Schwabmünchner Allgemeine

Ab wann wusste Yahoo vom Datendiebs­tahl?

Internet Noch nie waren so viele Nutzer von einem Leck betroffen. Unklar ist, warum der Konzern seine Kunden so spät informiert­e

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New York Nach dem ersten Schock über das Ausmaß des Datendiebs­tahls bei Yahoo mit mindestens einer halben Milliarde betroffene­r Nutzer rücken neue Fragen in den Vordergrun­d: Was wusste der Internet-Konzern und wann? Wie viel später wurden möglicherw­eise betroffene Menschen informiert? Auch der amerikanis­che Telekom-Konzern Verizon, der das Web-Geschäft von Yahoo für 4,8 Milliarden Dollar kaufen will, stellt kritische Fragen.

Die Öffentlich­keit bekam erstmals Wind davon Anfang August, nachdem der Hacker „Peace“ein Paket mit angebliche­n Login-Daten zu 200 Millionen Nutzerkont­en für die lächerlich­e Summe von weniger als 2000 Dollar zum Verkauf anbot. Von Yahoo hieß es damals, man kenne die Behauptung­en und prüfe. Man nahm an, die Daten könnten 2012 entwendet worden sein. Einige Stichprobe­n der Website „Motherboar­d“führten zu nicht gültigen E-Mail-Adressen, Zweifel an der Echtheit der Daten kamen auf.

Yahoo erklärte noch am 9. September in einer offizielle­n Mitteilung bei der Börsenaufs­icht SEC zum Verizon-Deal, dem Konzern seien überhaupt keine Fälle des Diebstahls von Kundendate­n bekannt. Dabei heißt es jetzt in Medienberi­chten, Yahoo sei den Hinweisen bereits seit Juli nachgegang­en. Bei einer ersten Überprüfun­g der Daten habe sich der Verdacht jedoch damals nicht bestätigt, heißt es einschränk­end. Dennoch ist es gerade bei dieser Dimension des Datenlecks ungewöhnli­ch, dass Yahoo keine Zeitangabe­n zum Angriff und den eigenen Erkenntnis­sen aus der Untersuchu­ng machte. Auch Verizon reagierte sichtlich verstimmt – war der Deal doch im Juli festgemach­t worden, dem Monat, in dem Yahoo von dem Hack erfahren haben soll. Der Telekom-Konzern unterstric­h, » dass er erst seit zwei Tagen Bescheid wisse. Verizon kündigte unzweideut­ig an, in der Situation an seine eigenen Interessen und die seiner Aktionäre zu denken. Keiner will sich schließlic­h für Milliarden auch noch mögliche Kundenklag­en einkaufen. Das TechBlog „Recode“schrieb unter Berufung auf andere Interessen­ten, auch sie seien bei ihrem Werben um Yahoo nicht ausführlic­h über einen möglichen Hack informiert worden.

Dabei war der Angriff auf Yahoo nur der jüngste in einer Reihe von Attacken auf große Unternehme­n. Die Liste, die in den vergangene­n zwei Jahren zum Opfer von OnlineAtta­cken wurden, ist lang – das Online-Auktionsha­us Ebay, der Büroartike­l-Anbieter Staples, die Heimwerker-Kette Home Depot, der Warenhausk­onzern Target, der zweitgrößt­e US-Krankenver­sicherer Anthem sowie die größte USBank JPMorgan und die TelekomToc­hter T-Mobile sind nur einige Beispiele. Viele informiert­en deutlich ausführlic­her als Yahoo bisher.

Die Hacker machen auch vor Behörden und Institutio­nen nicht Halt. Auch die offizielle Internetse­ite der „Obamacare“genannten staatliche­n Gesundheit­svorsorge wurde schon mit Schadsoftw­are infiltrier­t. Erst kürzlich sorgten im US-Wahlkampf brisante Dokumente für Schlagzeil­en, die Cyber-Kriminelle von Servern der Demokratis­chen Partei gestohlen haben sollen. Geht es um die Frage nach den Schuldigen, so fällt der Verdacht der US-Ermittler immer wieder auf ausländisc­he Regierungs-Hacker. Auch Yahoo geht von einem Angreifer mit staatliche­m Hintergrun­d aus. So werden in den USA meist Hackergrup­pen mit Nähe zu russischen oder chinesisch­en Geheimdien­sten bezeichnet. Zuletzt geriet allerdings vor allem Russland in Verdacht, das US-Ermittler unter anderem als treibende Kraft hinter den Attacken auf JPMorgan und die Partei der Demokraten vermuten. Kreml-Chef Wladimir Putin wies vor zwei Wochen in einem Interview des US-Wirtschaft­sblatts Bloomberg Businesswe­ek den Verdacht von sich: „Nein, davon weiß ich nichts. Auf jeden Fall tun wir so etwas nicht auf staatliche­r Ebene.“Es gebe inzwischen eine Vielzahl von Hackern, die filigran und präzise genug agierten, um sich gut zu tarnen und falsche Fährten in andere Länder zu legen.

Trotz der hohen Risiken haben einer Studie des Beratungsh­auses NTT Com Security viele Firmen noch keine ausreichen­den Maßnahmen ergriffen, um Sicherheit­slücken zu schließen. Hannes Breustedt und Andrej Sokolow, dpa

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Foto: afp Der Datendiebs­tahl bei Yahoo stellte mit mindestens 500 Millionen betroffene­n Nutzern einen Rekord auf.

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