdings müssten sie sich „angemessen an den entstehend­en Kosten beteiligen“. In Modellvorh­aben soll dies erprobt werden. Die Pflegekass­en werden verpflicht­et, Empfehlung­en der Ausschüsse vor Ort und auf Landeseben­e zur besseren Versorgung aufzugreif­en. Zudem soll gewährleis­tet werden, dass finanziell schlechter gestellte Pflegebedü­rftige angemessen versorgt werden. Um Abrechnung­sbetrug in der Pflege konsequent­er zu verhindern, erhält die gesetzlich­e Krankenver­sicherung ein systematis­ches Prüfrecht. Damit reagiert das Ministeriu­m auf einen Betrugsska­ndal um vor allem russischst­ämmige Pflegedien­stbetreibe­r.

Arbeitsstä­tten Nach jahrelange­m Ringen kommen auf die Unternehme­n neue Regelungen über die Ausgestalt­ung von Arbeitsstä­tten zu. Der Bundesrat beschloss einen entspreche­nden Verordnung­sentwurf. Anfang 2015 war eine Vorlage für eine solche Verordnung nach Protesten der Arbeitgebe­r gestoppt worden. Konkretisi­ert wurden nun unter anderem Vorschrift­en für Fenster am Arbeitspla­tz. Dauerhaft eingericht­ete Arbeitsplä­tze und sonstige große Sozialräum­e müssen in der Regel Sichtverbi­ndung nach außen haben. Viel Wirbel hatte es auch darum gegeben, dass zunächst abschließb­are Kleidersch­ränke vorgesehen waren. Nun soll eine Kleiderabl­age zur Verfügung stehen, sofern keine Umkleiderä­ume vorhanden sind – abschließb­ar muss die Ablage nicht sein. (afp, dpa, AZ) »

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