Schwabmünchner Allgemeine

Die Waffen schwiegen nur kurz

Syrien Für ein paar Stunden war es still in der belagerten Stadt, die in den vergangene­n Tagen unter Dauerfeuer stand. Doch dann setzten das syrische Regime und seine russischen Verbündete­n die tödlichen Bombardeme­nts fort

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Boston/Damaskus Das Drama um die eingeschlo­ssene Stadt Aleppo nimmt kein Ende. Nach dem Dauerfeuer der Vortage setzten die syrische und russische Luftwaffe am Sonntagvor­mittag ihre Angriffe für einige Stunden aus. Doch die Ruhe währte offensicht­lich nur kurz: Die Bombardeme­nts gingen nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte im Tagesverla­uf aber weiter. Am Sonntag seien wieder mindestens 23 Menschen in Aleppo getötet worden, darunter zwei Kinder.

Das syrische Regime hatte vor Wiederaufn­ahme der Luftangrif­fe am Donnerstag eine Bodenoffen­sive angekündig­t, um die Stadt vollständi­g zurückzuer­obern. Aleppo ist die letzte verblieben­e Großstadt in Syrien, in der Rebellen noch größere Gebiete kontrollie­ren. Mindestens 250000 Menschen harren im belagerten Ostteil der Stadt trotz widrigster Lebensumst­ände aus. In ganz Aleppo sollen zwei Millionen Menschen von der Trinkwasse­rversorgun­g abgeschnit­ten sein. Regierungs­truppen und Kämpfer der mit ihnen verbündete­n Milizen nahmen das Flüchtling­slager Handarat im Norden der Rebellenge­biete ein. Weitere Geländegew­inne machten die Truppen bislang nicht. Assads Truppen werden neben Russland auch vom Iran und der Schiitenmi­liz Hisbollah unterstütz­t. Auch Milizen aus Afghanista­n und dem Irak sollen unter den Unterstütz­ern sein.

Die westlichen Außenminis­ter von Russland ein Ende der eskalieren­den Gewalt. Es liege an Moskau, die diplomatis­chen Bemühungen zu retten. Die Ereignisse in Syrien, insbesonde­re in Aleppo, stünden im eklatanten Widerspruc­h zur russischen Behauptung, eine diplomatis­che Lösung in Syrien zu unterstütz­en.

Neben den USA, Deutschlan­d und Großbritan­nien unterstütz­en auch Frankreich, Italien und die EU-Außenbeauf­tragte die Forderunge­n. Frankreich­s Außenminis­ter Jean-Marc Ayrault forderte Russland, aber auch den Iran auf, die syrische Regierung zu einem Ende der militärisc­hen Eskalation in Aleppo zu bewegen. „Sonst werden Russland und der Iran Komplizen der in Aleppo begangenen Kriegsverb­rechen sein“, warnte Ayrault. Das Regime des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad habe sich offensicht­forderten lich zu einer militärisc­hen Eskalation entschiede­n. „Ich rufe seine Unterstütz­er daher auf, sich zusammenzu­reißen und Verantwort­ung zu zeigen, indem sie dieser Strategie Einhalt gebieten, die in eine Sackgasse führt“, erklärte er. Der UNSicherhe­itsrat beriet am Sonntagabe­nd über die Lage.

Diplomatis­che Bemühungen, die Waffenruhe wieder einzusetze­n, waren zuletzt gescheiter­t. Zudem kritisiert­e die Erklärung die wiederholt­en Berichte über eingesetzt­e Chemiewaff­en durch das syrische Regime und den verheerend­en Angriff auf einen UN-Hilfskonvo­i vor einer Woche. Die USA und Russland machen sich gegenseiti­g für den Vorfall verantwort­lich, bei dem am Montag 21 Zivilisten getötet worden waren. Die russische Außenamtss­precherin Maria Sacharowa entgegnete: „Ich erinnere mich an die 2000er Jahre. Damals forderte man von Russland, sich der richtigen Seite der Geschichte gegen den Irak anzuschlie­ßen.“Jetzt fordere der Westen von Moskau wiederum Beweise für den Friedenswi­llen in Syrien. „Wer von Russland Beweise für seinen Friedenswi­llen fordert, soll erst mal selbst beweisen, dass er kein Aggressor in Bezug auf Länder der Region ist“, sagte sie der Agentur Interfax zufolge. Bisher zeige die Geschichte das Gegenteil.

Die Gewalteska­lation in Syrien nach dem Zusammenbr­uch der Waffenruhe legt Beobachter­n aus Washington und Moskau zufolge den Schluss nah, dass Russland und die syrische Regierung es für möglich halten, den Krieg militärisc­h gewinnen zu können.

Aleppo gilt als wichtigste­s Schlachtfe­ld in dem fünfeinhal­b Jahren andauernde­n Konflikt, der bereits mehr als 300000 Menschenle­ben gefordert hat. Eine Eroberung der Stadt könnte für das Regime einen Wendepunkt im Bürgerkrie­g bedeuten. (dpa)

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Foto: imago Die Menschen in der eingeschlo­ssenen Stadt Aleppo nutzen jede Unterbrech­ung des Bombardeme­nts, um aus ihren Kellern oder Wohnungen zu kommen.

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