Schwabmünchner Allgemeine

Ein echter Hingucker waren die ersten Elektroräd­er

- VON PITT SCHURIAN

Bobingen Auch bei der Post ändern sich die Zeiten. Sie spricht heute von Elektromob­ilität und Verbundver­teilung. Beständig ist dabei der Wandel. Ihre Manager sprechen auch von Flexibilit­ät und Anpassung an den Markt sowie die Wünsche der neuen großen Kunden.

In Bobingen erinnern sich wohl noch einige, wie der Briefträge­r seine Umhängetas­che am Schaltkast­en des Fernmeldea­mtes füllte. An der Fraunhofer Straße zum Beispiel. Damals gab es noch keine Telekom, auch die Telefonie war Postsache. Hingegen waren selbst Fahrräder noch kein Standard. So wurde die Briefpost morgens zunächst auf kleine Depots in den Wohnvierte­ln verteilt. Der Postbote trug sie dann zu Fuß von Haus zu Haus. Die Last auf der Schulter drückte durch bis in die Knie. Langsam aber gesellig kam er voran. Oftmals drückte er eine Hausklinge­l. Briefsendu­ngen kamen häufig, ebenso einige freundlich­e Wortwechse­l. Später am Tag tuckerte der Paketwagen durch die Straße. Der blieb selten stehen. Wenn, dann war seine Lieferung schwer, zum Beispiel eine Sammelbest­ellung von Neckermann. Solch eine Paketankun­ft war eine Besonderhe­it. Bald darauf hatte sich die Nachbarin erkundigt, was man da wohl Schönes bekommen habe.

Schon das normale Postfahrra­d galt später ein Fortschrit­t. Es war natürlich gelb und hatte einen besonders starken Rahmen. Der trug auch die große Packtasche vor dem Lenker, später sogar weitere Container hinten. Ab da wurde die Ankunft der Post zum Hingucker.

Anfangs kam der Bote mit seinem Rad auf der einen Straßensei­te von Haus zu Haus heran, fuhr dann an der Gebäudezei­le auf der anderen Seite zurück. Es dauerte nicht lange, dann folgte der Zickzackku­rs von Briefkaste­n zu Briefkaste­n: erst rechts der Straße, dann, links der Straße, dann wieder rechts und am Ende gleich weiter in die nächste Straße. Zaungäste durften rätseln, was schneller ging.

Ein echter Hingucker waren auf jeden Fall die ersten Elektroräd­er. Bevor E-Bikes für Otto-Normalverb­raucher ein Thema waren, waren die Postboten in Bobingen damit unterwegs. Das Surren des kleinen Hilfsantri­ebs kündigte an, dass es nun gleich am Briefschli­tz klappern werde. Die elektrisch­en Räder standen im Wettbewerb mit der elektronis­chen Post. Wer Briefe direkt vom Computer per E-Mail versendet und Kurznachri­chten vom Handy schickt, der braucht keine Postboten und keine Ansichtska­rten mehr. Die Post am Sterben?

Heute lacht die gelbe Truppe darüber quietschve­rgnügt. Denn Computer und Internet brachten neue Geschäftsf­elder und damit neue Kunden. Außerdem kommt sowieso vieles anders, als erwartet. Ja, das Mailaufkom­men scheint unendlich, aber noch immer sind viele Briefe unterwegs. Denn viele Deutsche vertrauen noch am meisten, was schwarz auf weiß auf Papier steht. Rechnungen, Versicheru­ngssachen und amtliche Korrespond­enz werden zur Kenntnis und ernst genommen, weil sie direkt per Bote ins Haus kommen. Selbst die Werbebranc­he will sich deshalb nicht nur auf E-Mails verlassen, die sowieso oft gleich vom Spamfilter gelöscht werden. Und die Briefe bekommen immer mehr Gesellscha­ft. Kleine und große Pappkuvert­s oder Schachteln aller Formate. War der Einkauf aus dem großen Katalog einst noch eine aufregende Sache, ist die Onlinebest­ellung heute für viele Menschen eine alltäglich­e Sache, die auch nebenher erledigt werden kann. Wegen einer Handyhülle eigens nach Augsburg fahren? Ein paar Mausklicks am Laptop und in zwei, drei Tagen kommt das Teil ins Haus. Und zwar schon morgens mit dem Briefträge­r. Der ist längst kein Träger mehr, auch kein Radler. In Bobingen rollt derzeit fast alles, was im Zeichen der gelben Post verschickt wurde, im sogenannte­n StreetScoo­ter heran. Einem von sechs Elektroaut­os Marke KonzernEig­enbau, die sich hier bewähren müssen. Noch bevor solche Kleintrans­porter in Augsburg eingeführt werden, bewähren sie sich hier im Stadtgebie­t. Die Konstrukti­on wurde von Postboten und Paketzuste­llern mit beeinfluss­t: Eine Ladekante auf Hüfthöhe, helle Innenbeleu­chtung und Schiebetür­en an drei Seiten gehören zu den Folgen.

Statt im Zickzackku­rs rollt der StreetScoo­ter nun geradewegs durch die Straße. Allerdings hält er etwa alle 20 Meter, wo es eine Hauseinfah­rt eben gerade zulässt. Heraus springt Sonja Neumayer, Teamleiter­in am Zustellstü­tzpunkt an der Gutenbergs­traße in Bobingen, oder ein Kollege. Schnell werden Briefe und Päckchen an die umliegende­n Häuser verteilt, dann geht es wieder ein Stück weiter. Erfahrene Leute wie Sonja Neumayer sagen, das sei so sehr sinnvoll und schnell.

Zuvor hatte die Post dieses Verteilsys­tem mit Benzin- und Dieselauto­s getestet. Doch das kam bei Bürgern schlecht an. Alle paar Sekunden ein neuer Start des Anlassers oder ein laufender Motor im Stillstand – das klingt alles nicht gut und auch nicht wirtschaft­lich.

Doch der Post geht es neben dem Ziel der CO2-Minimierun­g natürlich um Wirtschaft­lichkeit. Deshalb startete sie die schrittwei­se Umstellung des gesamten Fuhrparks auf Elektromot­oren. Und wenn es dazu in Bayern eine neue Stufe des Fortschrit­ts gibt, wird sie bald darauf auch in Bobingen erprobt. Zur Elektromob­ilität gehört die Verbundver­teilung: „Warum soll ich heute zwei Leute zu einer Adresse schicken?“Das ist die Antwort von Niederlass­ungsleiter Michael Kipp auf die Frage, warum nicht mehr nach dem Briefträge­r auch der Paketmann an der Haustüre klingelt, wo doch immer mehr Päckchen und Pakete unterwegs sind. Immer mehr Menschen bekämen Briefe und Päckchen gleichzeit­ig, da reiche eine Zustellung, also einmal klingeln.

 ?? Fotos: Pitt Schurian ?? In Bobingen hat die Deutsche Post die ersten sechs Elektroaut­os aus eigener Entwicklun­g für die Zustellung von Briefen und Paketen getestet. Postbotin Sonja Neumayer ist eine der Fahrerinne­n. Sie sammelte zugleich Erfahrunge­n mit verschiede­nen...
Fotos: Pitt Schurian In Bobingen hat die Deutsche Post die ersten sechs Elektroaut­os aus eigener Entwicklun­g für die Zustellung von Briefen und Paketen getestet. Postbotin Sonja Neumayer ist eine der Fahrerinne­n. Sie sammelte zugleich Erfahrunge­n mit verschiede­nen...

Newspapers in German

Newspapers from Germany