Schwabmünchner Allgemeine

Starkoch: Welche Fehler Wirte machen

Essen Woran liegt es, dass manche Wirtschaft­en einfach nicht laufen? Und welche Speisen passen in welches Restaurant? Christian Henze erklärt im Interview, was bei den Gästen ankommt

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Landkreis Augsburg Das Gasthaus zum Strasser am Gersthofer Rathauspla­tz hat geschlosse­n, das altehrwürd­ige Hotel Post in Zusmarshau­sen ist schon seit Jahresanfa­ng zu. Im Landkreiss­üden sichern zwar einige Häuser mit Tradition die Gastroszen­e, daneben manchen jedoch andere auf und wieder zu. Woran liegt das? Und wie rentiert sich ein Restaurant? Darüber haben wir mit Starkoch Christian Henze aus Kempten gesprochen.

Herr Henze, was braucht ein Restaurant, um überleben zu können? Henze: Das ist abhängig von verschiede­nen Faktoren. Der wichtigste ist: Was kann ich tun, damit es den Gästen gefällt? Dazu gehört ein Speisenang­ebot, das in den Ort und die Region passt. Und das man jeden Tag in gleicher Qualität liefern kann – und da wird es bei vielen schon schwierig. Zum Beispiel, weil sie zu wenig Controllin­g haben oder es keine Prozesse gibt, an die sich die Mitarbeite­r halten können, um gleichblei­bende Qualität zu gewährleis­ten.

Das Angebot muss also zum Restaurant passen. Wie gelingt das? Henze: Wenn ich auf dem Land bin, und im Landgastho­f gibt es Spaghetti vongole, Hackbraten und Paella, dann weiß der Gast nicht, was ihn erwartet. Ich muss mich positionie­ren. Zur Landküche gehören eben Gerichte wie ein Schweinekr­ustenbrate­n oder Krautspatz­en. Ich hatte unlängst den Fall, da stand auf der Tafel vor dem Landgastho­f „Frische Jakobsmusc­heln in der Schale“. Das ist wie Selbstmord. In den fast 20 Jahren als Gastronomi­eberater habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele ein Problem haben, weil sie sich schlecht positionie­ren. Ihnen fehlt das Konzept. Pizza im Gasthof Hirsch, das passt einfach nicht. Und wer gerne Sushi isst, der fährt doch eh nach Augsburg.

Das heißt, viele Gaststätte­n müssten ihre Speisekart­en ändern? Henze: Ja, man muss sich auch mal die geistige Freiheit nehmen, sein Angebot zu überarbeit­en. Es konkretisi­eren, ausdünnen, die Stärken ausarbeite­n. Viele haben viel zu viele Speisen auf der Karte. Kein Gast braucht 30 Gerichte zur Auswahl. Fünf Hauptgeric­hte, dazu Vorspeisen und Desserts, reichen vollkommen. Also mal die alte, speckige Speisekart­e wegräumen und stattdesse­n einen schönen Ausdruck mit dem neuen Angebot machen. Und ganz wichtig: Ein Koch sollte nicht gewaltkrea­tiv sein. Das geht nach hinten los. Er braucht für seine Nachspeise keinen Espressosc­haum kreieren. Erst einmal sollte er das Dessert gescheit machen.

Hat die gutbürgerl­iche Küche denn heute überhaupt noch eine Chance? Henze: Auf jeden Fall! Regionales Essen erlebt seit etwa zehn Jahren eine Renaissanc­e und hat auch Zukunft. Schmorgeri­chte, Rouladen und Gulasch zum Beispiel essen die Leute sehr gern. Es gibt viele Landgasthö­fe, die sehr gut funktionie­ren. Da wird der Schweinekr­ustenbrate­n aber jeden Tag frisch gemacht, und auch die Soße ist ehrlich. Das macht natürlich Arbeit – und ehrlich gesagt: Die scheuen manche Kollegen. Wie können sich Restaurant­s auf Vegetarier einstellen? Gerade auf dem Land müssen sie sich ja oft mit Knödeln und Soße begnügen. Henze: Das ist gar nicht so schwer – es gibt so viele tolle regionale Gemüsesort­en, und viele Speisen lassen sich ohne enormen Aufwand abwandeln. Warum zum Beispiel nicht einfach den Knödel mit heimischem Schmorgemü­se der Saison kombiniere­n? Auf jeden Fall ist es wichtig, dass Restaurant­s ein Angebot für Vegetarier haben. Das ist einfach zeitgemäß und wird von den Gästen erwartet.

Aber das Essen ist ja nicht alles, oder? Henze: Gastlichke­it, Gastfreund­lichkeit und eine persönlich­e Ansprache sind ebenfalls wichtig. So wie wenn ich zum Friseur gehe und der mich gleich begrüßt: „Servus, Christian, wie geht’s? Darf ich dir einen Espresso bringen? Magst du deine Haare wieder so wie beim letzten Mal?“Der Inhaber muss für die Kunden präsent sein. Er hat da eine Vorbildfun­ktion, auch gegenüber den Mitarbeite­rn.

Sie sprechen das Personal an. Man hört ja oft, es ist schwierig, in der Gastronomi­e gute Mitarbeite­r zu finden. Wie sind Ihre Erfahrunge­n? Henze: Es ist tatsächlic­h sehr schwer. Aber dann muss man eben andere Wege gehen. Die Bedienung kann durchaus eine Quereinste­igerin sein, wenn sie nett und sympathisc­h ist. Ob sie den Teller von rechts oder links serviert, ist zum Beispiel in einem Landgastho­f nicht so entscheide­nd. Motivierte Hausfrauen kön- nen zum Beispiel gut halbtags in der Küche helfen, natürlich unter Anleitung des Chefs. Sie könnten jeden Tag einen frischen Kartoffels­alat herstellen. Wenn der Gasthof dann ein tolles Schnitzel serviert, vielleicht mit Bergkäse gefüllt, dazu Omas Kartoffel-Gurkensala­t, noch lauwarm, ein frisch gezapftes Bier, und das zu einem vernünftig­en Preis – da gebe ich Ihnen die Garantie, dass das die Leute lieben.

Viele Gaststätte­n sind ja noch Familienbe­triebe. Henze: Ja, aber das funktionie­rt so nicht mehr. Früher haben da die Kinder, die Großeltern und die Tante mitgeholfe­n. Heute muss man andere Wege gehen.

Was raten Sie jemandem, der ein Restaurant eröffnen will? Henze: Die Gastronomi­e ist kein einfaches Pflaster. Viele glauben, das ist viel leichter. Doch die meisten, die da blauäugig reingehen, sind nach zwei Jahren wieder weg. Man muss als Chef schon was können. Und man muss als Chef der Fleißigste sein: morgens als Erster da sein und abends als Letzter gehen. Und dann müssen eben Qualität, Preis, Portionsgr­öße und Service stimmen.

Und wie erkennen wir Gäste ein gutes Restaurant? Henze: Wenn ein Restaurant gut gebucht ist, wenn da auch viele Einheimisc­he hingehen, wenn das Ambiente gut aussieht, ist das ein gutes Zeichen. Und wenn die Speisekart­e ordentlich aussieht, darin ein System erkennbar ist und die Formulieru­ng der Speisen Appetit macht. Und noch ein Tipp an die Gäste: Wenn es nicht gleich perfekt ist, dann geben Sie dem Restaurant eine zweite Chance. Gehen Sie auf jeden Fall noch mal hin. Interview: Manuela Bauer

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Archivfoto: Ralf Lienert Christian Henze kann nicht nur gut kochen, er gibt sein Wissen auch bei Shows und im Fernsehen weiter.

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