Biotonnen platzen, und Bürger müssen zahlen
Biotonne Betroffene regen sich über Defekte und Geldforderungen auf. Warum sie der Landkreis trotzdem zur Kasse bittet oder von ihnen ein Gutachten verlangt
Schwabmünchen/Landkreis Auf Granit beißen die Anwohner des Menkinger Wegs in Schwabmünchen beim Landkreis Augsburg. Es geht um defekte braune Biotonnen, die ein ganz bestimmtes Muster an Beschädigung aufweisen. Womöglich eine Folge langen Gebrauchs? Während die betroffenen Bürger für den Schaden nicht aufkommen wollen, besteht der Landkreis darauf, dass ihm eine Kostenübernahme beziehungsweise ein kostenloser Umtausch nicht möglich sei. Gibt es eine Einigung?
Christine Flittner ist sehr erzürnt. Nachdem sie schon im Februar festgestellt hatte, dass ihre Biotonne einen etwa 60 Zentimeter langen Längsriss hatte, meldete sie das dem Landratsamt und bat um Ersatz. Als Antwort erhielt sie, dass die Tonnen zwar Eigentum des Landkreises seien, für Schäden an ihnen aber grundsätzlich laut Paragraf 13a Absatz 4 der Abfallwirtschaftsatzung der Bürger aufzukommen habe.
Eine Ausnahme wäre nur möglich, wenn Christine Flittner per Gutachten nachweisen könne, dass ein Materialfehler vorliege oder durch fehlerhafte Entleerung der Schaden entstanden sei. Sie sollte für den Ersatz der Tonne 60 Euro (40 Euro Materialwert, 20 Euro Abholung plus Logistik) bezahlen.
Das will sie auf keinen Fall, da sie sich keinerlei Schuld bewusst ist: „Ich habe die Tonne nie extrem schwer beladen oder den Inhalt komprimiert. Außerdem entstand der Schaden im Februar, als ohnehin fast nichts drin war.“
Sie machte sich also auf die Suche danach, ob es noch mehr defekte Tonnen gebe, und wurde innerhalb kürzester Zeit fündig. „Allein im Menkinger Weg fand ich über zehn Tonnen mit dem gleichen Riss. Deshalb denke ich, dass der Schaden beim Entleeren entstanden ist.“
Bei Gesprächen mit Nachbarn waren sich alle in diesem Punkt einig. „Und wer den Fehler macht, der sollte auch dafür geradestehen“, so die einhellige Meinung. Darauf- hin gingen Telefonate und Schreiben, mehr oder weniger freundlich, zwischen Bürgern und Landratsamt hin und her. Das Endergebnis war: nichts zu machen. Die Bürger sollen für den Schaden aufkommen.
Der Chef des Abfall-Wirtschaftsbetriebs des Landkreises Augsburg, Günther Prestele, sieht keine Haftung durch den Hersteller: „Das Problem ist seit Einführung der Tonne bekannt. Wir haben uns gleich sofort intensiv darum gekümmert. Der Hersteller sagt: Die Biotonnen werden, wie andere Tonnen auch, nach DIN-Norm vollautomatisch hergestellt, der Prozess überwacht und die Qualität des Produkts vor dem Versand kontrolliert. Ein Produktionsmangel ist ausgeschlossen.“Der Entsorger Remondis, er nimmt die Leerung vor, weist ebenfalls jede Schuld von sich: Er könne nachweisen, dass die Fahrzeugmechanik, die ständig kontrolliert wird, korrekt eingestellt ist.
Fazit für Prestele: „Wir vom Landratsamt haben, so leid es uns tut, keine Handhabe gefunden, um Fremdverschulden nachzuweisen. Sollte den Bürgern ein Beweis gelingen, sind wir gerne bereit, in diese Richtung weiter vorzugehen.“
Außerdem sei der Anteil an Reklamationen gering. Rund 64 000 Biotonnen seien im Landkreis ausgegeben. Nicht viel mehr als hundert defekte werden in Konradshofen auf dem Wertstoffhof gelagert, bevor sie in die Wiederverwertung gehen. „Mülltonnen sind grundsätzlich Verschleißartikel. Defekte von weniger als vier Prozent sind weit unter der Norm und als normal hinzunehmen“, so Prestele, der darauf hinweist, dass die Defekte häufig durch zu schwere Beladung und Komprimierung des Inhalts auftreten. Das sogenannte Klopfen beim Entleeren am Transportfahrzeug sei deshalb notwendig, schade aber den Tonnen nicht.
Garantie auf die Tonnen gebe es keine, Kulanz könne nicht gewährt werden, sagt Prestele. „Wir müssen die klare Linie fahren, die uns rechtlich vorgegeben ist. Ich kann den Bürgern mit defekter Tonne nur raten, sie so lange wie möglich zu nutzen und sie möglichst gut zu reparieren.“Im Menkinger Weg in Schwabmünchen haben das Bürger mit Klebeband und Schnüren versucht. Der Erfolg ist unterschiedlich.
Mit der energetischen Verwertung des Inhalts der Biotonne in der Biogasanlage des Abfallzweck-Verbands Augsburg verdient der Landkreis übrigens laut Prestele auf Jahre hinaus kein Geld. „Wir sind wegen der Energiewende dazu gezwungen, so viel wie möglich der Verwertung zuzuführen, was auch vernünftig ist.“All das kann aber die Bürger des Menkinger Wegs in Schwabmünchen nicht besänftigen. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und bleiben dabei: „Wir müssen für etwas bezahlen, wofür wir nichts können. Das ist doch ungerecht.“
Ist ja klar: Der Produzent der Biotonnen beruft sich auf DINNormen. Das Entsorgungsunternehmen sieht seine Handhabung der braunen Tonnen im grünen Bereich. Vom Landratsamt langt gar keiner unsere Tonnen an. Daher sollen Bürger zahlen, wenn eine davon platzt. Doch warum ist unzweifelhaft, was die Partner des Abfallwirtschaftsbetriebs sagen und nicht glaubhaft das, was Bürger versichern? Auch Anwohner des Menkinger Wegs in Schwabmünchen sehen keine Schuld bei sich.
Falscher Gebrauch wird ihnen unterstellt: Sie würden womöglich zu viel in die Tonnen stopfen. Doch warum stehen dann nicht allerorten braune Tonnen mit Riss?
Wenn innerhalb eines kleinen Straßenzugs in Schwabmünchengleich gleich zehn Stück platzen, auf Kreisebene aber nicht einmal der normale Verschleißausfall annähernd erreicht wird, dann kann das ein Zufall sein. Genauso könnte man den Ball aber auch zurückspielen. Was dort seit viereinhalb Jahren an Tonnen vereint steht, dürfte auf einen Schlag ausgeteilt und aufgestellt worden sein. Dann wurde es auch zusammen hergestellt. Das würde sich zumindest ein Gutachter denken und dem Verdacht nachgehen, die Ursache könne irgendwo zwischen Herstellung und Aufstellung liegen. Doch warum sollen Bürger diese Fehlersuche bezahlen? In Aichach rang sich das Landratsamt schon 2015 dazu durch, das selbst zu klären. Doch eigentlich schuf dort schon zuvor ein einfacher Versuch Klarheit: Eine Biotonne wurde mit 110 Kilo beladen – so viel, wie sie maximal tragen darf. Eine Landkreismitarbeiterin konnte sie danach kaum mehr bewegen. Die Damen am Menkinger Weg sollen das aber schon lange so machen? Nach dem Selbstversuch im Sommer 2015 war der Landkreis Aichach-Friedberg beim Umtausch kulant. Danach tauchte das Problem nicht mehr auf.