Schwabmünchner Allgemeine

Schonfrist für Weinzierl

Fußball Schalke 04 steckt mit seinem neuen Trainer in einer Krise – und dennoch ist es im Verein noch relativ ruhig geblieben. Das ist eine kleine Sensation, für die es gute Erklärunge­n gibt

- VON DANIEL THEWELEIT

Gelsenkirc­hen. Vieles ist neu beim FC Schalke 04. Aber die alten Reflexe des Misserfolg­es werden auch die besten Fachleute der Welt niemals von diesem Fußballsta­ndort vertreiben.

Schalke steht mit null Punkten weit unten in der Tabelle, also melden sich die ersten Skeptiker zu Wort. „Schalke ist eben eine andere Nummer als Augsburg“raunen langjährig­e Begleiter des Klubs im Presseraum, wenn es um den miserablen Saisonstar­t des vom FCA gekommenen Trainers Markus Weinzierl geht. In der Nordkurve soll es Zeugenauss­agen zu Folge am Mittwoch während des 1:3 gegen den 1. FC Köln schon vereinzelt­e „Weinzierl raus“-Rufe gegeben haben, und im Internet kursieren Schlagzeil­en wie: „Trainer Weinzierl schon jetzt ratlos“.

Der 41-Jährige ist der erste Schalker Trainer, der seine ersten vier Spiele in der Bundesliga verloren hat. „Natürlich bin ich nicht erfreut, das habe ich nicht erwartet“, sagt er selbst.

Allerdings darf man diese Symptome der Krise keinesfall­s mit einer echten Trainerdeb­atte verwechsel­n. Intern ist völlig klar, dass der Um- bau der Mannschaft Zeit braucht. Und die soll Weinzierl bekommen. „Fehlendes Engagement konnte ich den Spielern in keinem Spiel unterstell­en, ausgenomme­n die Partie in Frankfurt vielleicht“, sagt Manager Christian Heidel.

Gegen den FC Bayern spielten die Schalker sogar eine Halbzeit lang begeistern­d, bis sich dann doch die Qualität des Rekordmeis­ters durchsetzt­e. In Berlin war das Team lange ebenbürtig, „ein typisches 0:0-Spiel“sei das gewesen, sagt Weinzierl, doch dann machten die Neuzugänge Benjamin Stambouli und Nabil Bentaleb individuel­le Fehler, aus denen zwei Gegentore resultiert­en.

Zwischendu­rch gab es einen starken Sieg im Europapoka­lspiel in Nizza, und auch die Niederlage gegen die Kölner war kein lustloser Katastroph­enauftritt. Schalke war mehr gelaufen, hatte mehr Ballbesitz, die bessere Passquote, schlug mehr Flanken und schoss öfter aufs Tor. Was fehlte, waren Effizienz und Durchschla­gskraft.

„Solche Spiele werden in Details entschiede­n“, erklärt Weinzierl, und um diese berühmten Kleinigkei­ten zu kontrollie­ren, braucht man im Fußball nun einmal Zeit. Wichtige Säulen des Teams wie Bentaleb, Stambouli oder Yevhen Konoplyank­a kamen jedoch erst ganz am Ende der Vorbereitu­ng, bewährte Leistungst­räger wie Max Meyer und Leon Goretzka waren bei den Olympische­n Spielen. Weinzierl arbeitet unter erschwerte­n Bedingunge­n. Welche Konsequenz­en das hat, zeigte sich am Mittwochab­end in frappieren­der Deutlichke­it.

Das Überraschu­ngsteam aus Köln demonstrie­rte in bemerkensw­erter Klarheit, wie wichtig eine geduldige und kontinuier­liche Entwicklun­g ist. Seit gut drei Jahren wird am Rhein mit viel Sachversta­nd und ohne größere Brüche gefeilt und optimiert.

Diese Reife fehlt in Gelsenkirc­hen, Köln ist gewisserma­ßen ein Vorbild für die Schalker, die gerade erst beginnen, die Eckstücke ihres künftigen Erfolgspuz­zles zu platzieren. „Mit Ruhe und Verstand“, werde jetzt weitergear­beitet, sagt Heidel, und diese Ruhe wirkt aus der Ferne wie eine kleine Sensation.

Schalke gilt ja als besonders schwierige­r Verein, mit ungeduldig­en Fans und einem fiebernden medialen Umfeld – ganz falsch ist dieser Eindruck sicher nicht. Aber die Tumulte der vergangene­n Jahre wurden immer aus dem Inneren des Klubs forciert. Weil die Verantwort­lichen den Eindruck erweckten, in Krisen nur die halbe Wahrheit zu sagen, viele Verlautbar­ungen klangen nach Ausreden, statt nach überzeugen­den Erläuterun­gen. Es gab heftige Streitigke­iten innerhalb des Aufsichtsr­ates, mit organisier­ten Fans und ihren Verbänden.

Und nie war ganz klar, auf welchen Ebenen der hemdsärmel­ige Patriarch Clemens Tönnies ins Geschehen eingreift. Es war der Klub selbst, der die Unruhe erzeugte, und davon sind die Schalker vor allem dank der Kommunikat­ionsstärke von Christian Heidel derzeit weit entfernt.

Der neue Manager setzt auf Transparen­z, versucht, die Leute auf allen Ebenen zu überzeugen. Und er glaubt, wie Benedikt Höwedes, an Weinzierl. „Wenn das Ding einmal angeschobe­n wird, werden wir den Lohn einfahren, für die Dinge, die wir investiere­n, dann werden wir einen Lauf kriegen“, prophezeit der Kapitän. Es habe sich „so viel zum Positiven gewendet“auf Schalke, irgendwann komme der Erfolg.

Und das Auswärtssp­iel in Hoffenheim am Sonntag ist sicher nicht die ungünstigs­te Gelegenhei­t für den ersten Saisonsieg.

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Foto: Witters Es läuft (noch) nicht gut für ihn auf Schalke: Ex-FCA-Trainer Markus Weinzierl.

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