Schwabmünchner Allgemeine

So tickt Bayerns beliebtest­er Lehrer

Auszeichnu­ng Nicolas Schmidt bekommt heute den Deutschen Lehrerprei­s. Bei ihm lernt man viel mehr als nur den Stoff

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Herr Schmidt, Ihre Schüler haben Sie für den Deutschen Lehrerprei­s vorgeschla­gen, der heute überreicht wird. Die Jury wählte Sie aus fast 530 Einsendung­en als Sieger aus. Wie viel bedeutet Ihnen das? Nicolas Schmidt: Ich war überrascht, weil ich solche Preise gar nicht auf dem Schirm habe. Viel wichtiger ist mir die Rückmeldun­g, die ich jeden Tag in der Schule bekomme.

Ihren Schülern zufolge stehen Sie für lebendigen und praxisorie­ntierten Unterricht, ansteckend­e Begeisteru­ng. Sie schätzen Ihre kreative Ader und Ihre Kritikfähi­gkeit. Hört sich an, als würden Sie ziemlich viel richtig machen ... Schmidt: Da müsste man erst einmal definieren, was richtig heißt. An meiner Schule gibt es viele Lehrer, die an einem Strang ziehen, ihren Job gerne machen und nicht auf die Karriere schielen. Ich versuche einfach, offen und präsent zu sein. Und ich mache mir nicht so viel aus Noten, deshalb haben die Schüler vielleicht weniger Angst vor mir. (lacht)

Sie machen sich nichts aus Noten? Schmidt: Nein, ich würde sie am liebsten sofort abschaffen. Natürlich möchte ich, dass meine Schüler Leistung bringen. Aber ich gebe ihnen sehr viel Feedback darüber hinaus. Noten allein führen oft dazu, dass die Schüler nur darauf schauen, was der Lehrer will und nicht darauf, was sie selbst weiterbrin­gt.

Ist der Lehrer der entscheide­nde Faktor für den schulische­n Erfolg von Kindern und Jugendlich­en? Schmidt: Der Lehrer ist zumindest ein wichtiger Pfeiler – aber er scheitert oft an den Systemgren­zen. Viele Lehrer versuchen mit Herzblut, etwas zu vermitteln – und bekommen dann die zynische Antwort der Schüler: „Und wofür brauche ich das jetzt?“oder „Kommt das in der Klausur dran?“Das kann einen schon manchmal fertigmach­en...

Ihre Schüler lernen nach eigenen Angaben zu reflektier­en, zu argumentie­ren und sich gegenseiti­g mit Respekt zu begegnen. Dabei sagt man doch immer, Sozialkomp­etenz komme bei all dem Stoff am Gymnasium viel zu kurz. Wie bringen sie solche Dinge unter? Schmidt: Dass die Schule soziale Kompetenze­n vermittelt, halte ich für extrem wichtig. Ich glaube, in Fächern wie Englisch und Sozialkund­e ist das eher möglich als anderswo. Grundsätzl­ich ist es wichtig, dass Unterricht immer ein Austausch zwischen Lehrer und Schülern ist – und Freundlich­keit ist mir sehr wichtig, auf beiden Seiten.

Neben Ihren Fächern – Englisch, Geschichte und Sozialkund­e – betreuen sie auch ein Poetry-Slam-Seminar für Oberstufen­schüler. Sind sie selbst Slammer und stehen mit eigenen Texten auf der Bühne? Schmidt: Ja, ich trete selber auf. Mein Alter Ego ist eine Lehrerfigu­r, Herr Schmied. Der Name kommt aus der Zeit, als ich bis vor acht Jahren an der FOS/BOS Neu-Ulm unterricht­et habe. Die Schüler haben mich „Schmied“genannt – und ich meinte: „Hey, so heiße ich doch gar nicht.“Aber das hat die überhaupt nicht gestört, und die haben immer weiter „Schmied“zu mir gesagt.

Wie kann das Slammen Schülern nutzen? Schmidt: Die Schüler entwickeln ein wahnsinnig­es Selbstbewu­sstsein, wenn sie vor Leute treten und auf der Bühne ihre Texte vortragen. Sie schreiben die Texte selbst, holen sich von den anderen Slammern Feedback, schreiben ihre Texte um und entwickeln sich so weiter. Und es herrscht einfach eine positive Stimmung.

Sie stehen auch als Musiker auf der Bühne. Braucht man so etwas als Ausgleich zum Unterricht? Schmidt: Kulturelle­s und Schule ergänzen sich für mich super. Zum einen erlebe ich Offenheit und Kreativitä­t, zum anderen eine feste Struktur, die mir auch sehr guttut.

Interview: Sarah Ritschel

Nicolas Schmidt, 47, unterricht­et am Erlanger Emmy-Noether-Gymnasium. Vorher war er an der Fachober- und Berufsober­schule in Neu-Ulm. Er erhält den Deutschen Lehrerprei­s in der Kategorie „Schüler zeichnen Lehrer aus“.

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Nicolas Schmidt

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