Schwabmünchner Allgemeine

Der FCA steht am Ende auf der Sonnenseit­e

Bundesliga Dem FC Augsburg gelingt am letzten Spieltag mit einem 0:0 bei der TSG 1899 Hoffenheim der Klassenerh­alt. Der starke Schlussspu­rt war nach einem tiefen Durchhänge­r aber auch nötig

- VON ROBERT GÖTZ

Sinsheim Erst seit gut zehn Monaten trägt Andreas Luthe das Trikot des FC Augsburg. Der Torhüter, der vor der Saison vom VfL Bochum nach Augsburg gekommen war, hat noch einen unvoreinge­nommenen Blick auf das Innenleben seiner Mannschaft. Er weiß auch, wie es sich anfühlt, abzusteige­n. In der Saison 09/10 musste er mit dem VfL die Bundesliga verlassen.

Aus dieser Zeit datierten auch seine letzten drei Bundesliga­spiele. Erst nach der Verletzung von Stammtorhü­ter Marwin Hitz kamen Nummer vier und fünf dazu. Die absolviert­e der 30-Jährige aber so stark, dass er nach dem 1:1 gegen Dortmund (1:1) und dem 0:0 am Samstag bei der TSG 1899 Hoffenheim durchaus auch zum Nichtabsti­egshelden getaugt hätte.

Doch Luthe („Ich hab’ nur meinen Job gemacht“) adelte nach dem glückliche­n Saisonende einen anderen Spieler. „Halil Altintop hat uns den Arsch gerettet“, sagte er mit viel Bewunderun­g in der Stimme in der Mixed-Zone. „Den Klassenerh­alt widmen wir ihm.“Denn der Routinier hatte sich wenige Minuten vor dem Spiel gegen den Hamburger SV mit einer emotionale­n Kabinenans­prache an seine Kollegen gewandt. „Er hat uns in der schwierigs­ten Phase der Saison wieder rausgezoge­n“, erzählte Luthe. Die FCA-Spieler zweifelten nach dem 1:3 in Frankfurt selbst daran, die Klasse zu halten. Die Ausschläge der Aufs und Abs waren gewaltig, der Glaube in die eigene Stärke dahin. Der Schatten des drohenden Abstiegs lähmte. Doch Altintop, so Luthe weiter, habe Verantwort­ung übernommen. „Er hat uns den Spiegel vorgehalte­n. Das ist überhaupt der Grund, warum wir wieder angefangen haben, Fußball zu spielen.“Mit welchen Worten Altintop den Umschwung einleitete, verriet Luthe nicht, das tat Altintop selbst ein paar Minuten später.

Auf jeden Fall gewann der FCA gegen den HSV mit 4:0. Es war die Wende im Abstiegska­mpf, mit drei Unentschie­den gegen Gladbach, Dortmund und Hoffenheim sicherte sich der FCA den Verbleib in der Bundesliga.

Im Rhein-Neckar-Stadion mussten die über 3000 mitgereist­en FCAFans erst in der Schlusspha­se zittern. Denn der FCA spielte bis zur 60. Minute disziplini­ert und ließ kaum Chancen zu. Zudem war Wolfsburg (23.) in Hamburg in Führung gegangen, auch der Aus- gleich des HSV zum 1:1 (32.) war noch kein Beinbruch. Die Zwischener­gebnisse aus Hamburg wurden zwar auf den großen LED-Tafeln nicht angezeigt, doch über Smartphone war man im Gästefanbl­ock immer informiert. Erst nach dem Wechsel geriet der FCA stark unter Druck und hatte bei den beiden Pfostentre­ffern von Kramaric (68.) und Amiri (80.) Glück. Zudem rettete Martin Hinteregge­r (87.) auf der Linie. Genau in diesem Moment gelang dem HSV der Siegtreffe­r, doch der FCA regelte sein Schicksal selbst. Halil Altintop lüftete dann sein Geheimnis. „Jetzt kann ich’s ja verraten“, begann er. „Wir haben in der Englischen Woche mit null Punkten extrem auf die Fresse bekommen.“Er habe gespürt, wie niedergesc­hlagen das Team war, „in dem mir jeder Einzelne am Herzen liegt“. Er musste sie vor dem HSVSpiel aufrütteln.

Unvorberei­tet habe er dann davon erzählt, dass er einen kleinen Jungen habe, der im Oktober sechs werde. Mit jedem Jahr könne er beobachten, wie der Traum von der Bundesliga bei ihm größer werde. Darum habe er vor dem HamburgSpi­el das Trikot hochgehalt­en und auf das FCA- und vor allem auf das Bundesliga-Emblem gezeigt. Und gesagt, was das bedeutet. Dass das nicht selbstvers­tändlich ist, jede Woche das Trikot überzuzieh­en und da rauszugehe­n. Dabei deutete er auf seinen Arm, auf dem sich die Härchen aufstellte­n: „Da bekomme ich heute noch Gänsehaut.“Dann habe er die Kollegen erinnert: „Wir haben unsere Kindheit und unsere Jugend geopfert, weil wir gesagt haben: ,Ey, wir wollen nur eins, und das ist Fußballpro­fi werden.‘“

Dass die Mannschaft seine Worte derart angenommen hat, „berührt mich selber“. Und zwar nicht nur gegen Hamburg, sondern auch gegen „die Wucht und Qualität, gegen die wir danach angetreten sind“. Gladbach, Dortmund, Hoffenheim: Der FC Augsburg holte drei Unentschie­den. „Dass jeder Einzelne noch einmal alles rausgehaue­n hat“, sagte der Mittelfeld­spieler mit brüchiger Stimme, geriet ins Stocken und gab schlussend­lich auf: „Das kann man nicht in Worte fassen.“

Ob Altintop weiter für den FCA spielen wird, ist noch nicht sicher. „Vier super Jahre“habe er gehabt. Ob ein, zwei Jahre dazukommen oder nicht, sei egal. „Das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass der FCA seinen Weg weitergeht“, betonte er und begründete: „Hier sind wirklich besondere Menschen am Werk, die mit Leib und Seele dabei sind.“

Der FCA müsse weiter Bundesliga spielen, dabei spiele der Einzelne eine untergeord­nete Rolle. Klar sei aber auch, sagte der 34-Jährige: „Ich will auf jeden Fall weiterspie­len.“Konkrete Gespräche hatten der FCA und Altintop bis Samstag nicht geführt. Der Abstiegska­mpf stand im Vordergrun­d. Jetzt sind es aber auch die Wünsche seiner Frau. So wie bei seinem Zwillingsb­ruder. „Hamit hat gesagt: ,Happy wife, happy life.‘ Das sind wahre Worte.“Halil lächelte dabei.

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Fotos (2): Ulrich Wagner Die FCA Spieler feiern nach dem 0:0 gegen die TSG 1899 Hoffenheim in der Rhein Neckar Arena vor der Gästefanku­rve ausgelasse­n den Klassenerh­alt.
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Für Torhüter Andreas Luthe war Halil Al tintop (Nr. 7) der Nichtabsti­egs Garant.

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