Die Massen jubeln den starken Männern zu
Wettbewerb Beim Steinheben in Klosterlechfeld zeigen die Sportler vor etwa 1500 Zuschauern, was sie draufhaben. Der 56-jährige Wolfgang Hiller sagt, was ihn immer wieder zu neuen Höchstleistungen antreibt
Klosterlechfeld Die Massen grölen, jubeln, pfeifen, klatschen, stehen dabei auf den Bänken und Tischen. Es ist wieder Steinheben im Bierzelt: der große Lechfeld-Cup. Schweißtriefend bereitet sich Wolfgang Hiller auf seinen Auftritt vor. Er ist einer der Stars des Abends. Wie viele Tonnen Gewicht er schon vor dem Wettkampf, also während der Aufwärmphase, hebt, weiß er nicht. Viele. Bodybuilding (deutscher Vizemeister, Dritter bei der Europa- und bei der Weltmeisterschaft) betreibt er schon „immer“, wie er sagt.
Die Faszination des Steinhebens ergriff ihn aber erste viel später: „Als ich vor vier Jahren beruflich aus Celle hierher kam, suchte ich sozialen Kontakt, fand ihn bei den Steinhebern und bin sehr glücklich damit“, sagt der Stationsleiter bei der Erdölförderfirma Wintershall, dem das Lechfeld nicht zu eng ist, obwohl er beruflich und sportlich die ganze Welt gesehen hat.
Als er den Lechfeldstein zum ersten Mal „spürte“, war gleich die Faszination geboren. „Ich oder der Stein. Nur einer kann gewinnen. Natürlich wollte ich der Sieger bleiben und blieb es auch.“Ein echtes Hochgefühl war es für den 97 Kilogramm schweren und 1,80 Meter großen Kraftprotz, als er den 508 Pfund schweren Stein besiegt hatte. Ab da ging es bei ihm nur noch darum: „Wie hoch kann ich ihn heben?“Der magische eine Meter, das ist sein großes Ziel.
Doch immer wieder bremsen ihn schwere Verletzungen aus. Immer wieder kämpft er sich trotz seiner bereis 56 Jahre zurück, greift sich den Stein. Etliche Trainingseinheiten absolviert er pro Woche, kommt gut voran und baut immer noch mehr Zugkraft auf. Und damit das Training nicht zu eintönig wird, hat er eine weitere große Liebe, natürlich neben seiner Frau, entdeckt: die Highland-Games. Inzwischen bildete er nicht nur sein eigenes Team, den High-Glen-Clan, sondern gründete auch den bayerischen Highland-Games-Verband und gewann sogar schon einen Wettkampf. Doch zurück zum Steinheben. Hiller ist dran.
Das Mittelgewicht ist an der Reihe. Völlig fokussiert auf seine schwere Aufgabe blickt er ins Leere. Dritter will der Sieger des Alpencups hier werden, trotz der extrem starken Konkurrenz. „Lord Wolle“steht mit Magnesium auf seinem Kraftgurt geschrieben. Er legt ihn an, zieht die extrem engen Kniebandagen hoch, stülpt breite Bänder kurz unter dem Ellbogen über, springt locker auf die Bühne, streckt sich noch einmal und greift sich den Stein.
Mit brachialer Gewalt zieht er die 508 Pfund hoch, ruckt immer noch einmal nach. Die elektronische Anzeige zittert sich bis 62,2 Zentimeter hoch. „Mehr war nicht drin. Heut war der Stein besonders schwer“, meint er, am ganzen Körper zitternd und schweißtriefend, schwer atmend. Die Belastung lässt erst allmählich nach.
Unten im Zelt jubeln seine Fans noch immer. Sie mögen ihn, den Preußen in Bayern. Einer seiner größen Fans: Bürgermeister Rudolf Schneider: „Er ist ein echt netter und sympathischer Kerl. Unglaub- lich, welche Kraft er mit seinen 56 Jahren, er ist heute ältester Teilnehmer, noch hat.“Schneider schätzt die Steinheber als Verein in seinem Ort sehr: „Sie bekommen nach dem Umbau im Bahnhof ein tolles Trainingszentrum“, erzählt er. Den Bürgermeister begeistert auch, welch fantastische Stimmung Jahr für Jahr im mit fast 1500 Leuten besetzten Zelt herrscht.
Nach dem zweiten Versuch Hillers steht fest: Er ist Dritter. Ziel erreicht. Das Zelt tobt bei der Siegerehrung. Er strahlt über das ganze Gesicht und freut sich schon auf den nächsten Wettkampf, irgendwo in Bayern.