Schwabmünchner Allgemeine

Die Frage der Woche Fotografie­ren und Filmen im Freibad verbieten?

- WOLFGANG SCHÜTZ MATTHIAS ZIMMERMANN

Muss man denn immer gleich nach Verboten rufen? Es wäre ja schön, wenn nie und nirgends, wenn man also auf die Vernunft und die Einsicht der Mitmensche­n setzen könnte – aber in Fällen wie diesem muss es sein. Denn es geht bei der Frage, wie man mit dem Fotografie­ren und Filmen per Smartphone im Freibad umgehen sollte, um etwas Zentrales im öffentlich­en Raum.

Darum nämlich, dass, wer sich darin bewegt, nicht automatisc­h der völligen Verfügbark­eit seiner Privatheit ausgesetzt sein kann.

Das fängt natürlich bei den Kindern, Jungs und Mädchen, an, die gerade hier, naturgemäß halb entblößt, immer wieder zum Ziel der abgründige­n Motive zwielichti­ger Figuren werden. Das gilt aber auch für jene, die hier in der Gefahr sind, zum Objekt des Spotts gerade von Halbwüchsi­gen mit ständigem Netzanschl­uss und tabulosem Mitteilung­szwang zu werden. Wer hier nicht in die ständige Verlegenhe­it kommen will, sich das im Einzelfall immer problemati­sche Ringen mit Verdachtsm­omenten einzuhande­ln, braucht eine konsequent­e Lösung. Und das Foto- und Filmverbot funktionie­rt übrigens bei Konzerten von Künstlern, die darauf Wert legen, auch schon – und ist gut für die Stimmung.

Darüber hinaus würde auf diesem Wege etwas Grundlegen­des gesetzlich markiert, das dann auch im weiteren Sinne gelten müsste. So wie mich mein Liegewiese­nnachbar im Freibad nicht einfach ablichten darf, dürfte mich dann auch nicht einfach die Internet-Suchmaschi­ne, das soziale Netzwerk und die Sicherheit­skamera auf dem Rathauspla­tz übers Smartphone lesbar machen. Auch im öffentlich­en Raum braucht das Private einen gewissen Schutz – sonst muss man sich nicht wundern, wenn dieser Raum bald verödet und keiner mehr ins Freibad geht.

Kaum fängt die Badesaison an, ist der erste Aufreger schon da: Immer mehr Freibäder wollen das Fotografie­ren und Filmen verbieten. Warum? Angeblich weil immer mehr Gäste mit ihrem Smartphone knipsen und filmen, was sie nichts angeht: fremde Kinder, fremde Körper, vorzugswei­se knapp bekleidet. Und sind die Bilder erst auf dem Handy, sind sie auch schon halb im Internet, so die Begründung.

Naiv ist das harmlosest­e Wort für so etwas. Das Veröffentl­ichen von Filmen und Fotos anderer ist ohne deren Einwilligu­ng seit Jahrzehnte­n verboten. Und was Kinder angeht, ist das Gesetz vor zwei Jahren noch deutlich verschärft worden. Das Verbot gibt es längst! Natürlich kann ein Bad das Filmen und Fotografie­ren auf seiner Anlage auch komplett verbieten. Die ersten Bäder wollen dazu an der Kasse Aufkleber für die Handylinse­n verteilen. Wer ohne erwischt wird, fliegt raus. Theoretisc­h. Denn: Wer kontrollie­rt an einem 30°-Grad-Wochenend-Badetag, ob jeder der geschätzt drei Besucher pro Quadratmet­er Liegefläch­e einen Aufkleber auf der Handylinse hat? Der Bademeiste­r?

Es soll auch Menschen geben, die einfach nur gerne ihre Kinder bei den ersten Schwimmver­suchen fotografie­ren möchten; oder mit Pommestüte und Ketchup-Grinsen; die vielleicht den Großeltern ein Foto mit dem geschenkte­n Badetier schicken wollen. Kann man alles verbieten. Weil ein paar unterbelic­htete Hobbyfotog­rafen nicht die Grenze zwischen privat und öffentlich kennen. Gewonnen ist so nichts. Freibäder sollten an die Gesetzesla­ge erinnern. Viel drängender wäre, dass die Nutzer von Facebook, Instagram, Snapchat und Co. Medienkomp­etenz lernen. Dafür müssten die Netzgigant­en, die von deren Inhalten leben, viel stärker in die Verantwort­ung genommen werden.

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Foto: Marius Becker/dpa
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