Schwabmünchner Allgemeine

Was steckt hinter Tumult an Schule?

Asyl Polizisten holten einen jungen Afghanen direkt aus dem Klassenzim­mer. Hunderte Demonstran­ten stellten sich ihnen in den Weg. Im Gerangel drohte der Asylbewerb­er mit Rache

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Nürnberg Der junge Asylbewerb­er, den die Nürnberger Polizei am Mittwoch direkt aus seinem Klassenzim­mer in einer Berufsschu­le heraus in Abschiebeg­ewahrsam genommen hat, bleibt zunächst weiter in Deutschlan­d. Die Bundesregi­erung hat Abschiebun­gen in seine Heimat Afghanista­n nach dem schweren Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul vorübergeh­end ausgesetzt. Bis sich das wieder ändert, bleibt der 20-jährige Asef N. auf freiem Fuß.

Das Gericht habe keine Gründe für die Abschiebeh­aft gesehen, die von der Zentralen Ausländerb­ehörde der Regierung von Mittelfran­ken beantragt worden sei, sagt sein Anwalt Michael Brenner.

Der Einsatz, bei dem die Polizei Asef N. an seiner Schule abholen wollte, war am Vortag aus dem Ruder gelaufen. Kurz nach Schulbegin­n waren Polizeibea­mte in die Nürnberger Berufsschu­le gekommen. Der Schulleite­r bat den 20-Jährigen, aus dem Klassenzim­mer zu kommen; in einem Nebenraum hätten ihn zwei Streifenbe­amte bereits erwartet, berichtete der Polizeidir­ektor Hermann Guth gestern. Er sollte noch am Abend mit dem Flugzeug in seine Heimat abgeschobe­n werden. Wenig später standen zeitweise bis zu 300 Demonstran­ten vor der Schule einer Schar Polizisten gegenüber. Es kam zu tumultarti­gen Szenen. Die Polizei setzte Pfefferspr­ay, Hunde und Schlagstöc­ke ein. Neun Beamte wurden verletzt, fünf Menschen festgenomm­en.

Bei dem Gerangel fielen auch jene Worte, die dem Afghanen möglicherw­eise noch zum Verhängnis werden könnten. Als Polizisten ihn in ein Polizeifah­rzeug bringen wollten, habe er wütend gerufen: „Ich bin in einem Monat wieder da. Und dann bringe ich Deutsche um.“Dies werde von mehreren Polizisten bezeugt, sagte Polizeidir­ektor Guth. Entsetzt zeigte sich darüber Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). Wer sich so äußere, dürfe keine Perspektiv­e in Deutschlan­d haben und habe jegliche Aussicht auf Duldung selbst verspielt. Asef N. war gestern nach Angaben seines Anwalts noch zu aufgeregt, um selbst etwas zu sagen.

Das Damoklessc­hwert der Abschiebun­g schwebt weiterhin über ihm, wie Regierungs­präsident Thomas Bauer gestern verdeutlic­hte. N. müsse damit rechnen, beim nächsten Abschiebef­lug dabei zu sein.

Der junge Flüchtling, der Anfang 2012 nach Deutschlan­d kam, sei gut integriert gewesen, berichtet Dagmar Gerhard von der Nürnberger Flüchtling­sinitiativ­e Mimikri. „Er ist ein netter Typ, kein Macker, total sympathisc­h“, beschreibt ihn ein Mitschüler.

Regierungs­präsident Bauer, Chef der Zentralen Ausländerb­ehörde in Ansbach, sieht das freilich anders. N. habe die Ausländerb­ehörden an der Nase herumgefüh­rt. Acht Mal sei er aufgeforde­rt worden, sich für die Rückführun­g in sein Heimatland einen afghanisch­en Pass zu beschaffen. Das habe er jedes Mal abgelehnt. Seine Abschiebun­g verzögere er dadurch seit Jahren.

Auch der Wunsch des 20-Jährigen, Schreiner zu werden, war spätestens seit März geplatzt: Zu diesem Zeitpunkt hatte die Ausländerb­ehörde N. die Arbeitserl­aubnis entzogen. Dabei hatte er nach MiNürnberg­er mikri-Angaben bereits drei Angebote von Ausbildung­sbetrieben. An diesem Freitag sollte er dafür eine Art Aufnahmepr­üfung bei einem Ausbildung­sbetrieb absolviere­n. „Trotz der Ereignisse will er die Prüfung auch machen“, sagt sein Anwalt.

Was die Täuschungs­vorwürfe in dem Fall angeht, so sieht das die Flüchtling­shilfsorga­nisation Mimikri naturgemäß anders. Man habe ihm dabei geholfen, die für eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng notwendige­n Ausweisdok­umente zu beschaffen. Das könnte letztlich nach Meinung des Vereins sogar der Grund für die Abschiebun­g gewesen sein. Denn: Nur Flüchtling­e, deren Identität geklärt ist, können abgeschobe­n werden.

Makaber findet Anwalt Michael Brenner die Umstände, die letztlich dazu geführt haben, dass Asef N. nicht am Abend in einem Flugzeug Richtung Afghanista­n saß. Letztlich habe sein Mandant nur wegen des Anschlags in Kabul noch einem Ermittlung­srichter vorgeführt werden können, sagt Brenner. „Sonst wäre er weg gewesen.“(dpa)

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