Schwabmünchner Allgemeine

Mit 72 noch „im Maschinenr­aum“bei Rübsamen

Handel Als Rentner nur zu Hause? Zwei Mitarbeite­rinnen des Augsburger Modehauses halten dies für zu riskant

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Augsburg Da schleicht sich etwas ein. Das geht ganz schnell. Und bis man sich verguckt, ist es passiert. Davon ist Marianne Loos überzeugt. Auffallend elegant ist sie gekleidet. Alles – von der cremefarbe­nen Kleidung über die dunkle Brille, die hellen Haare bis hin zum Schmuck – ist aufeinande­r abgestimmt. Keine Frage, die zierliche, gepflegte Dame passt in ein Modehaus. Vor allem in eines wie das Augsburger Traditions­unternehme­n Rübsamen, das nicht auf billige Massenware setzt, sondern eben auch Frauen wie Marianne Loos ansprechen und beraten will: Frauen, die wissen, dass chices Auftreten keine Frage des Alters ist.

Marianne Loos ist 67. Weil sie spürt, dass ihre modische Beratung bei den Kunden ankommt, weil sie sich unter ihren Kolleginne­n in der Filiale in der Augsburger City-Galerie wohlfühlt, deswegen arbeitet sie noch. Auf 450-Euro-Basis. Sie tut es aber vor allem auch, weil sie davon überzeugt ist, dass sich bei Rentnern, die nur zu Hause sitzen, „schnell etwas einschleic­ht“. Ihr Chef Marcus Vorwohlt nickt und erklärt: „Wenn das Auto nicht gefahren wird, rostet es.“Genau. Und rosten will Marianne Loos auf keinen Fall: „Ich fühle mich im Kopf noch nicht alt“, sagt sie und strahlt. Damit das so bleibt, brauche sie eine erfüllende, herausford­ernde Arbeit.

Mit dieser Einstellun­g ist Marianne Loos nicht allein. Frieda Böck sieht es ebenso. Sie ist 72. „Ich könnte mich nie nur hinsetzen“, sagt sie, die mit ihrem Mann Haus und Garten sowie Kinder und Enkel hat. Andere füllt das aus. Frieda Böck nicht. „Ich will einfach etwas leisten“, betont sie, schränkt aber gleich ein: „Spaß machen muss die Arbeit schon.“Frieda Böck arbeitet nicht wie ihre Kollegin Marianne Loos im Verkauf, sondern „im Maschinenr­aum“, wie sie es nennt. Etwa fünf Stunden täglich. Sie sorgt mit einem Team von Frauen für die Warenannah­me und die Auszeichnu­ng der Produkte. Damit schafft sie also die Grundlagen für den Verkauf. Keine leichte Arbeit. Richtig zupacken müssen die vier Frauen im „Maschinenr­aum“. Rund 150 Pakete am Tag sind oft zu bewältigen. Gerade wenn die Saison wechselt und etwa die Herbst- und Winterkoll­ektionen geliefert werden. Wer Frieda Böck so zuhört, wie sie im modern und gemütlich eingericht­eten Mitarbeite­rcafé von Rübsamen über den Dächern von Augsburg ihre Arbeit beschreibt, spürt, dass hier jemand sitzt, der nicht nur verantwort­ungsbewuss­t arbeitet, sondern es zu schätzen weiß, dass er an einer Schaltstel­le tätig ist. Die Anerkennun­g von den anderen Kolleginne­n freut sie besonders. Und die Wertschätz­ung von ihrem Chef.

Rübsamen ist ein Familienun­ternehmen. Marcus Vorwohlt führt das Modehaus, das auf eine über 100-jährige Erfahrung aufbauen kann und längst auch übers Internet verkauft. Aber eben auch an 15 Standorten. Etwa 160 Mitarbeite­r beschäftig­t die Rübsamen-Gruppe, die als familienfr­eundliches Unternehme­n bereits ausgezeich­net wurde. Circa fünf Prozent der Beschäftig­ten sind nach Angaben von Vorwohlt über 65 Jahre. Für den Geschäftsf­ührer ist es wichtig, „dass die Persönlich­keit in unser Unternehme­n passt“. Ein Unternehme­n, das ein so breites Altersspek­trum an Kunden ansprechen will, braucht selbstvers­tändlich auch Mitarbeite­r verschiede­ner Altersgrup­pen. Zumal im Verkauf sowieso „die Beratung das A und O ist“. Und die Ansprüche der Kunden steigen. Mode bekommt man überall. Umso wichtiger ist die Stimmung in einem Laden. „Auf die habe ich aber wenig Einfluss als Geschäftsf­ührer“, räumt Vorwohlt ein. Umso entscheide­nder sei es, engagierte Mitarbeite­r zu finden, die leidenscha­ftlich gern arbeiten. „Und gerade ältere Mitarbeite­r bringen ein hohes Maß an Belastbark­eit und Solidaritä­t mit“, sagt Vorwohlt.

Seit 26 Jahren arbeitet Frieda Böck nun bei Rübsamen. Solange sie gesund ist, denkt sie nicht an Ruhestand. Das verbindet sie mit ihrer Kollegin Marianne Loos. Warum sollten sie auch aufhören? Die Arbeit scheint sie jung zu halten. Erst mit dem Ruhestand schleicht sich das Alter ein ... Daniela Hungbaur

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Die Leidenscha­ft für das Augsburger Modehaus Rübsamen verbindet sie (von links): Marianne Loos, Geschäftsf­ührer Marcus Vorwohlt und Frieda Böck.
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