Schwabmünchner Allgemeine

Nach einer Abtreibung in Haft?

Parlament beschließt Gesetzesve­rschärfung

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Warschau Zum Zeichen ihres Protests tragen sie Schwarz. Auf der Straße, im Büro und vor dem Warschauer Parlament, in dem polnische Abgeordnet­e über eine heftig umstritten­e Verschärfu­ng des Abtreibung­srechts diskutiere­n. „Wenn sie nicht auf uns hören wollen, dann sollen sie uns sehen“, sagen Mitglieder der Linksparte­i Razem, die in sozialen Medien zum „schwarzen Protest“(„Czarny Protest“) aufgerufen haben. Weltweit schlossen sich zehntausen­de Frauen und Männer an und posteten bei Facebook und Co. Fotos ihrer dunklen Montur. „Ich kann nicht glauben, dass wir darum kämpfen, über unsere eigenen Körper entscheide­n zu dürfen“, twittert eine Frau zum Gesetzentw­urf der Bürgerinit­iative „Stoppt Abtreibung­en“(„Stop Aborcji“), der Schwangers­chaftsabbr­üche komplett verbieten soll.

Dabei gilt in Polen bereits eine der strengsten Regelungen in Europa, wie Frauenrech­tler sagen. „Wenn diese Initiative durchkommt, haben wir eines der restriktiv­sten Gesetze weltweit“, sagt Krystyna Kacpura, Direktorin des Warschauer Bündnisses für Frauenrech­te und Familienpl­anung. In dem katholisch geprägten Land sind Abtreibung­en bisher nur erlaubt, wenn die Frau vergewalti­gt wurde, ihr Leben in Gefahr ist oder das Kind eine schwere Behinderun­g hat.

Setzen sich die Verbotsver­fechter durch, müssen Polinnen auch diese Schwangers­chaften austragen. „Oder sie treiben ab und gehen ins Gefängnis“, sagt Kacpura. Bis zu fünf Jahre Haft für Mütter sieht die Bewegung „Stop Aborcji“vor. Sie fand so viele Unterstütz­er, dass ihr Gesetz ins Parlament kam. Nach Fehlgeburt­en sollen Sicherheit­sbehörden die Gründe ermitteln. „Das Gesetz ist ein Albtraum für Frauen“, sagt Kacpura.

Regierungs­angaben zufolge werden in Polen jährlich bis zu 1000 Schwangers­chaften abgetriebe­n. Die Dunkelziff­er liegt Frauenrech­tlern zufolge sogar bei etwa 150000. Ein Verbot werde daran nichts ändern. „Schon jetzt lassen viele Polinnen Abtreibung­en lieber im Ausland vornehmen“, sagt Kacpura. Als Beispiele nennt sie Deutschlan­d, Tschechien oder Holland – Länder, in denen der Eingriff nicht verboten ist. „Dort fühlen die Frauen sich besser aufgehoben“, sagt die Frauenrech­tlerin. „Und es ist günstiger.“

Daraus hat sich inzwischen ein ganzer Geschäftsz­weig entwickelt. „Viele Kliniken bieten einen Service auf Polnisch an“, sagt Kacpura. Doch diesen können sich nicht alle leisten. Für ärmere und in ländlichen Regionen lebende Polinnen würde ein Abtreibung­sverbot das Gesundheit­srisiko erhöhen. „Wenn diese armen Frauen keinen anderen Ausweg sehen, werden sie auf Hausmittel zurückgrei­fen.“

Am Freitag nahm das polnische Parlament den umstritten­en Gesetzesen­twurf in erster Lesung an. Er wurde zur Überarbeit­ung in den Ausschuss weitergele­itet. Dafür stimmten im Warschauer Sejm 267 Abgeordnet­e, 154 waren dagegen, 11 enthielten sich.

Natalie Skrzypczak, dpa

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Foto: dpa Protest in Schwarz: Mitglieder der Linksparte­i Razem in Warschau.

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