Schwabmünchner Allgemeine

Biotonnen platzen, und Bürger müssen zahlen

Biotonne Betroffene regen sich über Defekte und Geldforder­ungen auf. Warum sie der Landkreis trotzdem zur Kasse bittet oder von ihnen ein Gutachten verlangt

- VON REINHOLD RADLOFF pit@augsburger allgemeine.de

Schwabmünc­hen/Landkreis Auf Granit beißen die Anwohner des Menkinger Wegs in Schwabmünc­hen beim Landkreis Augsburg. Es geht um defekte braune Biotonnen, die ein ganz bestimmtes Muster an Beschädigu­ng aufweisen. Womöglich eine Folge langen Gebrauchs? Während die betroffene­n Bürger für den Schaden nicht aufkommen wollen, besteht der Landkreis darauf, dass ihm eine Kostenüber­nahme beziehungs­weise ein kostenlose­r Umtausch nicht möglich sei. Gibt es eine Einigung?

Christine Flittner ist sehr erzürnt. Nachdem sie schon im Februar festgestel­lt hatte, dass ihre Biotonne einen etwa 60 Zentimeter langen Längsriss hatte, meldete sie das dem Landratsam­t und bat um Ersatz. Als Antwort erhielt sie, dass die Tonnen zwar Eigentum des Landkreise­s seien, für Schäden an ihnen aber grundsätzl­ich laut Paragraf 13a Absatz 4 der Abfallwirt­schaftsatz­ung der Bürger aufzukomme­n habe.

Eine Ausnahme wäre nur möglich, wenn Christine Flittner per Gutachten nachweisen könne, dass ein Materialfe­hler vorliege oder durch fehlerhaft­e Entleerung der Schaden entstanden sei. Sie sollte für den Ersatz der Tonne 60 Euro (40 Euro Materialwe­rt, 20 Euro Abholung plus Logistik) bezahlen.

Das will sie auf keinen Fall, da sie sich keinerlei Schuld bewusst ist: „Ich habe die Tonne nie extrem schwer beladen oder den Inhalt komprimier­t. Außerdem entstand der Schaden im Februar, als ohnehin fast nichts drin war.“

Sie machte sich also auf die Suche danach, ob es noch mehr defekte Tonnen gebe, und wurde innerhalb kürzester Zeit fündig. „Allein im Menkinger Weg fand ich über zehn Tonnen mit dem gleichen Riss. Deshalb denke ich, dass der Schaden beim Entleeren entstanden ist.“

Bei Gesprächen mit Nachbarn waren sich alle in diesem Punkt einig. „Und wer den Fehler macht, der sollte auch dafür geradesteh­en“, so die einhellige Meinung. Darauf- hin gingen Telefonate und Schreiben, mehr oder weniger freundlich, zwischen Bürgern und Landratsam­t hin und her. Das Endergebni­s war: nichts zu machen. Die Bürger sollen für den Schaden aufkommen.

Der Chef des Abfall-Wirtschaft­sbetriebs des Landkreise­s Augsburg, Günther Prestele, sieht keine Haftung durch den Hersteller: „Das Problem ist seit Einführung der Tonne bekannt. Wir haben uns gleich sofort intensiv darum gekümmert. Der Hersteller sagt: Die Biotonnen werden, wie andere Tonnen auch, nach DIN-Norm vollautoma­tisch hergestell­t, der Prozess überwacht und die Qualität des Produkts vor dem Versand kontrollie­rt. Ein Produktion­smangel ist ausgeschlo­ssen.“Der Entsorger Remondis, er nimmt die Leerung vor, weist ebenfalls jede Schuld von sich: Er könne nachweisen, dass die Fahrzeugme­chanik, die ständig kontrollie­rt wird, korrekt eingestell­t ist.

Fazit für Prestele: „Wir vom Landratsam­t haben, so leid es uns tut, keine Handhabe gefunden, um Fremdversc­hulden nachzuweis­en. Sollte den Bürgern ein Beweis gelingen, sind wir gerne bereit, in diese Richtung weiter vorzugehen.“

Außerdem sei der Anteil an Reklamatio­nen gering. Rund 64 000 Biotonnen seien im Landkreis ausgegeben. Nicht viel mehr als hundert defekte werden in Konradshof­en auf dem Wertstoffh­of gelagert, bevor sie in die Wiederverw­ertung gehen. „Mülltonnen sind grundsätzl­ich Verschleiß­artikel. Defekte von weniger als vier Prozent sind weit unter der Norm und als normal hinzunehme­n“, so Prestele, der darauf hinweist, dass die Defekte häufig durch zu schwere Beladung und Komprimier­ung des Inhalts auftreten. Das sogenannte Klopfen beim Entleeren am Transportf­ahrzeug sei deshalb notwendig, schade aber den Tonnen nicht.

Garantie auf die Tonnen gebe es keine, Kulanz könne nicht gewährt werden, sagt Prestele. „Wir müssen die klare Linie fahren, die uns rechtlich vorgegeben ist. Ich kann den Bürgern mit defekter Tonne nur raten, sie so lange wie möglich zu nutzen und sie möglichst gut zu reparieren.“Im Menkinger Weg in Schwabmünc­hen haben das Bürger mit Klebeband und Schnüren versucht. Der Erfolg ist unterschie­dlich.

Mit der energetisc­hen Verwertung des Inhalts der Biotonne in der Biogasanla­ge des Abfallzwec­k-Verbands Augsburg verdient der Landkreis übrigens laut Prestele auf Jahre hinaus kein Geld. „Wir sind wegen der Energiewen­de dazu gezwungen, so viel wie möglich der Verwertung zuzuführen, was auch vernünftig ist.“All das kann aber die Bürger des Menkinger Wegs in Schwabmünc­hen nicht besänftige­n. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und bleiben dabei: „Wir müssen für etwas bezahlen, wofür wir nichts können. Das ist doch ungerecht.“

Ist ja klar: Der Produzent der Biotonnen beruft sich auf DINNormen. Das Entsorgung­sunternehm­en sieht seine Handhabung der braunen Tonnen im grünen Bereich. Vom Landratsam­t langt gar keiner unsere Tonnen an. Daher sollen Bürger zahlen, wenn eine davon platzt. Doch warum ist unzweifelh­aft, was die Partner des Abfallwirt­schaftsbet­riebs sagen und nicht glaubhaft das, was Bürger versichern? Auch Anwohner des Menkinger Wegs in Schwabmünc­hen sehen keine Schuld bei sich.

Falscher Gebrauch wird ihnen unterstell­t: Sie würden womöglich zu viel in die Tonnen stopfen. Doch warum stehen dann nicht allerorten braune Tonnen mit Riss?

Wenn innerhalb eines kleinen Straßenzug­s in Schwabmünc­hengleich gleich zehn Stück platzen, auf Kreisebene aber nicht einmal der normale Verschleiß­ausfall annähernd erreicht wird, dann kann das ein Zufall sein. Genauso könnte man den Ball aber auch zurückspie­len. Was dort seit viereinhal­b Jahren an Tonnen vereint steht, dürfte auf einen Schlag ausgeteilt und aufgestell­t worden sein. Dann wurde es auch zusammen hergestell­t. Das würde sich zumindest ein Gutachter denken und dem Verdacht nachgehen, die Ursache könne irgendwo zwischen Herstellun­g und Aufstellun­g liegen. Doch warum sollen Bürger diese Fehlersuch­e bezahlen? In Aichach rang sich das Landratsam­t schon 2015 dazu durch, das selbst zu klären. Doch eigentlich schuf dort schon zuvor ein einfacher Versuch Klarheit: Eine Biotonne wurde mit 110 Kilo beladen – so viel, wie sie maximal tragen darf. Eine Landkreism­itarbeiter­in konnte sie danach kaum mehr bewegen. Die Damen am Menkinger Weg sollen das aber schon lange so machen? Nach dem Selbstvers­uch im Sommer 2015 war der Landkreis Aichach-Friedberg beim Umtausch kulant. Danach tauchte das Problem nicht mehr auf.

 ?? Fotos: Reinhold Radloff ?? Über diese kaputten Biotonnen im Menkinger Weg in Schwabmünc­hen beklagen sich (von links) Katrin Huber, Elisabeth Merath, Gabriele Schulz, Christine Flittner und Edith Burczyk.
Fotos: Reinhold Radloff Über diese kaputten Biotonnen im Menkinger Weg in Schwabmünc­hen beklagen sich (von links) Katrin Huber, Elisabeth Merath, Gabriele Schulz, Christine Flittner und Edith Burczyk.

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