Schwabmünchner Allgemeine

Seehofers Machtkampf

Rezension Der Journalist Peter Müller, ein gebürtiger Augsburger, hat ein Buch über den CSU-Chef und sein Ringen mit sich selbst und seiner Partei geschriebe­n

- VON ULI BACHMEIER

München Die Beziehung zwischen dem Spiegel-Journalist­en Peter Müller und Horst Seehofer war nicht immer so eng, dass der CSUChef ihm Einblick in seinen SMSVerkehr mit der Kanzlerin gewährte und ihm auch sonst allerlei Vertraulic­hes aus dem Machtzentr­um der Republik verriet. Das lag an einer Sache, die sich im Herbst des Jahres 2014 zugetragen hat.

Seehofer besuchte China. Auch unsere Zeitung war dabei. Höhepunkt für Fotografen und Fernsehtea­ms sollte eine Begehung der Chinesisch­en Mauer sein. Doch Seehofer machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Er weigerte sich, die letzten Stufen hinaufzust­eigen, und ließ sich nur unterhalb des mächtigste­n Bollwerks der Weltgeschi­chte ablichten. War er einfach nur bockig? Oder wollte er verbergen, dass ihm schlicht die Puste ausgegange­n war? Keiner der Beteiligte­n konnte es mit Sicherheit sagen. Müller entschied sich damals für Version zwei und schrieb einen Artikel unter dem Titel: „Die letzten Stufen“. Die un- terschwell­ige Botschaft: Seehofers Kräfte schwinden. Er ist zu schwach, um es noch ganz nach oben zu schaffen.

Das nahm ihm der CSU-Chef übel. Doch der Bann währte nicht lange. Bald ließ er Müller wieder teilhaben an seinen kleinen und großen Schlachten, die er mit politische­n Gegnern, der CDU und ihrer Chefin sowie der eigenen Partei auszufecht­en hatte. Und weil Müller ein aufmerksam­er Zuhörer ist, der seinen Gesprächsp­artnern oft mehr entlockt, als sie eigentlich preisgeben wollen, konnte daraus ein bemerkensw­ertes Buch entstehen, das diese Woche in den Handel kommt. Es heißt: „Der Machtkampf. Seehofer und die Zukunft der CSU“.

Müller hat vor den für die CSU möglicherw­eise schicksalh­aften Wahlen im Bund (2017) und in Bayern (2018) noch einmal alles zusammenge­tragen, was es über den CSUChef und sein Ringen mit sich selbst, mit politische­n Gegnern und mit seinen Rivalen und potenziell­en Nachfolger­n in der eigenen Partei zu sagen gibt: Seine Zweifel am Charakter seiner ehrgeizigs­ten Nach- wuchskraft Markus Söder. Seine Bedenken, die Partei anderen, weniger durchsetzu­ngsstarken „Prinzlinge­n“zu überlassen. Seine Erkenntnis­se, wie stark und wie schwach die CSU je nach politische­r Großwetter­lage sein kann. Seine Ängste, dass ausgerechn­et mit ihm an der Spitze die Partei ihre Vorherrsch­aft in Bayern und damit auch ihre Sonderstel­lung in Deutschlan­d verlieren könnte.

Keine „Schmutzele­i“, keine Intrige, keine Gemeinheit, die sich in den vergangen Jahren zugetragen hat, lässt Müller aus. Leser, die die Politik der CSU in Bayern und im Bund aufmerksam verfolgen, können noch einmal Revue passieren lassen, wie die Partei in den Jahren 2005 bis 2008 in größte Not kam, wie unter Seehofer in den Jahren 2008 bis 2013 die Rückerober­ung der absoluten Mehrheit gelang, wie der Parteichef danach einige Zeit lang der größte Fan der Bundeskanz­lerin war und sogar von der absoluten Mehrheit der Union im Bund träumte – und wie der Streit in der Union über die Flüchtling­spolitik diesen Traum platzen ließ.

Müller beschreibt die CSU als „eine Partei, die ständig am Abgrund balanciert“. Er sieht in der Art, wie Seehofer Entscheidu­ngen trifft, eine Parallele zu SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Meist chaotisch, manchmal genial.“Er behauptet, Seehofers Verhältnis zur Kanzlerin sei „auf lange Zeit zerrüttet“.

Ob all seine Analysen zutreffen, sei dahingeste­llt – wie schon 2014 auf der Chinesisch­en Mauer. Aber man merkt dem Buch an, dass es mit großem Verständni­s für die politische­n Besonderhe­iten in Bayern geschriebe­n ist. Das liegt offenkundi­g auch an der Herkunft des Autors: Müller stammt aus Bayern. Er ist in Augsburg geboren und hat seine journalist­ische Karriere bei den Mittelschw­äbischen Nachrichte­n in Krumbach begonnen.

„Der CSU-Chef weiß, dass er in absehbarer Zeit Macht abgeben muss, doch er ist gefangen in einem Bild, das er von sich selbst geprägt hat.“

Autor Peter Müller

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Foto: Kneffel, dpa/Archiv Der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer setzte sich bei seinem Besuch im Reich der Mitte im Herbst 2014 nur wenige Schritte vor den Zinnen der Chinesisch­en Mauer hin. Die Bitten der Pressefoto­grafen, die auf einen Schnappsch­uss hoch oben auf...

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