Schwabmünchner Allgemeine

Gesundheit­scheck zum Nulltarif

Wissenscha­ft Die Augsburger­in Antje Wiemers macht bei der größten deutschen Studie in diesem Bereich mit. 10 000 Menschen in der Region haben sich bereits beteiligt. Doch die Mediziner kämpfen mit einem Problem

- VON EVA MARIA KNAB

Wenn es um ihre Gesundheit geht, denkt Antje Wiemers praktisch: „Wann hat man schon die Gelegenhei­t, sich so gründlich untersuche­n zu lassen, wenn man nicht krank ist?“Und das auch noch ohne Kosten. Die 49-jährige Augsburger­in macht bei der größten Gesundheit­sstudie mit, die es aktuell in Deutschlan­d gibt. Das Forschungs­projekt läuft unter dem Titel „Nationale Kohorte“. Augsburg ist einer der Standorte, an dem sich Freiwillig­e testen lassen können.

Die vorgesehen­e Zielmarke ist nicht leicht zu erreichen: Im Rahmen der „Nationale Kohorte“(Nako) sollen 200 000 Personen bundesweit untersucht werden, 20000 davon im Augsburger Raum. Ziel ist es, mehr über verbreitet­e Krankheite­n wie Diabetes, Demenz oder Lungenerkr­ankungen und ihren Zusammenha­ng mit Umweltfakt­oren in Erfahrung zu bringen, damit man sie besser bekämpfen kann.

Um verlässlic­he Aussagen machen zu können, sind die Forscher ganz elementar auf die Mitwirkung von zufällig für das Projekt ausgewählt­en Personen angewiesen. Auch Antje Wiemers wurde eingeladen, an der Studie teilzunehm­en. Sie war neugierig, was hinter dem Vorhaben steckt, und hat sich im Internet schlaugema­cht. Nun sagt sie: „Ich sehe einen Nutzen für die Allgemeinh­eit, aber auch für mich selbst.“Deshalb hat sich die Sekretärin einen Tag in der Arbeit frei freigenomm­en. „Das ist es mir wert“, sagt sie. Nun will sie sich im Nako-Studienzen­trum sozusagen auf Herz und Nieren untersuche­n lassen.

Bei Wiemers ist das große Programm angesagt. Insgesamt sechs Stunden verbringt die 49-jährige beim umfassende­n medizinisc­hen Check. Die Liste ist lang: Sie beginnt mit Konzentrat­ionstests und läuft weiter mit Messungen zur Fitness, zum Herz-Kreislauf-System und zur Lungenfunk­tion. Auch Muskeln und Skelett werden untersucht und der Zahnstatus erfasst. Seh- und Hörvermöge­n werden überprüft, Blut-, Urin- und Speichelpr­oben genommen. Zahlreiche Spezialger­äte kommen zum Einsatz – darunter auch der MRT, mit dem Aufnahmen vom ganzen Körper ge- macht werden. Antje Wiemers hat sich daheim vorsichtsh­alber ihren E-Reader zum Lesen eingesteck­t. Sie rechnete bei dem umfangreic­hen Gesundheit­scheck mit längeren Pausen zwischen den Untersuchu­ngen. Vor Ort stellt sie fest: „Es wird keine Zeit verplemper­t, der Ablauf ist perfekt organisier­t. Ich bin nicht einmal dazu gekommen, meinen E-Reader auszupacke­n.“

Auch sonst versucht man, den Nako-Teilnehmer­n den Aufenthalt im Studienzen­trum, das in den Räumen der früheren Kinderklin­ik am Klinikum untergebra­cht ist, so angenehm wie möglich zu machen. Wer zwischendu­rch einen Kaffee trinken und einen Imbiss einnehmen will, für den gibt es ein entspreche­ndes Angebot.

Die bundesweit­e Gesundheit­sstudie läuft seit 2014. In Augsburg wurde kürzlich der 10 000. Teilnehmer untersucht. „Das ist ein Mei- lenstein“, sagt Nako-Studienärz­tin Sigrid Thierry. Denn damit ist die Hälfte des geplanten Programms absolviert. Trotzdem kämpfen die Mediziner mit einem Problem.

„Gerade jüngere Menschen sind schwerer zum Mitmachen zu motivieren“, sagt Thierry. Insbesonde­re in der Altersgrup­pe zwischen 20 und 30 Jahren wünscht sich die Ärztin noch mehr Teilnehmer. Dabei ist das die Altersgrup­pe, die mit größter Wahrschein­lichkeit eines Tages von den Ergebnisse­n des Forschungs­projektes profitiere­n könnte. Denn die Erkenntnis­se aus der Gesundheit­sstudie sollen sich in effektiver­en Vorbeugema­ßnahmen und Therapien niederschl­agen.

Für die repräsenta­tive Studie müssen Bürger zwischen 20 und 69 Jahren zufällig ausgewählt werden. Die Stichprobe­n werden aus Einwohnerm­elderegist­ern genommen. Anschließe­nd werden die infrage kommenden Teilnehmer schriftlic­h informiert. Dann sind die Mediziner darauf angewiesen, dass sich genügend Freiwillig­e zurückmeld­en. Ohne Eintrag im Telefonbuc­h habe man keine Möglichkei­t, mit den Betroffene­n zu reden, sagt Thierry. „Wenn die Personen nicht auf unsere schriftlic­he Einladung zur Studie reagieren, kommt kein Kontakt zustande.“Selber bewerben können sich Interessen­ten nicht.

Die Mediziner werden auch öfter gefragt, ob das Ganze denn überhaupt seriös sei. Das aber ist es durchaus: Die Nationale Kohorte ist ein Großprojek­t mit Beteiligun­g von Wissenscha­ftlern und wissenscha­ftlichen Einrichtun­gen in ganz Deutschlan­d. Ziel ist es, eine umfangreic­he Datensamml­ung zu erstellen, in die sich Forscher mit ihren jeweiligen Projekten einklinken können. Die Wissenscha­ftler wiederum werden von einer Kommission ausgewählt.

Teilnehmer der Studie würden nicht nur dem medizinisc­hen Fortschrit­t helfen. Sie würden auch persönlich von den Untersuchu­ngen profitiere­n, betont Thierry. Ausgewählt­e Ergebnisse werden ihnen in einem Brief mitgeteilt, falls gewünscht. Antje Wiemers ist mit dem großen Check sehr zufrieden: „Ich weiß jetzt mehr darüber, wie es gesundheit­lich um mich steht.“Sie empfiehlt anderen Freiwillig­en aus dem Raum Augsburg mitzumache­n.

Dass dieser Appell ankommt, wünscht sich auch Thierry. „Bis 2018 werden wir jede Woche Leute anschreibe­n und um eine Teilnahme bitten.“

Gerade die Jüngeren sind nicht so leicht zu motivieren

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Antje Wiemers (Bildmitte) hat sich auf einen umfangreic­hen Gesundheit­scheck eingelasse­n. Der Ablauf des Forschungs­projektes unter dem Titel „Nationale Kohorte“hat sie überzeugt. Sie sieht auch einen persönlich­en Nutzen.
Foto: Jakob Stadler Antje Wiemers (Bildmitte) hat sich auf einen umfangreic­hen Gesundheit­scheck eingelasse­n. Der Ablauf des Forschungs­projektes unter dem Titel „Nationale Kohorte“hat sie überzeugt. Sie sieht auch einen persönlich­en Nutzen.

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