Situation in Aleppo immer dramatischer
Syrien Die Kliniken sind hoffnungslos überfüllt. Der Bombenterror in Aleppo hört nicht auf. Diplomatie ist hilflos
Aleppo Ungeachtet internationaler Proteste hat die syrische Führung ihre Offensive auf Aleppo mit aller Härte fortgesetzt. Am Montag verstärkten sich die Bombardements und lösten Großbrände aus. Die humanitäre Lage im eingekesselten Ostteil der Stadt, der von den Rebellen gehalten wird, verschlechtert sich dramatisch. Lebensmittel und Medikamente werden knapp. Im UN-Sicherheitsrat sagte US-Botschafterin Samantha Power: „Was Russland fördert und unterstützt, ist nicht Terrorbekämpfung, es ist Barbarei.“UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon sprach von „Kriegsverbrechen“. Moskau wies dies empört zurück. Das syrische Regime erklärte, die Luftwaffe werde weiter gegen „Terroristen“vorgehen. (afp, dpa)
Aleppo/Kairo/New York Während der heftigsten Bombardierungen im syrischen Bürgerkrieg gibt es in den hoffnungslos überfüllten Krankenhäusern Aleppos nur noch Platz auf dem Boden. „Kinderschreie hallen durch die blutverschmierten Flure, in denen überall Verwundete liegen“, erzählt Ibrahim al-Hadsch, ein Rettungshelfer der Organisation der Weißhelme. „Der Geruch von Blut und Tod ist überall.“
Der gegenwärtig verheerendste Konflikt der Welt erlebt seit Donnerstag eine Eskalation bislang ungekannten Ausmaßes. Der belagerte Ostteil der Stadt erzittert unter den gnadenlosen und nicht aufhörenden Explosionen der Bomben des syrischen Regimes. Gebäude stürzen ein wie Kartenhäuser und begraben unzählige Bewohner unter sich. Immer öfter fällt das Wort „Kriegsverbrechen“.
Und der Welt bleibt nichts anderes übrig, als ohnmächtig auf die geteilte Stadt zu schauen, die längst zum traurigen Symbol geworden ist. „In vielerlei Hinsicht (...) ist Aleppo für Syrien das, was Sarajevo für Bosnien, oder was Guernica für den Spanischen Bürgerkrieg war“, sagte Frankreichs UN-Botschafter François Delattre am Sonntag bei der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.
Noch vor wenigen Tagen, vor dem Zusammenbruch der kurzen Waffenruhe, haben Kinder auf den Straßen der Stadt gespielt. Seit Donnerstag hört das Dröhnen der Kampfjets am Himmel Nordsyriens nicht mehr auf. Das Regime und seine Verbündeten – vor allem Russland und der Iran – schießen den Osten Aleppos sturmreif. Hunderte Unschuldige werden getötet.
Viele Straßen werden nur noch von ausgebrannten Häuserskeletten gesäumt. Nachdem eine Verteilstation getroffen worden ist, sind Unicef zufolge zwei Millionen Menschen ohne fließendes Wasser.
Der Gewaltherrscher Baschar alAssad und seine Alliierten setzen dabei Berichten zufolge schwerste Waffen ein. Die neuen Raketen würden auch die Wände von Bunkern durchbrechen, in denen Bewohner Zuflucht suchten, sagt der Aktivist Bahaa al-Halabi. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon spricht von „Barbarei“. Auch international geächtete Fassbomben, Streumunition und Brandbomben würden über den Rebellenteilen der Stadt abgeworfen. „Wir haben Berichte, Videos und Bilder von gemeldeten Brandbombeneinsätzen gesehen, die so gewaltige Feuerbälle erzeugen, dass sie die pechschwarze Dunkelheit in Ost-Aleppo erleuchten, als ob es Tag wäre“, sagte UN-Vermittler Staffan de Mistura vor dem Sicherheitsrat. „Zivilisten überall in der Stadt müssen sich fragen, wo auf Erden sie in dieser gequälten Stadt noch sicher sein können.“
Mehr als 250000 Menschen harren im Osten Aleppos aus. Die syrische Armee und ihre Verbündeten haben das Gebiet abgeriegelt. Nichts und niemand kann hinein oder heraus. Bäckereien würden aus Mangel an Zutaten nur alle drei Tage öffnen, erzählt Kameramann Mahmut Raslan. „Aber die Menschen haben Angst, Brot zu kaufen, weil sie die Bombardierung von Bäckereien befürchten.“Sie harren in ihren Wohnungen aus.
Arzneien und medizinische Ausrüstung sind nach wochenlanger Belagerung Mangelware. „Menschen sterben in großer Zahl, uns fehlt es an allem Möglichen, um mit so schweren Wunden und den vielen Verletzten fertig zu werden“, sagt ein Krankenpfleger. Das Personal arbeite rund um die Uhr, doch viele Patienten bräuchten aufwendige Operationen, für die es in Aleppo keine Ärzte mehr gibt. „Menschen schauen ihren Geliebten zu, wie sie langsam vor ihren Augen sterben. Wir können nichts machen.“
Die Menschen in Aleppo fühlen sich alleine gelassen von der Welt. Sie sind schutzlos einem menschenverachtenden Massaker ausgesetzt. „Aleppo brennt, die wollen den Osten der Stadt von der Karte Syriens ausradieren“, schreibt Brita Hagi
„Sollen sie doch im Bombenhagel verhandeln“
Hassan, Mitglied des oppositionellen Stadtrates von Aleppo. „Und die ganze Welt hält immer noch still.“
Auch in Deutschland löst das Schicksal von Aleppo Diskussionen aus. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sagt am Montag in Berlin: „Vielleicht haben die Gespräche mehr Erfolg, wenn in Aleppo verhandelt wird – bei andauernden Bombardements.“Es sei absolut unerträglich, was in Aleppo geschehe. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, sagt dazu, dass in Aleppo de facto keine Gespräche stattfinden könnten, wisse jeder. Die Gewalt in Syrien werde immer schlimmer, weil Gruppierungen, Institutionen und Mächte innerhalb und außerhalb des Landes nicht gemeinsam einer politischen Lösung auch Taten folgen lassen wollten. B. Schwinghammer und W. Hamzah, dpa