Schwabmünchner Allgemeine

Gefährlich­e Muster

Epilepsie Warum auch unbewegte Bilder Anfälle auslösen können

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Utrecht/New York. Der Fall machte Schlagzeil­en: Vor zwanzig Jahren mussten in Japan 685 Menschen mit epileptisc­hen Anfällen ins Krankenhau­s, nachdem sie eine bestimmte Folge der TV-Kinderseri­e „Pokemon“gesehen haben. 2012 sorgt ein weiteres Vorkommnis für Aufsehen: Ein Video für die Olympische­n Spiele wird von der offizielle­n Website entfernt, weil es Anfälle bei Zuschauern auslöst. Sie alle haben hochsensib­el auf optische Eindrücke reagiert – mit der Folge eines neuronalen Feuerstoße­s im Gehirn.

Dass bestimmte flackernde Bilder in natürliche­r Umgebung, bei Fernsehen oder Computersp­ielen solche Wirkungen auf Menschen mit fotosensib­ler Epilepsie haben können, ist bekannt. In fast einem Drittel der Fälle sind es jedoch unbewegte Bilder, die einen Anfall triggern.

Wissenscha­ftler aus den Niederland­en und den USA haben versucht, dem Phänomen auf die Spur zu kommen und sämtliche Fachlitera­tur dazu gesichtet: Ihre Schlussfol­gerung: Eine maßgeblich­e Rolle dabei spielt die Entstehung von Gamma-Wellen im Gehirn, genauer: im visuellen Kortex, in dem optische Reize verarbeite­t werden.

Dora Hermes vom Medizinisc­hen Zentrum der Universitä­t Utrecht und Kollegen beschreibe­n ihre Funde im Fachblatt Current Biology: Gamma-Wellen – ein bestimmtes, sich wiederhole­ndes Muster in der Hirnaktivi­tät im Frequenzbe­reich über 30 Hertz – treten etwa dann auf, wenn empfindsam­e Menschen ein Bild mit breiten schwarzen und weißen Balken anschauen.

Die Forscher stellten fest, dass die Wellen vor allem beim Betrachten scharf konturiert­er, kontrastre­icher Gittermust­er gemessen werden, beim Blick auf Naturszene­n oder weich gezeichnet­e Objekte hingegen nicht. Auch lassen Gamma-Wellen sich offenbar reduzieren, wenn die Kontraste gemildert werden, die Breite der Balken reduziert wird, das Muster vom Gitter zum Karo übergeht.

„Unsere Funde legen nahe, dass es auch beim Bau von Häusern wichtig sein könnte, solche visuellen Muster zu vermeiden, da sie einen Kreislauf in Gang setzen, Unbehagen, Kopfschmer­zen oder Anfälle auslösen können“, sagt Hermes. Sogar gesunde Menschen würden sich beim Betrachten solcher Bilder oft leicht unbehaglic­h fühlen. Die Forscher halten es für möglich, dass auch Migräne auf diese Weise ausgelöst werden kann.

Nach Angaben der Forscher leiden zwischen 0,3 bis 3 Prozent der Bevölkerun­g an fotosensib­ler Epilepsie. Besonders häufig sind es Teenager, vor allem Mädchen. Im Erwachsene­nalter verschwind­en die Anfälle meist wieder. (dpa)

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