Firma Kleiner holt ihre Rentner regelmäßig zurück
Großhandel Die 69-jährige Centa Theobald arbeitet am Empfang, ihr 66-jähriger Kollege Enes Catovic in der Produktion
Mindelheim Stahl biegen – das hört sich nach keiner leichten Arbeit an. Es ist auch keine. Etwa 1,50 bis 20 Meter lang können die Stahlteile sein. Der Durchmesser reicht von acht bis 40 Millimeter, das Gewicht von 1,2 bis 100 Kilogramm. In der großen Produktionshalle der Firma Konrad Kleiner ist es laut. Die Mitarbeiter tragen Gehörschutz. Große Maschinen prägen das Bild. An einer dieser Maschinen steht Enes Catovic. Seit 1981. Seit dem 1. Februar 2015 zwar seltener, aber wenn es eng wird, ist der 66-Jährige auch im Ruhestand da. Für sein Unternehmen. Denn Catovic arbeitete nicht nur so verantwortungsbewusst als wäre es sein Betrieb, „ich habe mich hier immer so gefühlt als wäre es meine Firma“.
Brigitte Kleiner strahlt. Sie weiß, dass sich ihr in diesem Jahr verstorbener Mann, der Unternehmensleiter Ludwig Kleiner, über so einen Satz besonders gefreut hätte. Denn das traditionsreiche Mindelheimer Familienunternehmen ist bekannt dafür, dass die persönliche Wertschätzung gegenüber den rund 500 Mitarbeitern wirklich gelebt wird. Das spürt man auch, wenn man mit Centa Theobald über ihre Arbeit spricht. Dann gerät die 69-Jährige ins Schwärmen. Dabei ist sie an einer ganz anderen Stelle im Unternehmen Kleiner tätig: in der Sanitärabteilung, bei den Bädern. Sie beaufsichtigt die Ausstellungen, die auch am Wochenende offen sind. Früher machte diesen Job ihre Tochter als studentische Hilfskraft. Als vor vier Jahren bei Centa Theobald der Ruhestand anstand und die gelernte Stahl- und Sanitär-Kauffrau ihren Beruf im Büro aufgab, fragte sie ihren Chef ganz direkt, ob sie als Rentnerin nicht den Job ihrer Tochter bekommen könnte, da die ihn nicht mehr brauchte. Seitdem sitzt sie im Schnitt 25 bis 30 Stunden im Monat am Empfang bei der Bäderschau in der Filiale in Kempten. „Die Entscheidung war für mich auch finanziell wichtig“, gibt Centa Theobald offen zu. Schließlich hat sie, als ihre Tochter noch jung war, lange halbtags gearbeitet. Das macht sich in der Rente bemerkbar. Gleichzeitig genieße sie es, mit den Kunden ins Gespräch zu kommen, nette Kollegen zu haben.
Dabei mangelt es der lebhaften Frau nicht an Kontakten: Centa Theobald ist die stellvertretende Präsidentin des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes (ASM), Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, leidenschaftliche Klarinettistin und begeisterte Bergsteigerin. Die Musik hat auch heute noch stets Vorrang: „Ich gebe meinen Terminkalender ab und passend dazu werden meine Dienste eingetragen. Da bin ich sehr dankbar dafür“, sagt sie.
Ihr Kollege aus der Stahlbiegerei ist da flexibler. Enes Catovic kommt im Notfall auch sofort. Auf Zuruf. Er sei schon innerhalb einer Stunde vor Ort gewesen. Ein Anruf genügt oft, erzählt Geschäftsführer Olav Mages und lächelt Catovic zu. Der 66-Jährige sagt: „Ich wäre früher auch um Mitternacht gekommen.“Wenn die Arbeit ruft, ist er da. „Seine Einstellung zur Arbeit ist sensationell“, sagt Mages, der wie Brigitte Kleiner weiß, was sie an ihren rüstigen, engagierten Rentnern haben: Etwa 20 bis 25 ehemalige Mitarbeiter kommen regelmäßig zum Arbeiten zu Kleiner. Zu ihnen gehört auch Horst Wenzel. Der 77-Jährige springt immer wieder als Vertreter des Hausmeisters ein. Regelmäßige Rentnertreffen sind Tradition. Es ist vor allem die Loyalität zum Unternehmen, die Kleiner und Mages zu schätzen wissen.
Dabei sind es bei Catovic keine finanziellen Überlegungen, die ihn dazu motivieren, immer wieder in den Betrieb zu kommen und zu arbeiten: „Ich habe eine gute Rente“, betont er. Auch gebe es daheim immer genügend im Haus und Garten zu tun. Catovic ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne. Doch arbeiten gehört für den gelernten Fahrer, der in den 70er Jahren aus dem früheren Jugoslawien nach Deutschland gekommen ist und sich bei Kleiner zum Abteilungsleiter eines 28-köpfigen Teams hoch gearbeitet hat, zum Leben: „Ich arbeite solange ich laufen kann“, sagt Catovic und Mages ergänzt: „So lange holen wir sie auch.“Daniela Hungbaur