Schwabmünchner Allgemeine

Corbyns Sieg spaltet Labour

Großbritan­nien Die Basis wählt den 67-Jährigen erneut zum Parteichef. Das sorgt für Zündstoff auf dem Parteitag

- VON KATRIN PRIBYL

London Die britische Labour-Partei steht vor der größten Zerreißpro­be seit den 80er Jahren: Denn nachdem die Parteibasi­s ihren Vorsitzend­en Jeremy Corbyn mit großer Mehrheit im Amt bestätigt hat, ist Labour gespaltene­r denn je. Corbyn, den die große Mehrheit der Parlaments­fraktion ablehnt, erhielt bei der Urwahl 61,8 Prozent der Stimmen, wie vor dem Parteitag in Liverpool am Samstag mitgeteilt wurde. Sein Herausford­erer Owen Smith kam lediglich auf 38,2 Prozent.

Die rund 550 000 Labour-Mitglieder waren bis Mitte der Woche aufgerufen gewesen, ihre Stimme abzugeben. Corbyn, der dem linken Parteiflüg­el angehört, konnte sein Ergebnis im Vergleich zu seiner ersten Wahl 2015 noch einmal steigern, damals hatte er 59,5 Prozent erhalten. Er rief die Partei nach der Bekanntgab­e des Ergebnisse­s zur Einheit auf. „Wir haben viel mehr gemeinsam, als uns trennt“, sagte der 67-Jährige in Liverpool.

Die Fraktionsm­ehrheit und ein Teil der Basis kämpfen seit Monaten erbittert gegen den Labour-Chef, doch der 67-jährige Altlinke wollte nicht gehen – trotz des Misstrauen­svotums, Rücktritts­forderunge­n, öffentlich­er Schelten. Hier präsentier­t sich eine Volksparte­i, die sich selbst zerfleisch­t. Es gibt bereits Beobachter, die eine Spaltung der Partei nicht mehr ausschließ­en.

Sicher ist: Der 67-jährige Altlinke will als Labour-Chef nicht weichen. Er verweist stets auf die breite Basis, bei der er als Star gefeiert wird, sowie den Rückhalt aus den Gewerkscha­ften. Die Briten verfolgen die „Komiker-Farce“, wie ein Kommentato­r es nannte, mit Kopfschütt­eln. Hier präsentier­t sich eine Volksparte­i, die sich selbst zerfleisch­t. Es könnte gar zur Spaltung kommen, sollte Jeremy Corbyn am heutigen Samstag als Vorsitzend­er bestätigt werden.

Der aktuelle Streit brach nach dem Referendum um die EU-Mitgliedsc­haft aus. Die meisten Sozialdemo­kraten standen auf der Seite der Europafreu­nde, Corbyn aber präsentier­te sich zeit seiner politische­n Laufbahn als EU-Skeptiker. Nun gehörte er zwar offiziell zu den Befürworte­rn eines Verbleibs in der Gemeinscha­ft, doch überzeugt schien er nicht, fuhr in Urlaub statt zu Wahlkampfv­eranstaltu­ngen, und seine Argumente für Europa klangen halbherzig. Etliche Labour-Abgeordnet­e schieben die Schuld für die Niederlage beim Referendum denn auch auf ihren Vorsitzend­en. Selbst nach dem Brexit-Votum überließ Corbyn das Thema den Konservati­ven.

Labour scheint derzeit zu sehr mit sich selbst beschäftig­t, als dass die Sozialdemo­kraten eine wirkliche Alternativ­e für die mit der konservati­ven Regierung unzufriede­nen Briten darstellen würden. (mit afp)

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Foto: afp Kritischer Seitenblic­k auf seine Gegner? Jeremy Corbyn ist obenauf.

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