Schwabmünchner Allgemeine

Syrien-Diplomatie am Rande der Resignatio­n

Bürgerkrie­g Auf Aleppo geht ein Bombenhage­l nieder. Aber die Politiker sind ratlos

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New York Man muss jetzt gar keine großen Worte mehr machen. Es reicht ein Blick in die Gesichter. Egal ob sie John Kerry, Boris Johnson oder Frank-Walter Steinmeier heißen: Bei den mehr als 20 Außenminis­tern, die nun nach zweieinhal­b Stunden Syrien-Gesprächen nacheinand­er aus dem großen Ballsaal des „New York Palace Hotel“kommen, sitzt der Frust tief. So tief wie vielleicht noch nie.

Wieder nichts. Wieder keine halbwegs gerechtfer­tigte Aussicht auf einen zuverlässi­gen Waffenstil­lstand. Immer noch kein Termin für eine Rückkehr nach Genf, an den Verhandlun­gstisch. Nicht einmal eine Einigung darüber, dass die Militärflu­gzeuge über Syrien wenigstens für ein paar Tage am Boden bleiben, um nach längst mehr als 250000 Toten die Menschen dort endlich zu verschonen.

Statt dessen bekommen die Minister in die Sitzung hinein Meldungen über neue schwere Luftangrif­fe auf Aleppo gereicht. Die syrische und die russische Luftwaffe überziehen den Ostteil von Aleppo mit einem wahren Bombenhage­l. Die Attacken sollen dem syrischen Militär zufolge eine Bodenoffen­sive vorbereite­n. Die Syrien-Diplomatie – eine Maschine, die jetzt auch schon mehr als fünf Jahre läuft – befindet sich nun am Rande der Resignatio­n. Ausgerechn­et hier im „Palace“, wo man kurz vor Weihnachte­n 2015, in einer früheren Runde, schon geglaubt hatte, sich endlich auf einen Friedenspl­an geeinigt zu haben.

Als Kerry nach dem jüngsten Treffen der Internatio­nalen SyrienUnte­rstützergr­uppe (ISSG) dann doch noch ein paar Worte sagt, macht er aus seiner Unzufriede­nheit keinen Hehl: „Ich bin nicht weniger entschloss­en als gestern, aber ich bin sogar noch frustriert­er. Das ist offensicht­lich. So wie bisher können wir nicht weitermach­en.“

Steinmeier, der ansonsten wie sein US-Kollege durchaus in der Lage ist, auch kleinste Fortschrit­te zu preisen, spricht von einem „bisherigen Tiefpunkt“. Noch knapper das Urteil des UN-Sonderverm­ittlers Staffan de Mistura über die Gespräche: „Langwierig, schmerzhaf­t, enttäusche­nd.“

Dabei hatte es vor ein paar Tagen gar nicht mal so schlecht ausgesehen. Kurz vor Beginn der alljährlic­hen Generaldeb­atte bei den Vereinten Nationen hatten sich Kerry und sein russischer Gegenpart Sergej Lawrow auf einen Waffenstil­lstand für Syrien verständig­t, der sogar in eine militärisc­he Zusammenar­beit der beiden Großmächte münden sollte. Nach dem Angriff auf einen UN-Hilfskonvo­i mit mehr als 20 Toten zu Beginn der Woche war jedoch alles wieder Makulatur.

Jetzt wird mit Gesprächen in allen möglichen Konstellat­ionen versucht, noch irgendwie zu retten, was zu retten ist. Auch Kerry und Lawrow trafen sich mehrfach unter vier Augen. Die Hoffnung ruht darauf, mit einem mehrtägige­m Stopp von Luftangrif­fen wieder in eine Feuerpause hineinzuko­mmen. Nach Steinmeier­s Worten gab es innerhalb der Unterstütz­ergruppe viel Zustimmung für den Vorschlag eines zeitlich befristete­n „Flugverbot­s“, wie er das nennt. Russland lehnt das bislang allerdings strikt ab, ebenso wie der Iran, die zweite große Schutzmach­t Assads.

Lawrow macht zur Bedingung dafür verlässlic­he Zusagen der syrischen Opposition, damit radikal-religiöse Gruppen auf keinen Fall die Lage ausnutzen. Lawrow kündigt nach Angaben von Teilnehmer­n in der Unterstütz­ergruppe zumindest an, Rücksprach­e mit Moskau zu halten. Die Entscheidu­ng dürfte letztlich Kremlchef Wladimir Putin persönlich treffen.

C. Sator, J. Schmitt-Tegge, dpa

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Foto: imago Bombenhage­l auf Aleppo: Einwohner suchen nach Überlebend­en.

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