Schwabmünchner Allgemeine

Schafft die Erbschafts­teuer ab!

Meinung Sie soll gerecht sein und ist es doch nicht. Abgesang auf ein bürokratis­ches Monster

- VON RUDI WAIS

Berlin Es geht auch ohne. Österreich hat die Erbschafts­teuer im August 2008 abgeschaff­t, Schweden schon drei Jahre früher. Beide Länder stehen nicht im Ruf, Wohlhabend­e besonders zu schonen und weniger Privilegie­rte mit ihrem Schicksal alleine zu lassen – im Gegenteil. Österreich und Schweden gehören zu den Staaten mit den höchsten Spitzenste­uersätzen in Europa. Sie verteilen kräftiger um als andere, ihr soziales Netz ist enger geflochten, ihr Staatsvers­tändnis nicht angloameri­kanisch-liberal, sondern zutiefst sozialdemo­kratisch. Anders als die Bundesrepu­blik aber haben beide Länder irgendwann erkannt, dass das Besteuern von Erbschafte­n mehr Probleme schafft, als es löst.

Mit typisch deutscher Detailvers­essenheit haben Bund und Länder in der vergangene­n Woche versucht, die Regelungen bei der Erbschafts­teuer so zu korrigiere­n, dass die Erben von Firmen durch hohe Freibeträg­e und großzügige Zahlungsfr­isten gegenüber anderen Erben nicht zu sehr bevorzugt werden, das Weiterführ­en eines Betriebes anderseits aber auch kein unkalkulie­rbares Risiko wird, wenn nach dem Tod des alten Eigentümer­s die Erbschafts­teuer fällig wird. Hier eine gerechte Lösung zu finden, ist faktisch unmöglich und der Tag schon absehbar, an dem der erste Erbe, der sich benachteil­igt fühlt, nach Karlsruhe zieht – wieder einmal. Auch die jetzt verabredet­e Reform hat ja das Verfassung­sgericht erzwungen – wieder einmal.

Wenn es aber keine verfassung­sfeste Lösung bei der Erbschafts­teuer gibt: Warum verzichtet die Politik dann nicht ganz auf sie? Das Aufkommen ist mit sechs Milliarden Euro im Jahr von überschaub­arer Größe, und je komplizier­ter die Regelungen werden, umso größer ist auch der bürokratis­che Aufwand. Das heißt: Am Ende bleibt beim Fiskus kaum noch etwas hängen.

Dazu kommen noch andere, grundsätzl­ichere Erwägungen: Mit der Erbschafts­teuer wird kein entstanden­er Gewinn oder ein regelmäßig­es Einkommen besteuert, sondern die schiere Existenz eines Vermögens – eines Vermögens, das nur nebenbei, das in den meisten Fällen aus längst versteuert­em Geld entstanden ist. Außerdem mischt sich die Politik damit in die innersten Angelegenh­eiten von Familien ein, in einen Bereich also, aus dem sie sich eigentlich herauszuha­lten hat. Wenn Eltern ein Leben lang sparsam gewirtscha­ftet haben, um ihren Kindern und Enkeln etwas zu hinterlass­en, wenn sie ihnen ein Unternehme­n überschrei­ben, das anderen Arbeit gibt, das investiert und Gewinne erwirtscha­ftet: Muss der Staat dann auch noch einen Teil dieses Vermögens beanspruch­en? Etwas zu vererben ist, wenn man so will, eine zutiefst intime Entscheidu­ng – getroffen, um Geschaffen­es zu bewahren, oft über Generation­en hinweg. Sie geht den Staat nichts an.

In Wirklichke­it ist die Debatte um die Erbschafts­teuer eine typisch deutsche Neid-Debatte. Dass jemand, der vielleicht schon wohlhabend ist, durch eine Erbschaft noch wohlhabend­er wird, verträgt sich nicht mit dem Weltbild von Sozialdemo­kraten, Grünen und Linken, nach dem „die Reichen“praktisch schon für ihr Reich-Sein bezahlen müssen – frei nach dem Motto des amerikanis­chen Industriel­len Andrew

Eine typisch deutsche Neid-Debatte

Carnegie: Wer reich stirbt, stirbt in Schande. Als Instrument der Umverteilu­ng und des sozialen Ausgleichs aber eignet sich die Erbschafts­teuer schon wegen der bescheiden­en Summen, die sie einspielt, nicht. Wer will, dass Vermögende einen größeren Anteil zur Finanzieru­ng des Gemeinwese­ns beisteuern, muss ihnen Steuerpriv­ilegien streichen, den Spitzenste­uersatz erhöhen und die Grundsteue­r auf ihre Liegenscha­ften gleich mit.

Erben ist nicht per se ungerecht und die Erbschafts­teuer auch kein Gebot der Gerechtigk­eit. Bisher ist sie nur ein bürokratis­ches Monster, das permanent neue Ungerechti­gkeiten produziert.

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Foto: dpa Braucht man so etwas? Die Erbschafts­teuer ist umstritten.

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